ppe_494.001 [Beginn Spaltensatz]nichts feil, als deinen ersten Morgenkuß ppe_494.002 an unserm Hochzeitstage; dafür ppe_494.003 kannst du ihn einlösen, und alsdann soll ppe_494.004 er dein bestes Hochzeitsgeschmeide sein.
ppe_494.005 Blanca: Mein Hochzeitstag ist ppe_494.006 schon gewesen.
ppe_494.007 Julius: Zerreiß deinen Schleier, ppe_494.008 Blanca -- ich will den großen Streit ppe_494.009 mit dem Himmel wagen -- Ich weiß, ppe_494.010 du liebst mich, aber ich muß es jetzt ppe_494.011 aus deinem Munde hören -- ich beschwöre ppe_494.012 dich bei den Tagen der Freude, ppe_494.013 die vorbei sind, und die kommen sollen, ppe_494.014 versichre es mir noch einmal. (Er küßt ppe_494.015 sie.)
ppe_494.016 Blanca: Abtissin -- helfen Sie mir. ppe_494.017 (Sie wird ohnmächtig.)
ppe_494.018 Julius: Sie liebt mich. Sehen Sie, ppe_494.019 Abtissin, das ist eine Versicherung, ppe_494.020 unsrer Liebe würdig, sie liebt mich ppe_494.021 wahrhaftig -- und wenn ein Engel seinen ppe_494.022 Finger auf das Buch des Schicksals ppe_494.023 legte und schwöre: Blanca liebt Julius, ppe_494.024 so wäre es für mich nicht wahrhaftiger.
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ppe_494.027 Julius: Erst will ich diese göttlichen ppe_494.028 Augen wieder offen sehen -- ppe_494.029 (Blanca schlägt die Augen auf). Es ist ppe_494.030 genug -- Abtissin, ich danke Ihnen -- ppe_494.031 winselnd sehen Sie mich nicht wieder. ppe_494.032 (Ab.)
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wecken, kann einen umwenden mit ppe_494.102 einem Blick! Nun ist mir doch gar ppe_494.103 wohl.
ppe_494.104 Kamilla: Und Tränen im Auge?
ppe_494.105 Guelfo: Sehen Sie das? Pfui, ppe_494.106 Guelfo! sei Mann! folg' dem Bescheid!
ppe_494.107 Kamilla: Kommen Sie ans Fenster! ppe_494.108 Es ist prächtig Abendrot; die Sonne ppe_494.109 geht herrlich unter. Freuen Sie sich ppe_494.110 doch mit mir!
ppe_494.111 Guelfo: Die letzten Sonnenstrahlen ppe_494.112 durch die Bäume her -- Ich möchte ppe_494.113 mich in die Feuerhelle dort schwingen, ppe_494.114 auf jenen Wolken reiten mit vergoldetem ppe_494.115 Saume! -- Kamilla! (Faßt sie an ppe_494.116 die Hand.) Ach! und ich bin wieder so ppe_494.117 hin -- ich möchte diese Feuerwolken ppe_494.118 zusammenpacken, Sturm und Wetter erregen ppe_494.119 und mich zerschmettert in den ppe_494.120 Abgrund stürzen! -- Kamilla! Kamilla! ppe_494.121 Kamilla! (Küßt sie heftig.)
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[Ende Spaltensatz]
ppe_494.131 Die impressionistischen Züge des "Julius von Tarent" liegen in der ppe_494.132 Klosterstimmung, in der Symbolik des Rosenkranzes und des ppe_494.133 Schleiers, in der Teilnahme der Äbtissin, die selbst seit Jahrzehnten ppe_494.134 verlorener Liebe nachtrauert (bei Klinger beklagt dagegen Guelfos ppe_494.135 Vertrauter Grimaldi eine dahingegangene Juliette); dazu gehört endlich ppe_494.136 das zarte Bild des Engels, der seine Finger auf das Buch des ppe_494.137 Schicksals legt. Es ist ein unpersönlich harmonisches Eindrucksbild, ppe_494.138 während Klingers Gleichnisse ichbetonte Metaphern des eigenen ppe_494.139 Seelenzustandes darstellen. Wenn Leisewitz durch die Liebe vergangene ppe_494.140 Tage der Freude zurückrufen läßt, so gibt Klingers vorwärtsstürmende ppe_494.141 Rhetorik ihr die Kraft, aus dem Todesschlaf zu ppe_494.142 wecken. Das Naturbild des herrlichen Sonnenuntergangs wird gewaltsam ppe_494.143 gesteigert in der ausströmenden Leidenschaftlichkeit des
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Die impressionistischen Züge des „Julius von Tarent“ liegen in der ppe_494.132
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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 494. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/518>, abgerufen am 25.11.2024.
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