Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850.ein Häuschen. Die Menschen sind von einer merkwürdigen Trägheit und Stumpfsinnigkeit, sehen blasgelb aus, sind mager, und selten soll ein Eingeborner das Alter von 60 Jahren erlangen. Für Fremde soll das Klima noch schädlicher sein. Und dennoch glaube ich, daß für fleißige Kolonisten und Oekonomen in diesem Lande unendlich viel zu schaffen wäre. An Grund und Boden ist kein Mangel; es mögen gewiß über drei Viertheile des Landes unbenützt liegen. Durch Lichtung der Waldungen, durch Trocknung des Erdreiches würde das Klima von seiner Schädlichkeit verlieren. Die Fruchtbarkeit ist ohne Kultur schon groß und üppig. Wie müßte sie erst durch eine zweckmäßige und verständige Behandlung gesteigert werden. Ueberall wuchert fettes Gras, mit den besten Kräutern und wildem Klee gemengt. Das Obst wächst wild, die Weinstöcke ranken sich bis an die höchsten Spitzen der Bäume. Die Erde soll zur Regenzeit so weich sein, daß man sich nur hölzerner Pflüge und Hacken bedient. Man baut am häufigsten türkisches Korn und eine Art Hirse, Gom, genannt. Den Wein bereiten die Einwohner auf die einfachste Weise. Sie höhlen den Stamm eines Baumes aus und treten hierinnen die Trauben aus, den Saft geben sie dann in irdene Geschirre und vergraben diese in die Erde. Der Charakter der Mingrelier soll durchgehends schlecht sein, und allgemein gelten sie als Räuber und Diebe; auch Morde sind nicht selten. Sie entführen einander ihre Weiber und sind dem Trunke sehr ergeben. Der Vater erzieht die Kinder zum Stehlen und die Mutter zur Unzucht. ein Häuschen. Die Menschen sind von einer merkwürdigen Trägheit und Stumpfsinnigkeit, sehen blasgelb aus, sind mager, und selten soll ein Eingeborner das Alter von 60 Jahren erlangen. Für Fremde soll das Klima noch schädlicher sein. Und dennoch glaube ich, daß für fleißige Kolonisten und Oekonomen in diesem Lande unendlich viel zu schaffen wäre. An Grund und Boden ist kein Mangel; es mögen gewiß über drei Viertheile des Landes unbenützt liegen. Durch Lichtung der Waldungen, durch Trocknung des Erdreiches würde das Klima von seiner Schädlichkeit verlieren. Die Fruchtbarkeit ist ohne Kultur schon groß und üppig. Wie müßte sie erst durch eine zweckmäßige und verständige Behandlung gesteigert werden. Ueberall wuchert fettes Gras, mit den besten Kräutern und wildem Klee gemengt. Das Obst wächst wild, die Weinstöcke ranken sich bis an die höchsten Spitzen der Bäume. Die Erde soll zur Regenzeit so weich sein, daß man sich nur hölzerner Pflüge und Hacken bedient. Man baut am häufigsten türkisches Korn und eine Art Hirse, Gom, genannt. Den Wein bereiten die Einwohner auf die einfachste Weise. Sie höhlen den Stamm eines Baumes aus und treten hierinnen die Trauben aus, den Saft geben sie dann in irdene Geschirre und vergraben diese in die Erde. Der Charakter der Mingrelier soll durchgehends schlecht sein, und allgemein gelten sie als Räuber und Diebe; auch Morde sind nicht selten. Sie entführen einander ihre Weiber und sind dem Trunke sehr ergeben. Der Vater erzieht die Kinder zum Stehlen und die Mutter zur Unzucht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0285" n="277"/> ein Häuschen. Die Menschen sind von einer merkwürdigen Trägheit und Stumpfsinnigkeit, sehen blasgelb aus, sind mager, und selten soll ein Eingeborner das Alter von 60 Jahren erlangen. Für Fremde soll das Klima noch schädlicher sein.</p> <p>Und dennoch glaube ich, daß für fleißige Kolonisten und Oekonomen in diesem Lande unendlich viel zu schaffen wäre. An Grund und Boden ist kein Mangel; es mögen gewiß über drei Viertheile des Landes unbenützt liegen. Durch Lichtung der Waldungen, durch Trocknung des Erdreiches würde das Klima von seiner Schädlichkeit verlieren. Die Fruchtbarkeit ist ohne Kultur schon groß und üppig. Wie müßte sie erst durch eine zweckmäßige und verständige Behandlung gesteigert werden. Ueberall wuchert fettes Gras, mit den besten Kräutern und wildem Klee gemengt. Das Obst wächst wild, die Weinstöcke ranken sich bis an die höchsten Spitzen der Bäume. Die Erde soll zur Regenzeit so weich sein, daß man sich nur hölzerner Pflüge und Hacken bedient. Man baut am häufigsten türkisches Korn und eine Art Hirse, Gom, genannt.</p> <p>Den Wein bereiten die Einwohner auf die einfachste Weise. Sie höhlen den Stamm eines Baumes aus und treten hierinnen die Trauben aus, den Saft geben sie dann in irdene Geschirre und vergraben diese in die Erde.</p> <p>Der Charakter der Mingrelier soll durchgehends schlecht sein, und allgemein gelten sie als Räuber und Diebe; auch Morde sind nicht selten. Sie entführen einander ihre Weiber und sind dem Trunke sehr ergeben. Der Vater erzieht die Kinder zum Stehlen und die Mutter zur Unzucht.</p> </div> </body> </text> </TEI> [277/0285]
ein Häuschen. Die Menschen sind von einer merkwürdigen Trägheit und Stumpfsinnigkeit, sehen blasgelb aus, sind mager, und selten soll ein Eingeborner das Alter von 60 Jahren erlangen. Für Fremde soll das Klima noch schädlicher sein.
Und dennoch glaube ich, daß für fleißige Kolonisten und Oekonomen in diesem Lande unendlich viel zu schaffen wäre. An Grund und Boden ist kein Mangel; es mögen gewiß über drei Viertheile des Landes unbenützt liegen. Durch Lichtung der Waldungen, durch Trocknung des Erdreiches würde das Klima von seiner Schädlichkeit verlieren. Die Fruchtbarkeit ist ohne Kultur schon groß und üppig. Wie müßte sie erst durch eine zweckmäßige und verständige Behandlung gesteigert werden. Ueberall wuchert fettes Gras, mit den besten Kräutern und wildem Klee gemengt. Das Obst wächst wild, die Weinstöcke ranken sich bis an die höchsten Spitzen der Bäume. Die Erde soll zur Regenzeit so weich sein, daß man sich nur hölzerner Pflüge und Hacken bedient. Man baut am häufigsten türkisches Korn und eine Art Hirse, Gom, genannt.
Den Wein bereiten die Einwohner auf die einfachste Weise. Sie höhlen den Stamm eines Baumes aus und treten hierinnen die Trauben aus, den Saft geben sie dann in irdene Geschirre und vergraben diese in die Erde.
Der Charakter der Mingrelier soll durchgehends schlecht sein, und allgemein gelten sie als Räuber und Diebe; auch Morde sind nicht selten. Sie entführen einander ihre Weiber und sind dem Trunke sehr ergeben. Der Vater erzieht die Kinder zum Stehlen und die Mutter zur Unzucht.
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Zitationshilfe: | Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt03_1850/285>, abgerufen am 16.02.2025. |