Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 2. Wien, 1850.
Bei armen Leuten fällt natürlich dies alles weg. Sie verbrennen ihre Todten ganz einfach auf Holz oder Kuhdung, und sind sie so arm, daß sie kein Brennmaterial kaufen können, so befestigen sie an der Leiche einen Stein und werfen sie in den Fluß. Ich will hier eine kleine Anekdote beifügen, die ich aus dem Munde eines sehr glaubwürdigen Mannes vernahm. Sie mag als Beweis dienen, zu welchen Grausamkeiten oft irrige Religionsbegriffe führen. Herr N. befand sich einst auf einer Reise unfern des Ganges und hatte nebst einigen Dienern einen Hund bei sich. Plötzlich war dieser verschwunden und kein Rufen konnte ihn herbei locken. Man fand ihn endlich am Ufer des Ganges an der Seite eines menschlichen Körpers, den er beständig leckte. Herr N. ging hinzu und fand einen zum Sterben ausgesetzten Mann, in welchem noch einige Lebensspur glomm. Er rief seine Leute herbei, ließ dem Armen den Schlamm und Schmutz vom Gesichte waschen, ihn in eine wollene Decke schlagen und pflegen. Nach wenig Tagen war er vollkommen hergestellt. Als ihn nun aber Herr N. entlassen wollte, bat der Mann flehentlich, dies nicht zu thun, da er seine Kaste verloren habe, von keinem seiner Verwandten mehr anerkannt würde, mit einem Worte, aus dem Leben gestrichen sei. -- Herr N. behielt ihn in seinen Diensten und der Mann befindet sich noch in bester Gesundheit, obwohl sich diese Geschichte schon vor mehreren Jahren zugetragen hat. Die Hindus selbst bekennen, daß durch die Art und
Bei armen Leuten fällt natürlich dies alles weg. Sie verbrennen ihre Todten ganz einfach auf Holz oder Kuhdung, und sind sie so arm, daß sie kein Brennmaterial kaufen können, so befestigen sie an der Leiche einen Stein und werfen sie in den Fluß. Ich will hier eine kleine Anekdote beifügen, die ich aus dem Munde eines sehr glaubwürdigen Mannes vernahm. Sie mag als Beweis dienen, zu welchen Grausamkeiten oft irrige Religionsbegriffe führen. Herr N. befand sich einst auf einer Reise unfern des Ganges und hatte nebst einigen Dienern einen Hund bei sich. Plötzlich war dieser verschwunden und kein Rufen konnte ihn herbei locken. Man fand ihn endlich am Ufer des Ganges an der Seite eines menschlichen Körpers, den er beständig leckte. Herr N. ging hinzu und fand einen zum Sterben ausgesetzten Mann, in welchem noch einige Lebensspur glomm. Er rief seine Leute herbei, ließ dem Armen den Schlamm und Schmutz vom Gesichte waschen, ihn in eine wollene Decke schlagen und pflegen. Nach wenig Tagen war er vollkommen hergestellt. Als ihn nun aber Herr N. entlassen wollte, bat der Mann flehentlich, dies nicht zu thun, da er seine Kaste verloren habe, von keinem seiner Verwandten mehr anerkannt würde, mit einem Worte, aus dem Leben gestrichen sei. — Herr N. behielt ihn in seinen Diensten und der Mann befindet sich noch in bester Gesundheit, obwohl sich diese Geschichte schon vor mehreren Jahren zugetragen hat. Die Hindus selbst bekennen, daß durch die Art und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0150" n="143"/><lb/> in eine Vase gelegt und entweder vergraben oder in den Ganges oder sonst einem heiligen Fluß gesenkt. — Der nächste Verwandte muß den Scheiterhaufen anzünden.</p> <p>Bei armen Leuten fällt natürlich dies alles weg. Sie verbrennen ihre Todten ganz einfach auf Holz oder Kuhdung, und sind sie so arm, daß sie kein Brennmaterial kaufen können, so befestigen sie an der Leiche einen Stein und werfen sie in den Fluß.</p> <p>Ich will hier eine kleine Anekdote beifügen, die ich aus dem Munde eines sehr glaubwürdigen Mannes vernahm. Sie mag als Beweis dienen, zu welchen Grausamkeiten oft irrige Religionsbegriffe führen.</p> <p>Herr N. befand sich einst auf einer Reise unfern des Ganges und hatte nebst einigen Dienern einen Hund bei sich. Plötzlich war dieser verschwunden und kein Rufen konnte ihn herbei locken. Man fand ihn endlich am Ufer des Ganges an der Seite eines menschlichen Körpers, den er beständig leckte. Herr N. ging hinzu und fand einen zum Sterben ausgesetzten Mann, in welchem noch einige Lebensspur glomm. Er rief seine Leute herbei, ließ dem Armen den Schlamm und Schmutz vom Gesichte waschen, ihn in eine wollene Decke schlagen und pflegen. Nach wenig Tagen war er vollkommen hergestellt. Als ihn nun aber Herr N. entlassen wollte, bat der Mann flehentlich, dies nicht zu thun, da er seine Kaste verloren habe, von keinem seiner Verwandten mehr anerkannt würde, mit einem Worte, aus dem Leben gestrichen sei. — Herr N. behielt ihn in seinen Diensten und der Mann befindet sich noch in bester Gesundheit, obwohl sich diese Geschichte schon vor mehreren Jahren zugetragen hat.</p> <p>Die Hindus selbst bekennen, daß durch die Art und </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [143/0150]
in eine Vase gelegt und entweder vergraben oder in den Ganges oder sonst einem heiligen Fluß gesenkt. — Der nächste Verwandte muß den Scheiterhaufen anzünden.
Bei armen Leuten fällt natürlich dies alles weg. Sie verbrennen ihre Todten ganz einfach auf Holz oder Kuhdung, und sind sie so arm, daß sie kein Brennmaterial kaufen können, so befestigen sie an der Leiche einen Stein und werfen sie in den Fluß.
Ich will hier eine kleine Anekdote beifügen, die ich aus dem Munde eines sehr glaubwürdigen Mannes vernahm. Sie mag als Beweis dienen, zu welchen Grausamkeiten oft irrige Religionsbegriffe führen.
Herr N. befand sich einst auf einer Reise unfern des Ganges und hatte nebst einigen Dienern einen Hund bei sich. Plötzlich war dieser verschwunden und kein Rufen konnte ihn herbei locken. Man fand ihn endlich am Ufer des Ganges an der Seite eines menschlichen Körpers, den er beständig leckte. Herr N. ging hinzu und fand einen zum Sterben ausgesetzten Mann, in welchem noch einige Lebensspur glomm. Er rief seine Leute herbei, ließ dem Armen den Schlamm und Schmutz vom Gesichte waschen, ihn in eine wollene Decke schlagen und pflegen. Nach wenig Tagen war er vollkommen hergestellt. Als ihn nun aber Herr N. entlassen wollte, bat der Mann flehentlich, dies nicht zu thun, da er seine Kaste verloren habe, von keinem seiner Verwandten mehr anerkannt würde, mit einem Worte, aus dem Leben gestrichen sei. — Herr N. behielt ihn in seinen Diensten und der Mann befindet sich noch in bester Gesundheit, obwohl sich diese Geschichte schon vor mehreren Jahren zugetragen hat.
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Zitationshilfe: | Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 2. Wien, 1850, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt02_1850/150>, abgerufen am 16.07.2024. |