Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 2. Wien, 1850.Die Stadt Singapore zählt sammt der nahen Umgebung über 20,000 Einwohner. Die Straßen fand ich breit und luftig, die Häuser aber nicht schön -- sie sind einstöckig, und da die Dächer knapp über den Fenstern sitzen, sehen sie dadurch ganz gedrückt aus. An den Fensterstöcken sind, der immerwährend gleichmäßig heißen Temperatur wegen, keine Glasscheiben, sondern nur Jalousieen angebracht. Jeder Artikel hat hier wie in Canton, wenn gerade nicht seine Gasse, so doch eine Seite davon. Sehr schön und hoch, gleich einem Tempel, ist die Halle, in welcher Fleisch und Gemüse verkauft wird. Da es auf dieser Insel so vielerlei Nationen gibt, so sieht man auch verschiedene Tempel, von welchen aber außer dem chinesischen keiner sehenswerth ist. Letzterer hat die Form eines Hauses; das Dach aber ist vollkommen nach chinesischer Art ausgeschmückt, nur etwas zu sehr überladen. Da gibt es Spitzen und Zacken, Räder und Bogen ohne Zahl, alle aus farbigen Ziegeln, Thon oder Porzellan zusammengesetzt und mit Blumen, Arabesken, Drachen und andern Ungethümen reichlich verziert. Ueber dem Haupteingange sind kleine Basreliefs, in Stein gehauen, angebracht, und an hölzernen, reich vergoldeten Schnitzwerken fehlt es weder in noch außer dem Tempel. Auf dem Altare der Göttin der Barmherzigkeit waren einige Erfrischungen aufgestellt, welche aus Früchten und Backwerk aller Art bestanden, nebst einer ganz kleinen Portion gekochten Reises. Diese Gerichte werden jeden Abend erneuert -- die Reste, die der Göttin nicht munden, kommen den Bonzen zu gut. -- Auf demselben Die Stadt Singapore zählt sammt der nahen Umgebung über 20,000 Einwohner. Die Straßen fand ich breit und luftig, die Häuser aber nicht schön — sie sind einstöckig, und da die Dächer knapp über den Fenstern sitzen, sehen sie dadurch ganz gedrückt aus. An den Fensterstöcken sind, der immerwährend gleichmäßig heißen Temperatur wegen, keine Glasscheiben, sondern nur Jalousieen angebracht. Jeder Artikel hat hier wie in Canton, wenn gerade nicht seine Gasse, so doch eine Seite davon. Sehr schön und hoch, gleich einem Tempel, ist die Halle, in welcher Fleisch und Gemüse verkauft wird. Da es auf dieser Insel so vielerlei Nationen gibt, so sieht man auch verschiedene Tempel, von welchen aber außer dem chinesischen keiner sehenswerth ist. Letzterer hat die Form eines Hauses; das Dach aber ist vollkommen nach chinesischer Art ausgeschmückt, nur etwas zu sehr überladen. Da gibt es Spitzen und Zacken, Räder und Bogen ohne Zahl, alle aus farbigen Ziegeln, Thon oder Porzellan zusammengesetzt und mit Blumen, Arabesken, Drachen und andern Ungethümen reichlich verziert. Ueber dem Haupteingange sind kleine Basreliefs, in Stein gehauen, angebracht, und an hölzernen, reich vergoldeten Schnitzwerken fehlt es weder in noch außer dem Tempel. Auf dem Altare der Göttin der Barmherzigkeit waren einige Erfrischungen aufgestellt, welche aus Früchten und Backwerk aller Art bestanden, nebst einer ganz kleinen Portion gekochten Reises. Diese Gerichte werden jeden Abend erneuert — die Reste, die der Göttin nicht munden, kommen den Bonzen zu gut. — Auf demselben <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0075" n="68"/> <p>Die Stadt Singapore zählt sammt der nahen Umgebung über 20,000 Einwohner. Die Straßen fand ich breit und luftig, die Häuser aber nicht schön — sie sind einstöckig, und da die Dächer knapp über den Fenstern sitzen, sehen sie dadurch ganz gedrückt aus. An den Fensterstöcken sind, der immerwährend gleichmäßig heißen Temperatur wegen, keine Glasscheiben, sondern nur Jalousieen angebracht.</p> <p>Jeder Artikel hat hier wie in Canton, wenn gerade nicht seine Gasse, so doch eine Seite davon. Sehr schön und hoch, gleich einem Tempel, ist die Halle, in welcher Fleisch und Gemüse verkauft wird.</p> <p>Da es auf dieser Insel so vielerlei Nationen gibt, so sieht man auch verschiedene Tempel, von welchen aber außer dem chinesischen keiner sehenswerth ist. Letzterer hat die Form eines Hauses; das Dach aber ist vollkommen nach chinesischer Art ausgeschmückt, nur etwas zu sehr überladen. Da gibt es Spitzen und Zacken, Räder und Bogen ohne Zahl, alle aus farbigen Ziegeln, Thon oder Porzellan zusammengesetzt und mit Blumen, Arabesken, Drachen und andern Ungethümen reichlich verziert. Ueber dem Haupteingange sind kleine Basreliefs, in Stein gehauen, angebracht, und an hölzernen, reich vergoldeten Schnitzwerken fehlt es weder in noch außer dem Tempel.</p> <p>Auf dem Altare der Göttin der Barmherzigkeit waren einige Erfrischungen aufgestellt, welche aus Früchten und Backwerk aller Art bestanden, nebst einer ganz kleinen Portion gekochten Reises. Diese Gerichte werden jeden Abend erneuert — die Reste, die der Göttin nicht munden, kommen den Bonzen zu gut. — Auf demselben </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [68/0075]
Die Stadt Singapore zählt sammt der nahen Umgebung über 20,000 Einwohner. Die Straßen fand ich breit und luftig, die Häuser aber nicht schön — sie sind einstöckig, und da die Dächer knapp über den Fenstern sitzen, sehen sie dadurch ganz gedrückt aus. An den Fensterstöcken sind, der immerwährend gleichmäßig heißen Temperatur wegen, keine Glasscheiben, sondern nur Jalousieen angebracht.
Jeder Artikel hat hier wie in Canton, wenn gerade nicht seine Gasse, so doch eine Seite davon. Sehr schön und hoch, gleich einem Tempel, ist die Halle, in welcher Fleisch und Gemüse verkauft wird.
Da es auf dieser Insel so vielerlei Nationen gibt, so sieht man auch verschiedene Tempel, von welchen aber außer dem chinesischen keiner sehenswerth ist. Letzterer hat die Form eines Hauses; das Dach aber ist vollkommen nach chinesischer Art ausgeschmückt, nur etwas zu sehr überladen. Da gibt es Spitzen und Zacken, Räder und Bogen ohne Zahl, alle aus farbigen Ziegeln, Thon oder Porzellan zusammengesetzt und mit Blumen, Arabesken, Drachen und andern Ungethümen reichlich verziert. Ueber dem Haupteingange sind kleine Basreliefs, in Stein gehauen, angebracht, und an hölzernen, reich vergoldeten Schnitzwerken fehlt es weder in noch außer dem Tempel.
Auf dem Altare der Göttin der Barmherzigkeit waren einige Erfrischungen aufgestellt, welche aus Früchten und Backwerk aller Art bestanden, nebst einer ganz kleinen Portion gekochten Reises. Diese Gerichte werden jeden Abend erneuert — die Reste, die der Göttin nicht munden, kommen den Bonzen zu gut. — Auf demselben
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Zitationshilfe: | Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 2. Wien, 1850, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt02_1850/75>, abgerufen am 15.08.2024. |