ppe_406.001 werden auf Grund der überzeugenden Kraft, Eigenart und Intensität ppe_406.002 eines dichterischen Ausdrucks, der es erlaubt, auf die innere Wahrheit ppe_406.003 des Erlebens zurückzuschließen. Das Gegenteil der Schwächlichkeit, ppe_406.004 Unoriginalität, Gemachtheit, Stillosigkeit und mangelnden ppe_406.005 Folgerichtigkeit gibt für eine negative Bewertung den Ausschlag.
ppe_406.006 Eine andere Überzeugung von der Erlebnisechtheit ist auf die Übereinstimung ppe_406.007 zwischen dem Gefühlsleben, das in privater Selbstschau ppe_406.008 sich ausspricht, und dem Ausdruck, den es in der Dichtung gefunden ppe_406.009 hat, zu begründen. Zur völligen Deckung kann beides nur im Zustand ppe_406.010 großer Leidenschaft gelangen, die schon das Leben zur Dichtung werden ppe_406.011 läßt und der Dichtung Lebenswahrheit gibt. Das Gewahrwerden ppe_406.012 dieser Identität von gesteigertem Leben und Dichtung ist Sache einer ppe_406.013 einfühlenden Intuition, eines tiefen Mit- und Nacherlebens, letzten ppe_406.014 Endes einer hingebenden Liebe, die selbst zur Leidenschaft geworden ppe_406.015 ist.
ppe_406.016 Dichtung ist nach einem Worte Lord Byrons überhaupt nichts ppe_406.017 anderes als Leidenschaft. Ibsen sprach es ihm nach, wenn er sagte, ppe_406.018 um sich in der Kunst zu behaupten, sei noch anderes nötig als ein ppe_406.019 natürliches Talent: "Leidenschaften, Schmerzen, die das Leben erfüllen ppe_406.020 und ihm einen Sinn geben. Sonst schafft man nicht, sondern ppe_406.021 schreibt man Bücher." Platon sagt im "Gastmahl", auch in der Beherrschung ppe_406.022 der Künste glänze nur der und werde bewundert, den ppe_406.023 Eros unterwiesen habe; im Schatten und ohne Ruhm bleibe, den der ppe_406.024 Gott nicht berührte. Nach Dante ist jede Dichtung ein Diktat der ppe_406.025 Liebe. Auch der junge Goethe mußte die drängende Gefühlskraft, ppe_406.026 von der sein Künstlertum besessen war, als Liebe bezeichnen: "Was ppe_406.027 der Künstler nicht geliebt hat, nicht liebt, soll er nicht schildern, ppe_406.028 kann er nicht schildern." Der Alte sagte zu Eckermann, er habe nur ppe_406.029 gedichtet, wenn er liebte.
ppe_406.030 Jeder Künstler ist ein Liebender. In seiner Leidenschaft lebt ein ppe_406.031 erotischer Drang, und das künstlerische Schaffen ist Zeugung, Vermählung ppe_406.032 von Ich und Welt, mit dem Willen, ein Neues hervorzubringen, ppe_406.033 Leben zu schaffen.
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ppe_406.016 Dichtung ist nach einem Worte Lord Byrons überhaupt nichts ppe_406.017 anderes als Leidenschaft. Ibsen sprach es ihm nach, wenn er sagte, ppe_406.018 um sich in der Kunst zu behaupten, sei noch anderes nötig als ein ppe_406.019 natürliches Talent: „Leidenschaften, Schmerzen, die das Leben erfüllen ppe_406.020 und ihm einen Sinn geben. Sonst schafft man nicht, sondern ppe_406.021 schreibt man Bücher.“ Platon sagt im „Gastmahl“, auch in der Beherrschung ppe_406.022 der Künste glänze nur der und werde bewundert, den ppe_406.023 Eros unterwiesen habe; im Schatten und ohne Ruhm bleibe, den der ppe_406.024 Gott nicht berührte. Nach Dante ist jede Dichtung ein Diktat der ppe_406.025 Liebe. Auch der junge Goethe mußte die drängende Gefühlskraft, ppe_406.026 von der sein Künstlertum besessen war, als Liebe bezeichnen: „Was ppe_406.027 der Künstler nicht geliebt hat, nicht liebt, soll er nicht schildern, ppe_406.028 kann er nicht schildern.“ Der Alte sagte zu Eckermann, er habe nur ppe_406.029 gedichtet, wenn er liebte.
ppe_406.030 Jeder Künstler ist ein Liebender. In seiner Leidenschaft lebt ein ppe_406.031 erotischer Drang, und das künstlerische Schaffen ist Zeugung, Vermählung ppe_406.032 von Ich und Welt, mit dem Willen, ein Neues hervorzubringen, ppe_406.033 Leben zu schaffen.
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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/430>, abgerufen am 22.11.2024.
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