Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 2. Wien, 1850.menschenfreundliche Mann auch sogleich that. -- Weder die Dame noch der Kommandant bekümmerten sich darum, ob die arme Mutter auch eine warme Decke für das kranke Kind bei sich habe, um es vor den kalten Nächten und vor dem häufigen und starken Regen zu schützen. Wäre doch der Engländerin Kind krank geworden, und sie selbst hinaus gestoßen worden in Nacht und Nebel, damit auch sie erprobt hätte, wie solch eine Behandlung thut! -- Sollte man sich nicht beinahe schämen, einer Menschenklasse anzugehören, die an Humanität und Herzensgüte von den sogenannten Wilden und Heiden weit übertroffen wird? Kein Wilder hätte je eine Mutter mit einem kranken Kinde verjagt; er würde im Gegentheil noch Sorge für beide getragen haben. Nur die christlich gebildeten Europäer nehmen sich das Recht heraus, mit den farbigen Menschen nach Willkür und Laune zu verfahren. Am 1. und 2. November sahen wir von Zeit zu Zeit das Festland oder kleine Inselchen, -- alles flach und sandig, ohne die geringste Naturschönheit. Zehn bis zwölf Schiffe, darunter die größten Ostindien-Fahrer, segelten gleich uns dem reichen Calcutta zu. Am 3. November Morgens hatte die See schon ihre schöne Farbe verloren und jene des schmutzig gelblichen Ganges angenommen. -- Gegen Abend näherten wir uns den Mündungen dieses Riesenstromes. Einige Meilen vor der Einfahrt schmeckte das Wasser schon süß. Ich füllte ein Glas aus des heiligen Ganges Fluthen und menschenfreundliche Mann auch sogleich that. — Weder die Dame noch der Kommandant bekümmerten sich darum, ob die arme Mutter auch eine warme Decke für das kranke Kind bei sich habe, um es vor den kalten Nächten und vor dem häufigen und starken Regen zu schützen. Wäre doch der Engländerin Kind krank geworden, und sie selbst hinaus gestoßen worden in Nacht und Nebel, damit auch sie erprobt hätte, wie solch eine Behandlung thut! — Sollte man sich nicht beinahe schämen, einer Menschenklasse anzugehören, die an Humanität und Herzensgüte von den sogenannten Wilden und Heiden weit übertroffen wird? Kein Wilder hätte je eine Mutter mit einem kranken Kinde verjagt; er würde im Gegentheil noch Sorge für beide getragen haben. Nur die christlich gebildeten Europäer nehmen sich das Recht heraus, mit den farbigen Menschen nach Willkür und Laune zu verfahren. Am 1. und 2. November sahen wir von Zeit zu Zeit das Festland oder kleine Inselchen, — alles flach und sandig, ohne die geringste Naturschönheit. Zehn bis zwölf Schiffe, darunter die größten Ostindien-Fahrer, segelten gleich uns dem reichen Calcutta zu. Am 3. November Morgens hatte die See schon ihre schöne Farbe verloren und jene des schmutzig gelblichen Ganges angenommen. — Gegen Abend näherten wir uns den Mündungen dieses Riesenstromes. Einige Meilen vor der Einfahrt schmeckte das Wasser schon süß. Ich füllte ein Glas aus des heiligen Ganges Fluthen und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0122" n="115"/> menschenfreundliche Mann auch sogleich that. — Weder die Dame noch der Kommandant bekümmerten sich darum, ob die arme Mutter auch eine warme Decke für das kranke Kind bei sich habe, um es vor den kalten Nächten und vor dem häufigen und starken Regen zu schützen.</p> <p>Wäre doch der Engländerin Kind krank geworden, und sie selbst hinaus gestoßen worden in Nacht und Nebel, damit auch sie erprobt hätte, wie solch eine Behandlung thut! — Sollte man sich nicht beinahe schämen, einer Menschenklasse anzugehören, die an Humanität und Herzensgüte von den sogenannten Wilden und Heiden weit übertroffen wird? Kein Wilder hätte je eine Mutter mit einem kranken Kinde verjagt; er würde im Gegentheil noch Sorge für beide getragen haben. Nur die christlich gebildeten Europäer nehmen sich das Recht heraus, mit den farbigen Menschen nach Willkür und Laune zu verfahren.</p> <p>Am 1. und 2. November sahen wir von Zeit zu Zeit das Festland oder kleine Inselchen, — alles flach und sandig, ohne die geringste Naturschönheit. Zehn bis zwölf Schiffe, darunter die größten Ostindien-Fahrer, segelten gleich uns dem reichen Calcutta zu.</p> <p>Am 3. November Morgens hatte die See schon ihre schöne Farbe verloren und jene des schmutzig gelblichen Ganges angenommen. — Gegen Abend näherten wir uns den Mündungen dieses Riesenstromes. Einige Meilen vor der Einfahrt schmeckte das Wasser schon süß. Ich füllte ein Glas aus des heiligen Ganges Fluthen und </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [115/0122]
menschenfreundliche Mann auch sogleich that. — Weder die Dame noch der Kommandant bekümmerten sich darum, ob die arme Mutter auch eine warme Decke für das kranke Kind bei sich habe, um es vor den kalten Nächten und vor dem häufigen und starken Regen zu schützen.
Wäre doch der Engländerin Kind krank geworden, und sie selbst hinaus gestoßen worden in Nacht und Nebel, damit auch sie erprobt hätte, wie solch eine Behandlung thut! — Sollte man sich nicht beinahe schämen, einer Menschenklasse anzugehören, die an Humanität und Herzensgüte von den sogenannten Wilden und Heiden weit übertroffen wird? Kein Wilder hätte je eine Mutter mit einem kranken Kinde verjagt; er würde im Gegentheil noch Sorge für beide getragen haben. Nur die christlich gebildeten Europäer nehmen sich das Recht heraus, mit den farbigen Menschen nach Willkür und Laune zu verfahren.
Am 1. und 2. November sahen wir von Zeit zu Zeit das Festland oder kleine Inselchen, — alles flach und sandig, ohne die geringste Naturschönheit. Zehn bis zwölf Schiffe, darunter die größten Ostindien-Fahrer, segelten gleich uns dem reichen Calcutta zu.
Am 3. November Morgens hatte die See schon ihre schöne Farbe verloren und jene des schmutzig gelblichen Ganges angenommen. — Gegen Abend näherten wir uns den Mündungen dieses Riesenstromes. Einige Meilen vor der Einfahrt schmeckte das Wasser schon süß. Ich füllte ein Glas aus des heiligen Ganges Fluthen und
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Zitationshilfe: | Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 2. Wien, 1850, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt02_1850/122>, abgerufen am 16.07.2024. |