ppe_060.001 so wenig auch die meisterhafteste Übertragung vollen Ersatz für ppe_060.002 das Original bieten kann, so wenig kann man die Leistungen der Voß, ppe_060.003 Schlegel, Regis, Gildemeister und anderer aus der deutschen Literaturgeschichte ppe_060.004 streichen.
ppe_060.005 Anders steht es mit den fingierten Übersetzungen, die vom großen ppe_060.006 Einfluß bestimmter fremder Dichter Zeugnis ablegen. Wenn Wilhelm ppe_060.007 Häring seine ersten Romane unter dem Namen Walter Scott erscheinen ppe_060.008 ließ, während Balzac eine seiner früheren Erzählungen als Werk ppe_060.009 Hoffmanns ausgab, so bedeuten diese Tatsachen weniger Fälschungen ppe_060.010 als Zugeständnisse einer bis zur Nachahmung gehenden Abhängigkeit. ppe_060.011 Mit Auflösung des Pseudonyms ist die auf den Verfasser selbst ppe_060.012 zurückgehende Überlieferung berichtigt, ohne daß die Literaturen, ppe_060.013 denen die Namen Scott und Hoffmann angehören, mehr damit zu tun ppe_060.014 haben, als daß sie starke Ausstrahlungen ihrer Wirkung zu buchen ppe_060.015 berechtigt sind.
ppe_060.016 b) Beschränkung der Überlieferung
ppe_060.017 Das Ergebnis der ersten äußerlichen Abgrenzung, die dem Material ppe_060.018 der literarhistorischen Forschung zuteil werden kann, besteht darin, ppe_060.019 daß das Gebiet der Literaturwissenschaft sich in so viele Literaturgeschichten ppe_060.020 aufteilt, als es Literatursprachen gibt. Jede Nationalliteratur ppe_060.021 hat den Einklang von Sprache und Volkstum zum Kern, ppe_060.022 aber Sprache und Volkstum brauchen so wenig wie Blut und Boden ppe_060.023 sich immer vollständig zu decken. Es gibt Kolonien auf fremder Erde ppe_060.024 und Minderheiten im Mutterlande; es kann sowohl nationaler Geist in ppe_060.025 fremder Sprache seinen Ausdruck gefunden haben als fremder Geist ppe_060.026 in der Nationalsprache.
ppe_060.027 Voraussetzung dieser Abgrenzung ist die Beschränkung auf Dichtung ppe_060.028 und schöne Literatur. Die Wortkunstwerke, nicht die Spracherzeugnisse ppe_060.029 überhaupt bilden den Gegenstand. Aber wo ist die ppe_060.030 Scheidelinie? Hier hat sich die literaturwissenschaftliche Methodenlehre ppe_060.031 ziemlich erfolglos bemüht, zu einem eindeutigen Ergebnis zu ppe_060.032 gelangen. Der Rumäne Michel Dragomirescu behilft sich in seinem ppe_060.033 an französischer Literaturästhetik orientierten dreibändigen Werk ppe_060.034 "La science de la litterature" mit einer Dreiteilung von "oeuvres ppe_060.035 pratiques", "oeuvres artistiques" und "chefs d'oeuvre". Bei der ersten ppe_060.036 Klasse handelt es sich um alle Zweckliteratur, also auch um Werke ppe_060.037 der Wissenschaft. Sie vermitteln geistige Werte unter Aufwand von ppe_060.038 mehr oder weniger Sprachkunst, und manche Geschichts- oder Lebensdarstellung ppe_060.039 kann ihrer Form nach vollen Anspruch erheben, als
ppe_060.001 so wenig auch die meisterhafteste Übertragung vollen Ersatz für ppe_060.002 das Original bieten kann, so wenig kann man die Leistungen der Voß, ppe_060.003 Schlegel, Regis, Gildemeister und anderer aus der deutschen Literaturgeschichte ppe_060.004 streichen.
ppe_060.005 Anders steht es mit den fingierten Übersetzungen, die vom großen ppe_060.006 Einfluß bestimmter fremder Dichter Zeugnis ablegen. Wenn Wilhelm ppe_060.007 Häring seine ersten Romane unter dem Namen Walter Scott erscheinen ppe_060.008 ließ, während Balzac eine seiner früheren Erzählungen als Werk ppe_060.009 Hoffmanns ausgab, so bedeuten diese Tatsachen weniger Fälschungen ppe_060.010 als Zugeständnisse einer bis zur Nachahmung gehenden Abhängigkeit. ppe_060.011 Mit Auflösung des Pseudonyms ist die auf den Verfasser selbst ppe_060.012 zurückgehende Überlieferung berichtigt, ohne daß die Literaturen, ppe_060.013 denen die Namen Scott und Hoffmann angehören, mehr damit zu tun ppe_060.014 haben, als daß sie starke Ausstrahlungen ihrer Wirkung zu buchen ppe_060.015 berechtigt sind.
ppe_060.016 b) Beschränkung der Überlieferung
ppe_060.017 Das Ergebnis der ersten äußerlichen Abgrenzung, die dem Material ppe_060.018 der literarhistorischen Forschung zuteil werden kann, besteht darin, ppe_060.019 daß das Gebiet der Literaturwissenschaft sich in so viele Literaturgeschichten ppe_060.020 aufteilt, als es Literatursprachen gibt. Jede Nationalliteratur ppe_060.021 hat den Einklang von Sprache und Volkstum zum Kern, ppe_060.022 aber Sprache und Volkstum brauchen so wenig wie Blut und Boden ppe_060.023 sich immer vollständig zu decken. Es gibt Kolonien auf fremder Erde ppe_060.024 und Minderheiten im Mutterlande; es kann sowohl nationaler Geist in ppe_060.025 fremder Sprache seinen Ausdruck gefunden haben als fremder Geist ppe_060.026 in der Nationalsprache.
ppe_060.027 Voraussetzung dieser Abgrenzung ist die Beschränkung auf Dichtung ppe_060.028 und schöne Literatur. Die Wortkunstwerke, nicht die Spracherzeugnisse ppe_060.029 überhaupt bilden den Gegenstand. Aber wo ist die ppe_060.030 Scheidelinie? Hier hat sich die literaturwissenschaftliche Methodenlehre ppe_060.031 ziemlich erfolglos bemüht, zu einem eindeutigen Ergebnis zu ppe_060.032 gelangen. Der Rumäne Michel Dragomirescu behilft sich in seinem ppe_060.033 an französischer Literaturästhetik orientierten dreibändigen Werk ppe_060.034 „La science de la littérature“ mit einer Dreiteilung von „œuvres ppe_060.035 pratiques“, „œuvres artistiques“ und „chefs d'œuvre“. Bei der ersten ppe_060.036 Klasse handelt es sich um alle Zweckliteratur, also auch um Werke ppe_060.037 der Wissenschaft. Sie vermitteln geistige Werte unter Aufwand von ppe_060.038 mehr oder weniger Sprachkunst, und manche Geschichts- oder Lebensdarstellung ppe_060.039 kann ihrer Form nach vollen Anspruch erheben, als
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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/84>, abgerufen am 22.11.2024.
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