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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944.

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wie Schiller es nennen wollte und als Ideal suchte, sondern ppe_518.002
reale Wirklichkeit. Das unsterbliche Werk, in dem der Geist der ppe_518.003
Dichtung sich verkörpert, bleibt hinter keinen unerreichbaren Idealen ppe_518.004
zurück, sondern verwirklicht ihre Vollkommenheit. Meisterdichtung ppe_518.005
ist keine Abstraktion, obwohl aus ihr Begriffe und Gesetze der Kunst ppe_518.006
sich erschließen lassen; sie ist konkrete Daseinsverwirklichung, Spiegel ppe_518.007
des Lebens im farbigen Abglanz, Offenbarung der Würde der ppe_518.008
Menschheit, Gewebe des lebendigen Kleides der Gottheit.

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Der Anblick der im Schleier der Dichtung waltenden Wahrheit verlangt ppe_518.010
von dem Beschauenden nur noch innere Sammlung; die Kritik, ppe_518.011
die den Wert in Zweifel zieht, ist verstummt und begnügt sich mit ppe_518.012
der Sorge um Herstellung und Wahrung der reinen und echten ppe_518.013
Form; der Zergliederungstrieb unterwirft sich dem Eindruck alleiner ppe_518.014
Ganzheit, und die Deutung muß beides zusammenschließen; Sinngebung ppe_518.015
des Lebens, die das Ziel der Dichtung ist, trifft zusammen ppe_518.016
mit Sinngebung jener Kunst, deren Ausdrucksmittel die Sprache ist. ppe_518.017
Wenn Dichtung und Dichtkunst im Geist als der größten Synthese ppe_518.018
ihre Vereinigung erleben, ist der Aufstieg der beiden Strebepfeiler ppe_518.019
zur Höhe geführt, wie es den Worten des Pater seraphicus entspricht:

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Steigt hinan zu höherm Kreise, ppe_518.021
Wachset immer unvermerkt, ppe_518.022
Wie, nach ewig reiner Weise, ppe_518.023
Gottes Gegenwart verstärkt. ppe_518.024
Denn das ist der Geister Nahrung, ppe_518.025
Die im freisten Äther waltet: ppe_518.026
Ewigen Liebens Offenbarung, ppe_518.027
Die zur Seligkeit entfaltet.

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Der Weg, der zurückzulegen ist bis zur letzten Deutung, schließt ppe_518.029
eine zunehmende Vergeistigung der Aufgaben in sich; trotzdem bleibt ppe_518.030
der Gegenstand, zu dem der Aufstieg emporführt, ein konkreter.

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Abstrakt wird erst die allegorische Personifikation einer Göttin der ppe_518.032
Poesie, die im Musenhain oder Tempelheiligtum ihren Sitz hat oder ppe_518.033
im Zaubergarten, in dem die Romantiker (Tiecks "Zerbino") Dante, ppe_518.034
Shakespeare, Cervantes und Goethe als Gäste gesellschaftlich vereint ppe_518.035
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Die Personifikation der Dichtkunst steht indessen nicht allein, sondern ppe_518.037
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Musik sich mehr hinneigt, Farbe, Körperausdruck, Klang, Rhythmus ppe_518.040
und Bewegung austauscht. Von diesem Verhältnis zu den Nachbarkünsten ppe_518.041
geht eine eigene theoretische Betrachtungsweise des Wesens

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Zitationshilfe: Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 518. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/542>, abgerufen am 22.11.2024.