Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850.Deckpassagiere waren in großer Angst, daß sich die böse Luft durch die geöffneten Lucken über das ganze Schiff verbreiten möge. Die Pocken waren unter den Kindern schon ausgebrochen, bevor sie auf's Schiff kamen; aber niemand konnte es ahnen, denn die Weiber wurden spät in der Nacht an Bord gebracht, dicht verschleiert und in große Tücher eingehüllt, unter welchen sie die Kinder trugen. Erst am dritten Tage, als eines der Kinder starb, erfuhren wir die uns umgebende Gefahr. Das Kind wurde in ein weißes Tuch geschlagen, auf einem Brettchen gefestiget, das durch einige Stücke Steinkohlen oder Steine beschwert war, von der Falltreppe ließ man es in die See gleiten; in dem Augenblicke, als es das Wasser berührte, schlugen die Wogen darüber und -- es war unserem Blicke entschwunden. Ich weiß nicht, ob eine verwandte oder liebende Seele bei dieser traurigen Bestattung zugegen war, ich sah keine Thräne fließen, -- die arme Mutter mag wohl getrauert haben, sie durfte aber ihren Liebling nicht begleiten, die sitte verbietet es. Nah zwei Todtenfälle ereigneten sich, die übrigen Kranken genasen und die Seuche griff glücklicherweise nicht weiter um sich. 30. April. Heute kamen wir der arabischen Küste sehr nahe und sahen eine Gebirgskette, die aber nackt und kahl und nichts weniger als schön war. Am folgenden Morgen den 31. April zeigten sich hin und wieder auf den Spitzen schöner Felsgruppen kleine Forts und Wachtthürme, bald Deckpassagiere waren in großer Angst, daß sich die böse Luft durch die geöffneten Lucken über das ganze Schiff verbreiten möge. Die Pocken waren unter den Kindern schon ausgebrochen, bevor sie auf’s Schiff kamen; aber niemand konnte es ahnen, denn die Weiber wurden spät in der Nacht an Bord gebracht, dicht verschleiert und in große Tücher eingehüllt, unter welchen sie die Kinder trugen. Erst am dritten Tage, als eines der Kinder starb, erfuhren wir die uns umgebende Gefahr. Das Kind wurde in ein weißes Tuch geschlagen, auf einem Brettchen gefestiget, das durch einige Stücke Steinkohlen oder Steine beschwert war, von der Falltreppe ließ man es in die See gleiten; in dem Augenblicke, als es das Wasser berührte, schlugen die Wogen darüber und — es war unserem Blicke entschwunden. Ich weiß nicht, ob eine verwandte oder liebende Seele bei dieser traurigen Bestattung zugegen war, ich sah keine Thräne fließen, — die arme Mutter mag wohl getrauert haben, sie durfte aber ihren Liebling nicht begleiten, die sitte verbietet es. Nah zwei Todtenfälle ereigneten sich, die übrigen Kranken genasen und die Seuche griff glücklicherweise nicht weiter um sich. 30. April. Heute kamen wir der arabischen Küste sehr nahe und sahen eine Gebirgskette, die aber nackt und kahl und nichts weniger als schön war. Am folgenden Morgen den 31. April zeigten sich hin und wieder auf den Spitzen schöner Felsgruppen kleine Forts und Wachtthürme, bald <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0104" n="96"/> Deckpassagiere waren in großer Angst, daß sich die böse Luft durch die geöffneten Lucken über das ganze Schiff verbreiten möge. Die Pocken waren unter den Kindern schon ausgebrochen, bevor sie auf’s Schiff kamen; aber niemand konnte es ahnen, denn die Weiber wurden spät in der Nacht an Bord gebracht, dicht verschleiert und in große Tücher eingehüllt, unter welchen sie die Kinder trugen. Erst am dritten Tage, als eines der Kinder starb, erfuhren wir die uns umgebende Gefahr.</p> <p>Das Kind wurde in ein weißes Tuch geschlagen, auf einem Brettchen gefestiget, das durch einige Stücke Steinkohlen oder Steine beschwert war, von der Falltreppe ließ man es in die See gleiten; in dem Augenblicke, als es das Wasser berührte, schlugen die Wogen darüber und — es war unserem Blicke entschwunden.</p> <p>Ich weiß nicht, ob eine verwandte oder liebende Seele bei dieser traurigen Bestattung zugegen war, ich sah keine Thräne fließen, — die arme Mutter mag wohl getrauert haben, sie durfte aber ihren Liebling nicht begleiten, die sitte verbietet es.</p> <p>Nah zwei Todtenfälle ereigneten sich, die übrigen Kranken genasen und die Seuche griff glücklicherweise nicht weiter um sich.</p> <p>30. April. Heute kamen wir der arabischen Küste sehr nahe und sahen eine Gebirgskette, die aber nackt und kahl und nichts weniger als schön war. Am folgenden Morgen den</p> <p>31. April zeigten sich hin und wieder auf den Spitzen schöner Felsgruppen kleine Forts und Wachtthürme, bald </p> </div> </body> </text> </TEI> [96/0104]
Deckpassagiere waren in großer Angst, daß sich die böse Luft durch die geöffneten Lucken über das ganze Schiff verbreiten möge. Die Pocken waren unter den Kindern schon ausgebrochen, bevor sie auf’s Schiff kamen; aber niemand konnte es ahnen, denn die Weiber wurden spät in der Nacht an Bord gebracht, dicht verschleiert und in große Tücher eingehüllt, unter welchen sie die Kinder trugen. Erst am dritten Tage, als eines der Kinder starb, erfuhren wir die uns umgebende Gefahr.
Das Kind wurde in ein weißes Tuch geschlagen, auf einem Brettchen gefestiget, das durch einige Stücke Steinkohlen oder Steine beschwert war, von der Falltreppe ließ man es in die See gleiten; in dem Augenblicke, als es das Wasser berührte, schlugen die Wogen darüber und — es war unserem Blicke entschwunden.
Ich weiß nicht, ob eine verwandte oder liebende Seele bei dieser traurigen Bestattung zugegen war, ich sah keine Thräne fließen, — die arme Mutter mag wohl getrauert haben, sie durfte aber ihren Liebling nicht begleiten, die sitte verbietet es.
Nah zwei Todtenfälle ereigneten sich, die übrigen Kranken genasen und die Seuche griff glücklicherweise nicht weiter um sich.
30. April. Heute kamen wir der arabischen Küste sehr nahe und sahen eine Gebirgskette, die aber nackt und kahl und nichts weniger als schön war. Am folgenden Morgen den
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Zitationshilfe: | Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt03_1850/104>, abgerufen am 16.07.2024. |