Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 2. Wien, 1850.Der älteste dieser beiden Bäume beschreibt bereits mit seiner Familie einen Umkreis von mehr denn 600 Fuß; der Hauptstamm mißt bei 50 Fuß im Umfange. An den botanischen Garten schließt sich das Bischofs-Collegium an, in welchem die Eingebornen zu Missionären gebildet werden. Nach dem Palaste des Gouverneurs ist dies das schönste Gebäude in Calcutta. Es besteht aus zwei Mittel- und drei Flügel-Gebäuden in gothischer Bauart. Eine überaus niedliche Kapelle nimmt eines der Mittelgebäude ein. Die Bibliothek, in einem imposanten Saale aufgestellt, ist sehr reich an den besten Autoren; sie steht der wißbegierigen Jugend zu Gebote, deren Fleiß aber der großartigen Einrichtung nicht zu entsprechen scheint, denn als einen Folianten aus einem der Büchergestelle nahm, ließ ich ihn augenblicklich aus den Händen fallen und floh an das andere Ende des Saales -- ein Schwarm von Bienen stürzte aus dem Büchergestelle auf mich ein. Speisesäle, Wohnwimmer u. s. w. sind so reich und bequem eingerichtet, daß man meinen sollte, diese Anstalt sei für die Söhne der reichsten englischen Familien bestimmt, die, an Comfort von zartester Jugend gewöhnt, denselben in alle Welttheile zu verplanzen hätten, -- aber nicht für "Arbeiter im Weingarten des Herrn." Ich betrachtete diese kostbare Anstalt mit betrübtem Herzen, um so mehr, da sie für Eingeborne errichtet war. Diese müssen hier erst ihre einfache Lebensweise abstreifen und sich in Ueberfluß und Bequemlichkeit hineinstudiren. Dann sollen sie hinaus in Wildnisse und Wälder, um unter Heiden und Barbaren ihr Lehramt zu beginnen. Der älteste dieser beiden Bäume beschreibt bereits mit seiner Familie einen Umkreis von mehr denn 600 Fuß; der Hauptstamm mißt bei 50 Fuß im Umfange. An den botanischen Garten schließt sich das Bischofs-Collegium an, in welchem die Eingebornen zu Missionären gebildet werden. Nach dem Palaste des Gouverneurs ist dies das schönste Gebäude in Calcutta. Es besteht aus zwei Mittel- und drei Flügel-Gebäuden in gothischer Bauart. Eine überaus niedliche Kapelle nimmt eines der Mittelgebäude ein. Die Bibliothek, in einem imposanten Saale aufgestellt, ist sehr reich an den besten Autoren; sie steht der wißbegierigen Jugend zu Gebote, deren Fleiß aber der großartigen Einrichtung nicht zu entsprechen scheint, denn als einen Folianten aus einem der Büchergestelle nahm, ließ ich ihn augenblicklich aus den Händen fallen und floh an das andere Ende des Saales — ein Schwarm von Bienen stürzte aus dem Büchergestelle auf mich ein. Speisesäle, Wohnwimmer u. s. w. sind so reich und bequem eingerichtet, daß man meinen sollte, diese Anstalt sei für die Söhne der reichsten englischen Familien bestimmt, die, an Comfort von zartester Jugend gewöhnt, denselben in alle Welttheile zu verplanzen hätten, — aber nicht für „Arbeiter im Weingarten des Herrn.“ Ich betrachtete diese kostbare Anstalt mit betrübtem Herzen, um so mehr, da sie für Eingeborne errichtet war. Diese müssen hier erst ihre einfache Lebensweise abstreifen und sich in Ueberfluß und Bequemlichkeit hineinstudiren. Dann sollen sie hinaus in Wildnisse und Wälder, um unter Heiden und Barbaren ihr Lehramt zu beginnen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0136" n="129"/> <p>Der älteste dieser beiden Bäume beschreibt bereits mit seiner Familie einen Umkreis von mehr denn 600 Fuß; der Hauptstamm mißt bei 50 Fuß im Umfange.</p> <p>An den botanischen Garten schließt sich das Bischofs-Collegium an, in welchem die Eingebornen zu Missionären gebildet werden. Nach dem Palaste des Gouverneurs ist dies das schönste Gebäude in Calcutta. Es besteht aus zwei Mittel- und drei Flügel-Gebäuden in gothischer Bauart. Eine überaus niedliche Kapelle nimmt eines der Mittelgebäude ein. Die Bibliothek, in einem imposanten Saale aufgestellt, ist sehr reich an den besten Autoren; sie steht der wißbegierigen Jugend zu Gebote, deren Fleiß aber der großartigen Einrichtung nicht zu entsprechen scheint, denn als einen Folianten aus einem der Büchergestelle nahm, ließ ich ihn augenblicklich aus den Händen fallen und floh an das andere Ende des Saales — ein Schwarm von Bienen stürzte aus dem Büchergestelle auf mich ein.</p> <p>Speisesäle, Wohnwimmer u. s. w. sind so reich und bequem eingerichtet, daß man meinen sollte, diese Anstalt sei für die Söhne der reichsten englischen Familien bestimmt, die, an Comfort von zartester Jugend gewöhnt, denselben in alle Welttheile zu verplanzen hätten, — aber nicht für „Arbeiter im Weingarten des Herrn.“</p> <p>Ich betrachtete diese kostbare Anstalt mit betrübtem Herzen, um so mehr, da sie für Eingeborne errichtet war. Diese müssen hier erst ihre einfache Lebensweise abstreifen und sich in Ueberfluß und Bequemlichkeit hineinstudiren. Dann sollen sie hinaus in Wildnisse und Wälder, um unter Heiden und Barbaren ihr Lehramt zu beginnen.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [129/0136]
Der älteste dieser beiden Bäume beschreibt bereits mit seiner Familie einen Umkreis von mehr denn 600 Fuß; der Hauptstamm mißt bei 50 Fuß im Umfange.
An den botanischen Garten schließt sich das Bischofs-Collegium an, in welchem die Eingebornen zu Missionären gebildet werden. Nach dem Palaste des Gouverneurs ist dies das schönste Gebäude in Calcutta. Es besteht aus zwei Mittel- und drei Flügel-Gebäuden in gothischer Bauart. Eine überaus niedliche Kapelle nimmt eines der Mittelgebäude ein. Die Bibliothek, in einem imposanten Saale aufgestellt, ist sehr reich an den besten Autoren; sie steht der wißbegierigen Jugend zu Gebote, deren Fleiß aber der großartigen Einrichtung nicht zu entsprechen scheint, denn als einen Folianten aus einem der Büchergestelle nahm, ließ ich ihn augenblicklich aus den Händen fallen und floh an das andere Ende des Saales — ein Schwarm von Bienen stürzte aus dem Büchergestelle auf mich ein.
Speisesäle, Wohnwimmer u. s. w. sind so reich und bequem eingerichtet, daß man meinen sollte, diese Anstalt sei für die Söhne der reichsten englischen Familien bestimmt, die, an Comfort von zartester Jugend gewöhnt, denselben in alle Welttheile zu verplanzen hätten, — aber nicht für „Arbeiter im Weingarten des Herrn.“
Ich betrachtete diese kostbare Anstalt mit betrübtem Herzen, um so mehr, da sie für Eingeborne errichtet war. Diese müssen hier erst ihre einfache Lebensweise abstreifen und sich in Ueberfluß und Bequemlichkeit hineinstudiren. Dann sollen sie hinaus in Wildnisse und Wälder, um unter Heiden und Barbaren ihr Lehramt zu beginnen.
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Zitationshilfe: | Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 2. Wien, 1850, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt02_1850/136>, abgerufen am 16.02.2025. |