Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 2. Wien, 1850.Da diese Palankine alle von außen schwarz angestrichen sind, so kam es mir vor, als sähe ich lauter Sterbende in das Hospital, oder Todte auf den Friedhof tragen. Auf dem Wege nach der Stadt fielen mir vor allem am Ufer des Hugly die herrlichen Säulenhallen (Gauths) auf, von welchen breite Treppen bis an den Fluß führen. An diesen Gauths liegen viele Boote, theils zum Ueberfahren, theils zu Lustpartien. Die herrlichsten Paläste lagen in großen Gärten, und bald lenkten auch meine Träger in einen niedlichen Garten und setzten mich unter einem schönen Portale ab. -- Hier wohnte die Familie Heilgers, an die ich Empfehlungsbriefe hatte. Die liebenswürdige junge Frau begrüßte mich als Sprachverwandte (sie war aus Nord-, ich aus Süd-Deutschland), und nahm mich auf das Herzlichste auf. Ich ward hier mit indischem Luxus einquartiert, hatte einen Empfangssalon, ein Schlafgemach, ein Badezimmer und eine Garderobe. Meine Ankunft zu Calcutta fiel in eine der ungünstigsten Epochen, die je über diese Stadt gekommen waren. Drei unfruchtbare Jahre in beinahe ganz Europa hatten eine Handelskrisis zur Folge, die Calcutta zu Grunde zu richten drohte. Jede Nachricht aus Europa brachte Nachrichten bedeutender Fallimente, die hier den Ruin der reichsten Häuser nach sich zogen. Kein Kaufmann wagte mehr zu sagen: "Ich besitze etwas," -- die nächste Post konnte ihn zum Bettler machen. Ein banges Gefühl, ein zitterndes Erwarten hatte jede Familie ergriffen. Auf dreißig Millionen Pfund Sterling berechnete man bereits Da diese Palankine alle von außen schwarz angestrichen sind, so kam es mir vor, als sähe ich lauter Sterbende in das Hospital, oder Todte auf den Friedhof tragen. Auf dem Wege nach der Stadt fielen mir vor allem am Ufer des Hugly die herrlichen Säulenhallen (Gauths) auf, von welchen breite Treppen bis an den Fluß führen. An diesen Gauths liegen viele Boote, theils zum Ueberfahren, theils zu Lustpartien. Die herrlichsten Paläste lagen in großen Gärten, und bald lenkten auch meine Träger in einen niedlichen Garten und setzten mich unter einem schönen Portale ab. — Hier wohnte die Familie Heilgers, an die ich Empfehlungsbriefe hatte. Die liebenswürdige junge Frau begrüßte mich als Sprachverwandte (sie war aus Nord-, ich aus Süd-Deutschland), und nahm mich auf das Herzlichste auf. Ich ward hier mit indischem Luxus einquartiert, hatte einen Empfangssalon, ein Schlafgemach, ein Badezimmer und eine Garderobe. Meine Ankunft zu Calcutta fiel in eine der ungünstigsten Epochen, die je über diese Stadt gekommen waren. Drei unfruchtbare Jahre in beinahe ganz Europa hatten eine Handelskrisis zur Folge, die Calcutta zu Grunde zu richten drohte. Jede Nachricht aus Europa brachte Nachrichten bedeutender Fallimente, die hier den Ruin der reichsten Häuser nach sich zogen. Kein Kaufmann wagte mehr zu sagen: „Ich besitze etwas,“ — die nächste Post konnte ihn zum Bettler machen. Ein banges Gefühl, ein zitterndes Erwarten hatte jede Familie ergriffen. Auf dreißig Millionen Pfund Sterling berechnete man bereits <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0125" n="118"/> Da diese Palankine alle von außen schwarz angestrichen sind, so kam es mir vor, als sähe ich lauter Sterbende in das Hospital, oder Todte auf den Friedhof tragen.</p> <p>Auf dem Wege nach der Stadt fielen mir vor allem am Ufer des Hugly die herrlichen Säulenhallen (Gauths) auf, von welchen breite Treppen bis an den Fluß führen. An diesen Gauths liegen viele Boote, theils zum Ueberfahren, theils zu Lustpartien.</p> <p>Die herrlichsten Paläste lagen in großen Gärten, und bald lenkten auch meine Träger in einen niedlichen Garten und setzten mich unter einem schönen Portale ab. — Hier wohnte die Familie Heilgers, an die ich Empfehlungsbriefe hatte. Die liebenswürdige junge Frau begrüßte mich als Sprachverwandte (sie war aus Nord-, ich aus Süd-Deutschland), und nahm mich auf das Herzlichste auf. Ich ward hier mit indischem Luxus einquartiert, hatte einen Empfangssalon, ein Schlafgemach, ein Badezimmer und eine Garderobe.</p> <p>Meine Ankunft zu Calcutta fiel in eine der ungünstigsten Epochen, die je über diese Stadt gekommen waren. Drei unfruchtbare Jahre in beinahe ganz Europa hatten eine Handelskrisis zur Folge, die Calcutta zu Grunde zu richten drohte. Jede Nachricht aus Europa brachte Nachrichten bedeutender Fallimente, die hier den Ruin der reichsten Häuser nach sich zogen. Kein Kaufmann wagte mehr zu sagen: „Ich besitze etwas,“ — die nächste Post konnte ihn zum Bettler machen. Ein banges Gefühl, ein zitterndes Erwarten hatte jede Familie ergriffen. Auf dreißig Millionen Pfund Sterling berechnete man bereits </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [118/0125]
Da diese Palankine alle von außen schwarz angestrichen sind, so kam es mir vor, als sähe ich lauter Sterbende in das Hospital, oder Todte auf den Friedhof tragen.
Auf dem Wege nach der Stadt fielen mir vor allem am Ufer des Hugly die herrlichen Säulenhallen (Gauths) auf, von welchen breite Treppen bis an den Fluß führen. An diesen Gauths liegen viele Boote, theils zum Ueberfahren, theils zu Lustpartien.
Die herrlichsten Paläste lagen in großen Gärten, und bald lenkten auch meine Träger in einen niedlichen Garten und setzten mich unter einem schönen Portale ab. — Hier wohnte die Familie Heilgers, an die ich Empfehlungsbriefe hatte. Die liebenswürdige junge Frau begrüßte mich als Sprachverwandte (sie war aus Nord-, ich aus Süd-Deutschland), und nahm mich auf das Herzlichste auf. Ich ward hier mit indischem Luxus einquartiert, hatte einen Empfangssalon, ein Schlafgemach, ein Badezimmer und eine Garderobe.
Meine Ankunft zu Calcutta fiel in eine der ungünstigsten Epochen, die je über diese Stadt gekommen waren. Drei unfruchtbare Jahre in beinahe ganz Europa hatten eine Handelskrisis zur Folge, die Calcutta zu Grunde zu richten drohte. Jede Nachricht aus Europa brachte Nachrichten bedeutender Fallimente, die hier den Ruin der reichsten Häuser nach sich zogen. Kein Kaufmann wagte mehr zu sagen: „Ich besitze etwas,“ — die nächste Post konnte ihn zum Bettler machen. Ein banges Gefühl, ein zitterndes Erwarten hatte jede Familie ergriffen. Auf dreißig Millionen Pfund Sterling berechnete man bereits
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt02_1850 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt02_1850/125 |
Zitationshilfe: | Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 2. Wien, 1850, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt02_1850/125>, abgerufen am 16.02.2025. |