Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850.des Chans auf, schlief aber, einer kleinen Anwandlung von Furcht wegen, sehr wenig. Des Morgens wurden zu meiner Verwunderung gar keine Anstalten zum Aufbruche gemacht. Ich frug Ali nach der Ursache und erhielt zur Antwort, daß die Reisenden nicht alle versammelt seien; sobald sie kämen, zögen wir gleich fort. In der Erwartung, daß dies bald geschehen könne, wagte ich nicht, die elende Herberge zu verlassen, um nach Mossul zurückzukehren, von dem ich nur eine englische Meile entfernt war. Mit dem Warten verging aber der ganze Tag, -- die guten Leute kamen erst des Abends. Es waren ihrer fünf, darunter ein, wie es schien, wohlhabender Mann, der zwei Diener bei sich hatte und von einer Pilgerreise kam. Um zehn Uhr Nachts ging es endlich fort. Nach einem Marsche von vier Stunden überschritten wir einige Hügelreihen, welche die Grenze Mesopotamiens und Kurdistans bilden. Wir kamen an mehreren Ortschaften vorüber und erreichten am Morgen des 10. Juli Secani. Auch Ali hielt nicht am Dorfe, das an dem hübschen Flusse Kasir lag, sondern jenseits des Flusses auf einem Hügel, an ein Paar verlassenen, halb verfallenen Hütten. -- Ich eilte gleich in eine der besten, um ein gutes Plätzchen zu erobern und fand glücklicherweise eines, wo sich keine Sonne durch das siebartige Dach stahl; der gute Pilgersmann aber, der gleich nach mir herein humpelte, wollte mir es streitig machen. Ich warf meinen Mantel hin, setzte mich darauf und wich nicht von der Stelle, recht wohl wissend, daß der Muselmann keine Gewalt gegen eine Frau ausübt, selbst nicht einmal gegen eine Christin. Und so war es auch: er ließ mir meinen des Chans auf, schlief aber, einer kleinen Anwandlung von Furcht wegen, sehr wenig. Des Morgens wurden zu meiner Verwunderung gar keine Anstalten zum Aufbruche gemacht. Ich frug Ali nach der Ursache und erhielt zur Antwort, daß die Reisenden nicht alle versammelt seien; sobald sie kämen, zögen wir gleich fort. In der Erwartung, daß dies bald geschehen könne, wagte ich nicht, die elende Herberge zu verlassen, um nach Mossul zurückzukehren, von dem ich nur eine englische Meile entfernt war. Mit dem Warten verging aber der ganze Tag, — die guten Leute kamen erst des Abends. Es waren ihrer fünf, darunter ein, wie es schien, wohlhabender Mann, der zwei Diener bei sich hatte und von einer Pilgerreise kam. Um zehn Uhr Nachts ging es endlich fort. Nach einem Marsche von vier Stunden überschritten wir einige Hügelreihen, welche die Grenze Mesopotamiens und Kurdistans bilden. Wir kamen an mehreren Ortschaften vorüber und erreichten am Morgen des 10. Juli Secani. Auch Ali hielt nicht am Dorfe, das an dem hübschen Flusse Kasir lag, sondern jenseits des Flusses auf einem Hügel, an ein Paar verlassenen, halb verfallenen Hütten. — Ich eilte gleich in eine der besten, um ein gutes Plätzchen zu erobern und fand glücklicherweise eines, wo sich keine Sonne durch das siebartige Dach stahl; der gute Pilgersmann aber, der gleich nach mir herein humpelte, wollte mir es streitig machen. Ich warf meinen Mantel hin, setzte mich darauf und wich nicht von der Stelle, recht wohl wissend, daß der Muselmann keine Gewalt gegen eine Frau ausübt, selbst nicht einmal gegen eine Christin. Und so war es auch: er ließ mir meinen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0183" n="175"/> des Chans auf, schlief aber, einer kleinen Anwandlung von Furcht wegen, sehr wenig.</p> <p>Des Morgens wurden zu meiner Verwunderung gar keine Anstalten zum Aufbruche gemacht. 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des Chans auf, schlief aber, einer kleinen Anwandlung von Furcht wegen, sehr wenig.
Des Morgens wurden zu meiner Verwunderung gar keine Anstalten zum Aufbruche gemacht. Ich frug Ali nach der Ursache und erhielt zur Antwort, daß die Reisenden nicht alle versammelt seien; sobald sie kämen, zögen wir gleich fort. In der Erwartung, daß dies bald geschehen könne, wagte ich nicht, die elende Herberge zu verlassen, um nach Mossul zurückzukehren, von dem ich nur eine englische Meile entfernt war. Mit dem Warten verging aber der ganze Tag, — die guten Leute kamen erst des Abends. Es waren ihrer fünf, darunter ein, wie es schien, wohlhabender Mann, der zwei Diener bei sich hatte und von einer Pilgerreise kam. Um zehn Uhr Nachts ging es endlich fort. Nach einem Marsche von vier Stunden überschritten wir einige Hügelreihen, welche die Grenze Mesopotamiens und Kurdistans bilden. Wir kamen an mehreren Ortschaften vorüber und erreichten am Morgen des 10. Juli Secani. Auch Ali hielt nicht am Dorfe, das an dem hübschen Flusse Kasir lag, sondern jenseits des Flusses auf einem Hügel, an ein Paar verlassenen, halb verfallenen Hütten. — Ich eilte gleich in eine der besten, um ein gutes Plätzchen zu erobern und fand glücklicherweise eines, wo sich keine Sonne durch das siebartige Dach stahl; der gute Pilgersmann aber, der gleich nach mir herein humpelte, wollte mir es streitig machen. Ich warf meinen Mantel hin, setzte mich darauf und wich nicht von der Stelle, recht wohl wissend, daß der Muselmann keine Gewalt gegen eine Frau ausübt, selbst nicht einmal gegen eine Christin. Und so war es auch: er ließ mir meinen
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Zitationshilfe: | Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt03_1850/183>, abgerufen am 16.07.2024. |