Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944.

Bild:
<< vorherige Seite
ppe_524.001
weil mir der Raum in eurem Angesicht, ppe_524.002
da ich ihn liebte, überging in Weltraum, ppe_524.003
in dem ihr nicht mehr wart.
ppe_524.004

(Vierte Duineser Elegie.)

ppe_524.005
Ähnlich sah schon der junge Stefan George das Bleibende im Übergang ppe_524.006
aus der Zeit in den Raum:

ppe_524.007
Der Zeiten Flug verliert die alten Namen, ppe_524.008
Und Raum und Dasein bleiben nur im Bilde.
ppe_524.009

(Hymnen.)

ppe_524.010
Ein Dritter aber, Hugo von Hofmannsthal, schloß seinen Vortrag ppe_524.011
über das Schrifttum als geistigen Raum der Nation mit dem Bilde ppe_524.012
einer neuen Wirklichkeit, eines inneren Universums, eines Geistesraums ppe_524.013
der Glaubensgemeinschaft, den die Nation in ihrem eigenen ppe_524.014
Bewußtsein und in der Welt einnehme. Der Aufstieg von Synthese zu ppe_524.015
Synthese müsse zu dem höchsten Ziele gelangen, daß der Geist Leben ppe_524.016
werde und das Leben Geist. Die politische Erfassung des Geistigen ppe_524.017
und die geistige des Politischen müsse zur Bildung einer wahren Nation ppe_524.018
führen. Damit findet der Weg vom Raum aus sein Ziel nicht in ppe_524.019
der Zeit und nicht in der Gesellschaft, sondern im Geist. Alle vier ppe_524.020
besprochenen Dimensionen mit dem Raum als Anfang und dem Geist ppe_524.021
als Ende sind in eine Folge gebracht. In dieser Reihe sind nunmehr, ppe_524.022
wenn wir von der Dichtkunst und ihren theoretischen Möglichkeiten ppe_524.023
zur Dichtung in ihrer geistigen Expansionskraft zurückkehren, diese ppe_524.024
Kategorien zu betrachten. Die räumlichen, zeitlichen, gesellschaftlichen ppe_524.025
und geistigen Zusammenhänge der Dichtung sind zu erklären, ppe_524.026
und es bleibt dabei nur die Frage, ob sie zu einem äußerlichen Zusammenhang ppe_524.027
führen oder ob in ihnen wirklich schaffende Kräfte und ppe_524.028
kollektiv hervorbringende Mächte zu erblicken sind.

ppe_524.001
weil mir der Raum in eurem Angesicht, ppe_524.002
da ich ihn liebte, überging in Weltraum, ppe_524.003
in dem ihr nicht mehr wart.
ppe_524.004

(Vierte Duineser Elegie.)

ppe_524.005
Ähnlich sah schon der junge Stefan George das Bleibende im Übergang ppe_524.006
aus der Zeit in den Raum:

ppe_524.007
Der Zeiten Flug verliert die alten Namen, ppe_524.008
Und Raum und Dasein bleiben nur im Bilde.
ppe_524.009

(Hymnen.)

ppe_524.010
Ein Dritter aber, Hugo von Hofmannsthal, schloß seinen Vortrag ppe_524.011
über das Schrifttum als geistigen Raum der Nation mit dem Bilde ppe_524.012
einer neuen Wirklichkeit, eines inneren Universums, eines Geistesraums ppe_524.013
der Glaubensgemeinschaft, den die Nation in ihrem eigenen ppe_524.014
Bewußtsein und in der Welt einnehme. Der Aufstieg von Synthese zu ppe_524.015
Synthese müsse zu dem höchsten Ziele gelangen, daß der Geist Leben ppe_524.016
werde und das Leben Geist. Die politische Erfassung des Geistigen ppe_524.017
und die geistige des Politischen müsse zur Bildung einer wahren Nation ppe_524.018
führen. Damit findet der Weg vom Raum aus sein Ziel nicht in ppe_524.019
der Zeit und nicht in der Gesellschaft, sondern im Geist. Alle vier ppe_524.020
besprochenen Dimensionen mit dem Raum als Anfang und dem Geist ppe_524.021
als Ende sind in eine Folge gebracht. In dieser Reihe sind nunmehr, ppe_524.022
wenn wir von der Dichtkunst und ihren theoretischen Möglichkeiten ppe_524.023
zur Dichtung in ihrer geistigen Expansionskraft zurückkehren, diese ppe_524.024
Kategorien zu betrachten. Die räumlichen, zeitlichen, gesellschaftlichen ppe_524.025
und geistigen Zusammenhänge der Dichtung sind zu erklären, ppe_524.026
und es bleibt dabei nur die Frage, ob sie zu einem äußerlichen Zusammenhang ppe_524.027
führen oder ob in ihnen wirklich schaffende Kräfte und ppe_524.028
kollektiv hervorbringende Mächte zu erblicken sind.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0548" n="524"/>
            <lb n="ppe_524.001"/>
            <lg>
              <l> <hi rendition="#aq">weil mir der Raum in eurem Angesicht, <lb n="ppe_524.002"/>
da ich ihn liebte, überging in Weltraum, <lb n="ppe_524.003"/>
in dem ihr nicht mehr wart.</hi> </l>
            </lg>
            <lb n="ppe_524.004"/>
            <p> <hi rendition="#right"> <hi rendition="#aq">(Vierte Duineser Elegie.)</hi> </hi> </p>
            <p><lb n="ppe_524.005"/>
Ähnlich sah schon der junge Stefan George das Bleibende im Übergang <lb n="ppe_524.006"/>
aus der Zeit in den Raum:</p>
            <lb n="ppe_524.007"/>
            <lg>
              <l> <hi rendition="#aq">Der Zeiten Flug verliert die alten Namen, <lb n="ppe_524.008"/>
Und Raum und Dasein bleiben nur im Bilde.</hi> </l>
            </lg>
            <lb n="ppe_524.009"/>
            <p> <hi rendition="#right"> <hi rendition="#aq">(Hymnen.)</hi> </hi> </p>
            <p><lb n="ppe_524.010"/>
Ein Dritter aber, Hugo von Hofmannsthal, schloß seinen Vortrag <lb n="ppe_524.011"/>
über das Schrifttum als geistigen Raum der Nation mit dem Bilde <lb n="ppe_524.012"/>
einer neuen Wirklichkeit, eines inneren Universums, eines Geistesraums <lb n="ppe_524.013"/>
der Glaubensgemeinschaft, den die Nation in ihrem eigenen <lb n="ppe_524.014"/>
Bewußtsein und in der Welt einnehme. Der Aufstieg von Synthese zu <lb n="ppe_524.015"/>
Synthese müsse zu dem höchsten Ziele gelangen, daß der Geist Leben <lb n="ppe_524.016"/>
werde und das Leben Geist. Die politische Erfassung des Geistigen <lb n="ppe_524.017"/>
und die geistige des Politischen müsse zur Bildung einer wahren Nation <lb n="ppe_524.018"/>
führen. Damit findet der Weg vom Raum aus sein Ziel nicht in <lb n="ppe_524.019"/>
der Zeit und nicht in der Gesellschaft, sondern im Geist. Alle vier <lb n="ppe_524.020"/>
besprochenen Dimensionen mit dem Raum als Anfang und dem Geist <lb n="ppe_524.021"/>
als Ende sind in eine Folge gebracht. In dieser Reihe sind nunmehr, <lb n="ppe_524.022"/>
wenn wir von der Dichtkunst und ihren theoretischen Möglichkeiten <lb n="ppe_524.023"/>
zur Dichtung in ihrer geistigen Expansionskraft zurückkehren, diese <lb n="ppe_524.024"/>
Kategorien zu betrachten. Die räumlichen, zeitlichen, gesellschaftlichen <lb n="ppe_524.025"/>
und geistigen Zusammenhänge der Dichtung sind zu erklären, <lb n="ppe_524.026"/>
und es bleibt dabei nur die Frage, ob sie zu einem äußerlichen Zusammenhang <lb n="ppe_524.027"/>
führen oder ob in ihnen wirklich schaffende Kräfte und <lb n="ppe_524.028"/>
kollektiv hervorbringende Mächte zu erblicken sind.</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[524/0548] ppe_524.001 weil mir der Raum in eurem Angesicht, ppe_524.002 da ich ihn liebte, überging in Weltraum, ppe_524.003 in dem ihr nicht mehr wart. ppe_524.004 (Vierte Duineser Elegie.) ppe_524.005 Ähnlich sah schon der junge Stefan George das Bleibende im Übergang ppe_524.006 aus der Zeit in den Raum: ppe_524.007 Der Zeiten Flug verliert die alten Namen, ppe_524.008 Und Raum und Dasein bleiben nur im Bilde. ppe_524.009 (Hymnen.) ppe_524.010 Ein Dritter aber, Hugo von Hofmannsthal, schloß seinen Vortrag ppe_524.011 über das Schrifttum als geistigen Raum der Nation mit dem Bilde ppe_524.012 einer neuen Wirklichkeit, eines inneren Universums, eines Geistesraums ppe_524.013 der Glaubensgemeinschaft, den die Nation in ihrem eigenen ppe_524.014 Bewußtsein und in der Welt einnehme. Der Aufstieg von Synthese zu ppe_524.015 Synthese müsse zu dem höchsten Ziele gelangen, daß der Geist Leben ppe_524.016 werde und das Leben Geist. Die politische Erfassung des Geistigen ppe_524.017 und die geistige des Politischen müsse zur Bildung einer wahren Nation ppe_524.018 führen. Damit findet der Weg vom Raum aus sein Ziel nicht in ppe_524.019 der Zeit und nicht in der Gesellschaft, sondern im Geist. Alle vier ppe_524.020 besprochenen Dimensionen mit dem Raum als Anfang und dem Geist ppe_524.021 als Ende sind in eine Folge gebracht. In dieser Reihe sind nunmehr, ppe_524.022 wenn wir von der Dichtkunst und ihren theoretischen Möglichkeiten ppe_524.023 zur Dichtung in ihrer geistigen Expansionskraft zurückkehren, diese ppe_524.024 Kategorien zu betrachten. Die räumlichen, zeitlichen, gesellschaftlichen ppe_524.025 und geistigen Zusammenhänge der Dichtung sind zu erklären, ppe_524.026 und es bleibt dabei nur die Frage, ob sie zu einem äußerlichen Zusammenhang ppe_524.027 führen oder ob in ihnen wirklich schaffende Kräfte und ppe_524.028 kollektiv hervorbringende Mächte zu erblicken sind.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/548
Zitationshilfe: Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 524. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/548>, abgerufen am 25.11.2024.