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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944.

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Alle künstlerischen Glaubenssymbole sind nur in übertragenem ppe_456.002
Sinn als existenzielle Entscheidungen eines religiösen Bekenntnisses ppe_456.003
zu werten. Was von philosophischer Seite im Lauf der Jahrtausende ppe_456.004
gegen die Wahrheitsbegriffe der Dichtung eingewandt wurde, auch ppe_456.005
von abgefallenen Dichtern wie Kierkegaard, richtet sich gegen die ppe_456.006
Lässigkeit und Unverbindlichkeit ihrer Symbole, die aus der Glaubenswelt ppe_456.007
in die Gefühlswelt entgleiten.

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Man kann die religiöse Existenz des Dichters kaum als widerspruchslose ppe_456.009
Einheit begreifen, wenn die ästhetische Sinnbildhaftigkeit ppe_456.010
der Dichtung in seine Bekenntnisse einbezogen wird. Und wenn ppe_456.011
sie ausgeschlossen würde, was bliebe dann vom Dichter übrig?

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Die Methode, der religiösen Existenz eines Dichters nahe zu kommen, ppe_456.013
kann entweder eine geschichtlich-deskriptive sein, indem alle ppe_456.014
Glaubenszeugnisse aus Leben und Dichtung gesammelt werden, um ppe_456.015
aus ihrer Folge das Bild einer Entwicklung zu gewinnen. Für den ppe_456.016
Kern der religiösen Persönlichkeit wird auf diesem Wege aber kaum ppe_456.017
eine eindeutige Formel gefunden. Auf der anderen Seite bietet sich ppe_456.018
der phänomenologische Weg, alle bekenntnismäßigen Widersprüche ppe_456.019
zu lösen und aufzuheben, um mittels Intuition zur religiösen Existenz ppe_456.020
durchzudringen. Aber die Einheit, die schließlich gefunden wird, ist ppe_456.021
eine subjektive und kann eigentlich nur dadurch Überzeugungskraft ppe_456.022
gewinnen, daß sie auf Grund von Einfühlung zum Eigenbekenntnis ppe_456.023
des Darstellers geworden ist.

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Selbst beim religiösen Menschen, der in der Glaubensentscheidung ppe_456.025
seine ausschließliche Existenz findet, verhält es sich nicht viel anders ppe_456.026
als beim ästhetischen. Sein Glaube ist mehr zu erfühlen als zu beweisen; ppe_456.027
er muß erlebt werden, um Gestaltung zu finden, und die ppe_456.028
Gestaltung sucht nach Symbolen. Nicht nur ein dichterisches Buch, ppe_456.029
wie das der Ricarda Huch über "Luthers Glaube", das mehr das ppe_456.030
Bekenntnis der Verfasserin als das des Reformators erkennen läßt, ppe_456.031
sondern viele wissenschaftliche Untersuchungen verdanken ihre ppe_456.032
Überzeugungskraft dem persönlichen Einleben in die Glaubenswelt ppe_456.033
des Dargestellten. Auch beim religiösen Menschen kann im übrigen ppe_456.034
seine Existenz nicht von Sendungsbewußtsein und Wirkung losgelöst ppe_456.035
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5. Sendung

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Erfüllt sich die volkhafte Sendung des Dichters in seiner Tat, so ppe_456.038
liegen deren Voraussetzungen in Wort, Sinn und Kraft. Bietet die ppe_456.039
Sprache das Mittel, so verleiht das innere Gesetz den ethischen Willen ppe_456.040
und sittlichen Gehalt; der Glaube aber gibt die Weihe und Kraft

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Zitationshilfe: Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 456. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/480>, abgerufen am 22.11.2024.