Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 1. Wien, 1850.den geringsten Eindruck auf das zartsinnige Wesen; es blieb ruhig in seiner Stellung, rauchte gemüthlich fort und würdigte den wuthentbrannten Seladon keines Blickes, viel weniger eines Wortes. Der erboste Geliebte vergaß sich so weit, dem Mädchen die goldenen Reifen aus den Ohren zu lösen und ihr zu drohen, sie all' des Putzes zu berauben, den er ihr geschenkt habe. Auch dies war nicht vermögend, das Mädchen aus ihrem stumpfen Gleichmuth zu bringen, und der tapfere Offizier sah sich am Ende gezwungen das Feld zu räumen. Aus den Reden, die er halb in französischer, halb in der Landessprache hielt, entnahm ich, daß ihn das Mädchen in Zeit von drei Monaten an vier hundert Franken gekostet, die er für Putz und Geschmeide ausgegeben hatte. Ihre Wünsche waren nun erfüllt, und sie ließ ihn ohne weiters laufen. Ich hörte sehr häufig das Gefühl, die Anhänglichkeit und Güte dieses indianischen Völkleins rühmen; kann aber hierin nicht unbedingt beistimmen. Ihre Güte will ich gerade nicht bestreiten: sie laden den Fremdling bereitwillig zum Mahle, schlachten wohl auch seinetwegen ein Schweinchen, theilen ihr Lager mit ihm u. s. w.; allein das sind Dinge, die ihnen keine Mühe machen, -- und bietet man ihnen Geld dafür, so nehmen sie es ziemlich gierig, ohne sich auch nur dafür zu bedanken. Gefühl und Anhänglichkeit aber möchte ich ihnen beinahe ganz absprechen; ich sah nur Sinnlichkeit und keine der edlen Leidenschaften. Im Verlaufe meiner Reisen auf dieser Insel werde ich wiederholt darauf zu sprechen kommen. Am 1. Mai ward ich Zeuge einer äußerst interessanten den geringsten Eindruck auf das zartsinnige Wesen; es blieb ruhig in seiner Stellung, rauchte gemüthlich fort und würdigte den wuthentbrannten Seladon keines Blickes, viel weniger eines Wortes. Der erboste Geliebte vergaß sich so weit, dem Mädchen die goldenen Reifen aus den Ohren zu lösen und ihr zu drohen, sie all’ des Putzes zu berauben, den er ihr geschenkt habe. Auch dies war nicht vermögend, das Mädchen aus ihrem stumpfen Gleichmuth zu bringen, und der tapfere Offizier sah sich am Ende gezwungen das Feld zu räumen. Aus den Reden, die er halb in französischer, halb in der Landessprache hielt, entnahm ich, daß ihn das Mädchen in Zeit von drei Monaten an vier hundert Franken gekostet, die er für Putz und Geschmeide ausgegeben hatte. Ihre Wünsche waren nun erfüllt, und sie ließ ihn ohne weiters laufen. Ich hörte sehr häufig das Gefühl, die Anhänglichkeit und Güte dieses indianischen Völkleins rühmen; kann aber hierin nicht unbedingt beistimmen. Ihre Güte will ich gerade nicht bestreiten: sie laden den Fremdling bereitwillig zum Mahle, schlachten wohl auch seinetwegen ein Schweinchen, theilen ihr Lager mit ihm u. s. w.; allein das sind Dinge, die ihnen keine Mühe machen, — und bietet man ihnen Geld dafür, so nehmen sie es ziemlich gierig, ohne sich auch nur dafür zu bedanken. Gefühl und Anhänglichkeit aber möchte ich ihnen beinahe ganz absprechen; ich sah nur Sinnlichkeit und keine der edlen Leidenschaften. Im Verlaufe meiner Reisen auf dieser Insel werde ich wiederholt darauf zu sprechen kommen. Am 1. Mai ward ich Zeuge einer äußerst interessanten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0166" n="159"/> den geringsten Eindruck auf das zartsinnige Wesen; es blieb ruhig in seiner Stellung, rauchte gemüthlich fort und würdigte den wuthentbrannten Seladon keines Blickes, viel weniger eines Wortes. Der erboste Geliebte vergaß sich so weit, dem Mädchen die goldenen Reifen aus den Ohren zu lösen und ihr zu drohen, sie all’ des Putzes zu berauben, den er ihr geschenkt habe. Auch dies war nicht vermögend, das Mädchen aus ihrem stumpfen Gleichmuth zu bringen, und der tapfere Offizier sah sich am Ende gezwungen das Feld zu räumen.</p> <p> Aus den Reden, die er halb in französischer, halb in der Landessprache hielt, entnahm ich, daß ihn das Mädchen in Zeit von drei Monaten an vier hundert Franken gekostet, die er für Putz und Geschmeide ausgegeben hatte. Ihre Wünsche waren nun erfüllt, und sie ließ ihn ohne weiters laufen.</p> <p> Ich hörte sehr häufig das Gefühl, die Anhänglichkeit und Güte dieses indianischen Völkleins rühmen; kann aber hierin nicht unbedingt beistimmen. Ihre Güte will ich gerade nicht bestreiten: sie laden den Fremdling bereitwillig zum Mahle, schlachten wohl auch seinetwegen ein Schweinchen, theilen ihr Lager mit ihm u. s. w.; allein das sind Dinge, die ihnen keine Mühe machen, — und bietet man ihnen Geld dafür, so nehmen sie es ziemlich gierig, ohne sich auch nur dafür zu bedanken. Gefühl und Anhänglichkeit aber möchte ich ihnen beinahe ganz absprechen; ich sah nur Sinnlichkeit und keine der edlen Leidenschaften. Im Verlaufe meiner Reisen auf dieser Insel werde ich wiederholt darauf zu sprechen kommen.</p> <p> Am 1. Mai ward ich Zeuge einer äußerst interessanten </p> </div> </body> </text> </TEI> [159/0166]
den geringsten Eindruck auf das zartsinnige Wesen; es blieb ruhig in seiner Stellung, rauchte gemüthlich fort und würdigte den wuthentbrannten Seladon keines Blickes, viel weniger eines Wortes. Der erboste Geliebte vergaß sich so weit, dem Mädchen die goldenen Reifen aus den Ohren zu lösen und ihr zu drohen, sie all’ des Putzes zu berauben, den er ihr geschenkt habe. Auch dies war nicht vermögend, das Mädchen aus ihrem stumpfen Gleichmuth zu bringen, und der tapfere Offizier sah sich am Ende gezwungen das Feld zu räumen.
Aus den Reden, die er halb in französischer, halb in der Landessprache hielt, entnahm ich, daß ihn das Mädchen in Zeit von drei Monaten an vier hundert Franken gekostet, die er für Putz und Geschmeide ausgegeben hatte. Ihre Wünsche waren nun erfüllt, und sie ließ ihn ohne weiters laufen.
Ich hörte sehr häufig das Gefühl, die Anhänglichkeit und Güte dieses indianischen Völkleins rühmen; kann aber hierin nicht unbedingt beistimmen. Ihre Güte will ich gerade nicht bestreiten: sie laden den Fremdling bereitwillig zum Mahle, schlachten wohl auch seinetwegen ein Schweinchen, theilen ihr Lager mit ihm u. s. w.; allein das sind Dinge, die ihnen keine Mühe machen, — und bietet man ihnen Geld dafür, so nehmen sie es ziemlich gierig, ohne sich auch nur dafür zu bedanken. Gefühl und Anhänglichkeit aber möchte ich ihnen beinahe ganz absprechen; ich sah nur Sinnlichkeit und keine der edlen Leidenschaften. Im Verlaufe meiner Reisen auf dieser Insel werde ich wiederholt darauf zu sprechen kommen.
Am 1. Mai ward ich Zeuge einer äußerst interessanten
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Zitationshilfe: | Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 1. Wien, 1850, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt01_1850/166>, abgerufen am 16.07.2024. |