Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 2. Wien, 1850.gelesen hatte, überraschte mich doch deren Anblick im höchsten Grade. Durch Vermittlung einer Missionärs-Frau (Mad. Balt) gelang es mir, solch ein Füßchen in natura zu sehen. Die vier Zehen waren unter die Fußsohle gebogen, an dieselbe fest gepreßt und schienen mit ihr wie verwachsen, nur die große Zehe ließ man ungestört auswachsen. Der Vordertheil des Fußes war mit starken, breiten Bändern so zusammengeschnürt, daß er, statt in die Breite und Länge, in die Höhe ging und sich mit dem Rohre des Fußes vereinte; an der Stelle des Knöchels bildete sich daher ein dicker Klumpen, der sich an das Bein anschloß. Der Untertheil hatte kaum vier Zoll Länge und anderthalb Zoll Breite. Der Fuß wird stets in weißes Linnen oder in Seide gewickelt, mit starken breiten Seidenbändern umwunden und in niedliche Schuhe mit sehr hohen Absätzen gesteckt. Zu meiner Verwunderung trippelten diese verstümmelten Geschöpfe trotz uns breitfüßigen Wesen, ziemlich schnell einher, nur mit dem Unterschiede, daß sie dabei gleich Gänsen wackelten; sie stiegen sogar Trepp auf und ab ohne Hilfe eines Stockes. Von dieser chinesischen Verschönerung sind nur die Mädchen der ärmsten Klasse, das ist jener, die in Booten wohnt, ausgenommen; in den vornehmen Familien trifft alle das Loos, in den geringeren gewöhnlich die erstgeborne Tochter. Der Werth der Bräute wird nach der Kleinheit der Füße bestimmt. Man nimmt diese Verstümmlung nicht an dem neugebornen Kinde vor, sondern wartet damit bis zum vollendeten gelesen hatte, überraschte mich doch deren Anblick im höchsten Grade. Durch Vermittlung einer Missionärs-Frau (Mad. Balt) gelang es mir, solch ein Füßchen in natura zu sehen. Die vier Zehen waren unter die Fußsohle gebogen, an dieselbe fest gepreßt und schienen mit ihr wie verwachsen, nur die große Zehe ließ man ungestört auswachsen. Der Vordertheil des Fußes war mit starken, breiten Bändern so zusammengeschnürt, daß er, statt in die Breite und Länge, in die Höhe ging und sich mit dem Rohre des Fußes vereinte; an der Stelle des Knöchels bildete sich daher ein dicker Klumpen, der sich an das Bein anschloß. Der Untertheil hatte kaum vier Zoll Länge und anderthalb Zoll Breite. Der Fuß wird stets in weißes Linnen oder in Seide gewickelt, mit starken breiten Seidenbändern umwunden und in niedliche Schuhe mit sehr hohen Absätzen gesteckt. Zu meiner Verwunderung trippelten diese verstümmelten Geschöpfe trotz uns breitfüßigen Wesen, ziemlich schnell einher, nur mit dem Unterschiede, daß sie dabei gleich Gänsen wackelten; sie stiegen sogar Trepp auf und ab ohne Hilfe eines Stockes. Von dieser chinesischen Verschönerung sind nur die Mädchen der ärmsten Klasse, das ist jener, die in Booten wohnt, ausgenommen; in den vornehmen Familien trifft alle das Loos, in den geringeren gewöhnlich die erstgeborne Tochter. Der Werth der Bräute wird nach der Kleinheit der Füße bestimmt. Man nimmt diese Verstümmlung nicht an dem neugebornen Kinde vor, sondern wartet damit bis zum vollendeten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0032" n="25"/> gelesen hatte, überraschte mich doch deren Anblick im höchsten Grade. Durch Vermittlung einer Missionärs-Frau (Mad. Balt) gelang es mir, solch ein Füßchen in natura zu sehen. Die vier Zehen waren unter die Fußsohle gebogen, an dieselbe fest gepreßt und schienen mit ihr wie verwachsen, nur die große Zehe ließ man ungestört auswachsen. Der Vordertheil des Fußes war mit starken, breiten Bändern so zusammengeschnürt, daß er, statt in die Breite und Länge, in die Höhe ging und sich mit dem Rohre des Fußes vereinte; an der Stelle des Knöchels bildete sich daher ein dicker Klumpen, der sich an das Bein anschloß. Der Untertheil hatte kaum vier Zoll Länge und anderthalb Zoll Breite. Der Fuß wird stets in weißes Linnen oder in Seide gewickelt, mit starken breiten Seidenbändern umwunden und in niedliche Schuhe mit sehr hohen Absätzen gesteckt.</p> <p>Zu meiner Verwunderung trippelten diese verstümmelten Geschöpfe trotz uns breitfüßigen Wesen, ziemlich schnell einher, nur mit dem Unterschiede, daß sie dabei gleich Gänsen wackelten; sie stiegen sogar Trepp auf und ab ohne Hilfe eines Stockes.</p> <p>Von dieser chinesischen Verschönerung sind nur die Mädchen der ärmsten Klasse, das ist jener, die in Booten wohnt, ausgenommen; in den vornehmen Familien trifft alle das Loos, in den geringeren gewöhnlich die erstgeborne Tochter.</p> <p>Der Werth der Bräute wird nach der Kleinheit der Füße bestimmt.</p> <p>Man nimmt diese Verstümmlung nicht an dem neugebornen Kinde vor, sondern wartet damit bis zum vollendeten </p> </div> </body> </text> </TEI> [25/0032]
gelesen hatte, überraschte mich doch deren Anblick im höchsten Grade. Durch Vermittlung einer Missionärs-Frau (Mad. Balt) gelang es mir, solch ein Füßchen in natura zu sehen. Die vier Zehen waren unter die Fußsohle gebogen, an dieselbe fest gepreßt und schienen mit ihr wie verwachsen, nur die große Zehe ließ man ungestört auswachsen. Der Vordertheil des Fußes war mit starken, breiten Bändern so zusammengeschnürt, daß er, statt in die Breite und Länge, in die Höhe ging und sich mit dem Rohre des Fußes vereinte; an der Stelle des Knöchels bildete sich daher ein dicker Klumpen, der sich an das Bein anschloß. Der Untertheil hatte kaum vier Zoll Länge und anderthalb Zoll Breite. Der Fuß wird stets in weißes Linnen oder in Seide gewickelt, mit starken breiten Seidenbändern umwunden und in niedliche Schuhe mit sehr hohen Absätzen gesteckt.
Zu meiner Verwunderung trippelten diese verstümmelten Geschöpfe trotz uns breitfüßigen Wesen, ziemlich schnell einher, nur mit dem Unterschiede, daß sie dabei gleich Gänsen wackelten; sie stiegen sogar Trepp auf und ab ohne Hilfe eines Stockes.
Von dieser chinesischen Verschönerung sind nur die Mädchen der ärmsten Klasse, das ist jener, die in Booten wohnt, ausgenommen; in den vornehmen Familien trifft alle das Loos, in den geringeren gewöhnlich die erstgeborne Tochter.
Der Werth der Bräute wird nach der Kleinheit der Füße bestimmt.
Man nimmt diese Verstümmlung nicht an dem neugebornen Kinde vor, sondern wartet damit bis zum vollendeten
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