Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 2. Wien, 1850.

Bild:
<< vorherige Seite

klettern aber damit herum, ohne im geringsten darauf Rücksicht zu nehmen. Oft sah ich mit Wehmuth, wie das Köpfchen eines kaum gebornen Kindes bei jedem Sprunge des älteren von einer Seite auf die andere geworfen wurde, oder wie die brennende Sonne so aufs unbedeckte Haupt stach, daß das Kindchen kaum die Augen zu öffnen vermochte. -- Von der Armuth und Beschränktheit einer chinesischen Bootfamilie ist es wahrlich schwer sich einen Begriff zu machen.

Man beschuldigt die Chinesen, daß sie viele der neugebornen oder schwächlichen Kinder tödten. Sie sollen selbe entweder gleich nach der Geburt ersticken und in den Fluß werfen oder in den Straßen aussetzen, welch letzteres das grausamste ist, da es viele Schweine und herrenlose Hunde gibt, die dann mit Heißhunger über die gebotene Beute fallen. Am häufigsten mag dies mit Mädchen geschehen, denn was die Knaben betrifft, so schätzt sich jede Familie glücklich, deren zu haben, da es ihre Pflicht ist, die Eltern in den alten Tagen zu ernähren, -- ja der älteste Sohn muß, Falls der Vater stirbt, dessen Stelle vertreten und für seine übrigen Geschwister sorgen, wogegen diese ihm unbedingt zu folgen und in allem die höchste Achtung zu erweisen haben. -- Auf Erfüllung dieser Gesetze wird sehr strenge gehalten und jeder dawiderhandelnde mit dem Tode bestraft.

Großvater zu sein betrachten die Chinesen als Ehre, und um diesen Vorzug kenntlich zu machen, trägt jeder so beglückte Mann einen Schnurrbart. Diese grauen, magern Bärte fallen um so mehr in die Augen, da man

klettern aber damit herum, ohne im geringsten darauf Rücksicht zu nehmen. Oft sah ich mit Wehmuth, wie das Köpfchen eines kaum gebornen Kindes bei jedem Sprunge des älteren von einer Seite auf die andere geworfen wurde, oder wie die brennende Sonne so aufs unbedeckte Haupt stach, daß das Kindchen kaum die Augen zu öffnen vermochte. — Von der Armuth und Beschränktheit einer chinesischen Bootfamilie ist es wahrlich schwer sich einen Begriff zu machen.

Man beschuldigt die Chinesen, daß sie viele der neugebornen oder schwächlichen Kinder tödten. Sie sollen selbe entweder gleich nach der Geburt ersticken und in den Fluß werfen oder in den Straßen aussetzen, welch letzteres das grausamste ist, da es viele Schweine und herrenlose Hunde gibt, die dann mit Heißhunger über die gebotene Beute fallen. Am häufigsten mag dies mit Mädchen geschehen, denn was die Knaben betrifft, so schätzt sich jede Familie glücklich, deren zu haben, da es ihre Pflicht ist, die Eltern in den alten Tagen zu ernähren, — ja der älteste Sohn muß, Falls der Vater stirbt, dessen Stelle vertreten und für seine übrigen Geschwister sorgen, wogegen diese ihm unbedingt zu folgen und in allem die höchste Achtung zu erweisen haben. — Auf Erfüllung dieser Gesetze wird sehr strenge gehalten und jeder dawiderhandelnde mit dem Tode bestraft.

Großvater zu sein betrachten die Chinesen als Ehre, und um diesen Vorzug kenntlich zu machen, trägt jeder so beglückte Mann einen Schnurrbart. Diese grauen, magern Bärte fallen um so mehr in die Augen, da man

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0028" n="21"/>
klettern aber damit herum, ohne im geringsten darauf Rücksicht zu nehmen. Oft sah ich mit Wehmuth, wie das Köpfchen eines kaum gebornen Kindes bei jedem Sprunge des älteren von einer Seite auf die andere geworfen wurde, oder wie die brennende Sonne so aufs unbedeckte Haupt stach, daß das Kindchen kaum die Augen zu öffnen vermochte. &#x2014; Von der Armuth und Beschränktheit einer chinesischen Bootfamilie ist es wahrlich schwer sich einen Begriff zu machen.</p>
        <p>Man beschuldigt die Chinesen, daß sie viele der neugebornen oder schwächlichen Kinder tödten. Sie sollen selbe entweder gleich nach der Geburt ersticken und in den Fluß werfen oder in den Straßen aussetzen, welch letzteres das grausamste ist, da es viele Schweine und herrenlose Hunde gibt, die dann mit Heißhunger über die gebotene Beute fallen. Am häufigsten mag dies mit Mädchen geschehen, denn was die Knaben betrifft, so schätzt sich jede Familie glücklich, deren zu haben, da es ihre Pflicht ist, die Eltern in den alten Tagen zu ernähren, &#x2014; ja der älteste Sohn muß, Falls der Vater stirbt, dessen Stelle vertreten und für seine übrigen Geschwister sorgen, wogegen diese ihm unbedingt zu folgen und in allem die höchste Achtung zu erweisen haben. &#x2014; Auf Erfüllung dieser Gesetze wird sehr strenge gehalten und jeder dawiderhandelnde mit dem Tode bestraft.</p>
        <p>Großvater zu sein betrachten die Chinesen als Ehre, und um diesen Vorzug kenntlich zu machen, trägt jeder so beglückte Mann einen Schnurrbart. Diese grauen, magern Bärte fallen um so mehr in die Augen, da man
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[21/0028] klettern aber damit herum, ohne im geringsten darauf Rücksicht zu nehmen. Oft sah ich mit Wehmuth, wie das Köpfchen eines kaum gebornen Kindes bei jedem Sprunge des älteren von einer Seite auf die andere geworfen wurde, oder wie die brennende Sonne so aufs unbedeckte Haupt stach, daß das Kindchen kaum die Augen zu öffnen vermochte. — Von der Armuth und Beschränktheit einer chinesischen Bootfamilie ist es wahrlich schwer sich einen Begriff zu machen. Man beschuldigt die Chinesen, daß sie viele der neugebornen oder schwächlichen Kinder tödten. Sie sollen selbe entweder gleich nach der Geburt ersticken und in den Fluß werfen oder in den Straßen aussetzen, welch letzteres das grausamste ist, da es viele Schweine und herrenlose Hunde gibt, die dann mit Heißhunger über die gebotene Beute fallen. Am häufigsten mag dies mit Mädchen geschehen, denn was die Knaben betrifft, so schätzt sich jede Familie glücklich, deren zu haben, da es ihre Pflicht ist, die Eltern in den alten Tagen zu ernähren, — ja der älteste Sohn muß, Falls der Vater stirbt, dessen Stelle vertreten und für seine übrigen Geschwister sorgen, wogegen diese ihm unbedingt zu folgen und in allem die höchste Achtung zu erweisen haben. — Auf Erfüllung dieser Gesetze wird sehr strenge gehalten und jeder dawiderhandelnde mit dem Tode bestraft. Großvater zu sein betrachten die Chinesen als Ehre, und um diesen Vorzug kenntlich zu machen, trägt jeder so beglückte Mann einen Schnurrbart. Diese grauen, magern Bärte fallen um so mehr in die Augen, da man

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Sophie: A digital library of works by german-speaking women: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-06-28T07:11:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition (2013-06-28T07:11:29Z)
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-06-28T07:11:29Z)

Weitere Informationen:

  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.) sind nicht konsequent wie in der Vorlage gekennzeichnet



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt02_1850
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt02_1850/28
Zitationshilfe: Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 2. Wien, 1850, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt02_1850/28>, abgerufen am 24.11.2024.