Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850.Die Entfernung von Odessa bis Constantinopel beträgt 360 Seemeilen. Das Schiff war schön und äußerst rein gehalten, die Preise überaus mäßig -- (ich zahlte für den zweiten Platz 13 Silberrubel oder 20 fl. 50 kr.). Das einzige, was mir auf den russischen Schiffen nicht gefällt, ist die allzugroße Begünstigung des Wirthes, der, wie man mir sagte, dafür auch seinen Theil am gehörigen Orte abgeben muß. Alle Reisenden sind gezwungen, die Kost bei ihm zu nehmen, die armen Deckpassagiere nicht ausgenommen, die manchmal zur Zahlung die letzten Kopeken aus den Taschen zusammen suchen mögen. Zeitlich des Nachmittags kamen wir nach Feodosia (Caffa), das einst die größte und wichtigste Stadt der Krimm, und das zweite Constantinopel genannt wurde. Ihren höchsten Flor hatte sie am Ende des fünfzehnten Jahrhunderts unter der Herrschaft der Genueser erreicht. Ihre Bevölkerung soll damals über 200,000 Seelen betragen haben, jetzt ist sie zu einem Kreisstädtchen mit 5000 Einwohnern herab gesunken. Aus den Zeiten der Genueser stammen noch halbverfallene Festungsmauern und Thürme, so wie auch eine schöne Moschee, die aber von den Russen in eine christliche Kirche umgewandelt wurde. Das Städtchen liegt an einem großen Meerbusen des schwarzen Meeres, am Abhange kahler Hügel. Hübsche Gartenanlagen zwischen den Häusern sind das einzige Grün, das man sieht. 28. September. Diesen Morgen hielten wir bei Jalta, einem ganz kleinen Oertchen von 500 Seelen, das eine ausgezeichnet hübsche, von dem Fürsten Woronzoff gestiftete Die Entfernung von Odessa bis Constantinopel beträgt 360 Seemeilen. Das Schiff war schön und äußerst rein gehalten, die Preise überaus mäßig — (ich zahlte für den zweiten Platz 13 Silberrubel oder 20 fl. 50 kr.). Das einzige, was mir auf den russischen Schiffen nicht gefällt, ist die allzugroße Begünstigung des Wirthes, der, wie man mir sagte, dafür auch seinen Theil am gehörigen Orte abgeben muß. Alle Reisenden sind gezwungen, die Kost bei ihm zu nehmen, die armen Deckpassagiere nicht ausgenommen, die manchmal zur Zahlung die letzten Kopeken aus den Taschen zusammen suchen mögen. Zeitlich des Nachmittags kamen wir nach Feodosia (Caffa), das einst die größte und wichtigste Stadt der Krimm, und das zweite Constantinopel genannt wurde. Ihren höchsten Flor hatte sie am Ende des fünfzehnten Jahrhunderts unter der Herrschaft der Genueser erreicht. Ihre Bevölkerung soll damals über 200,000 Seelen betragen haben, jetzt ist sie zu einem Kreisstädtchen mit 5000 Einwohnern herab gesunken. Aus den Zeiten der Genueser stammen noch halbverfallene Festungsmauern und Thürme, so wie auch eine schöne Moschee, die aber von den Russen in eine christliche Kirche umgewandelt wurde. Das Städtchen liegt an einem großen Meerbusen des schwarzen Meeres, am Abhange kahler Hügel. Hübsche Gartenanlagen zwischen den Häusern sind das einzige Grün, das man sieht. 28. September. Diesen Morgen hielten wir bei Jalta, einem ganz kleinen Oertchen von 500 Seelen, das eine ausgezeichnet hübsche, von dem Fürsten Woronzoff gestiftete <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0300" n="292"/> Die Entfernung von <hi rendition="#aq">Odessa</hi> bis <hi rendition="#aq">Constantinopel</hi> beträgt 360 Seemeilen. Das Schiff war schön und äußerst rein gehalten, die Preise überaus mäßig — (ich zahlte für den zweiten Platz 13 Silberrubel oder 20 fl. 50 kr.). Das einzige, was mir auf den russischen Schiffen nicht gefällt, ist die allzugroße Begünstigung des Wirthes, der, wie man mir sagte, dafür auch seinen Theil am gehörigen Orte abgeben muß. Alle Reisenden sind gezwungen, die Kost bei ihm zu nehmen, die armen Deckpassagiere nicht ausgenommen, die manchmal zur Zahlung die letzten Kopeken aus den Taschen zusammen suchen mögen.</p> <p>Zeitlich des Nachmittags kamen wir nach <hi rendition="#aq">Feodosia</hi> (<hi rendition="#aq">Caffa</hi>), das einst die größte und wichtigste Stadt der Krimm, und das zweite <hi rendition="#aq">Constantinopel</hi> genannt wurde. Ihren höchsten Flor hatte sie am Ende des fünfzehnten Jahrhunderts unter der Herrschaft der Genueser erreicht. Ihre Bevölkerung soll damals über 200,000 Seelen betragen haben, jetzt ist sie zu einem Kreisstädtchen mit 5000 Einwohnern herab gesunken.</p> <p>Aus den Zeiten der Genueser stammen noch halbverfallene Festungsmauern und Thürme, so wie auch eine schöne Moschee, die aber von den Russen in eine christliche Kirche umgewandelt wurde.</p> <p>Das Städtchen liegt an einem großen Meerbusen des schwarzen Meeres, am Abhange kahler Hügel. Hübsche Gartenanlagen zwischen den Häusern sind das einzige Grün, das man sieht.</p> <p>28. September. Diesen Morgen hielten wir bei <hi rendition="#aq">Jalta</hi>, einem ganz kleinen Oertchen von 500 Seelen, das eine ausgezeichnet hübsche, von dem Fürsten Woronzoff gestiftete </p> </div> </body> </text> </TEI> [292/0300]
Die Entfernung von Odessa bis Constantinopel beträgt 360 Seemeilen. Das Schiff war schön und äußerst rein gehalten, die Preise überaus mäßig — (ich zahlte für den zweiten Platz 13 Silberrubel oder 20 fl. 50 kr.). Das einzige, was mir auf den russischen Schiffen nicht gefällt, ist die allzugroße Begünstigung des Wirthes, der, wie man mir sagte, dafür auch seinen Theil am gehörigen Orte abgeben muß. Alle Reisenden sind gezwungen, die Kost bei ihm zu nehmen, die armen Deckpassagiere nicht ausgenommen, die manchmal zur Zahlung die letzten Kopeken aus den Taschen zusammen suchen mögen.
Zeitlich des Nachmittags kamen wir nach Feodosia (Caffa), das einst die größte und wichtigste Stadt der Krimm, und das zweite Constantinopel genannt wurde. Ihren höchsten Flor hatte sie am Ende des fünfzehnten Jahrhunderts unter der Herrschaft der Genueser erreicht. Ihre Bevölkerung soll damals über 200,000 Seelen betragen haben, jetzt ist sie zu einem Kreisstädtchen mit 5000 Einwohnern herab gesunken.
Aus den Zeiten der Genueser stammen noch halbverfallene Festungsmauern und Thürme, so wie auch eine schöne Moschee, die aber von den Russen in eine christliche Kirche umgewandelt wurde.
Das Städtchen liegt an einem großen Meerbusen des schwarzen Meeres, am Abhange kahler Hügel. Hübsche Gartenanlagen zwischen den Häusern sind das einzige Grün, das man sieht.
28. September. Diesen Morgen hielten wir bei Jalta, einem ganz kleinen Oertchen von 500 Seelen, das eine ausgezeichnet hübsche, von dem Fürsten Woronzoff gestiftete
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Zitationshilfe: | Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt03_1850/300>, abgerufen am 16.02.2025. |