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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944.

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werden auf Grund der überzeugenden Kraft, Eigenart und Intensität ppe_406.002
eines dichterischen Ausdrucks, der es erlaubt, auf die innere Wahrheit ppe_406.003
des Erlebens zurückzuschließen. Das Gegenteil der Schwächlichkeit, ppe_406.004
Unoriginalität, Gemachtheit, Stillosigkeit und mangelnden ppe_406.005
Folgerichtigkeit gibt für eine negative Bewertung den Ausschlag.

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Eine andere Überzeugung von der Erlebnisechtheit ist auf die Übereinstimung ppe_406.007
zwischen dem Gefühlsleben, das in privater Selbstschau ppe_406.008
sich ausspricht, und dem Ausdruck, den es in der Dichtung gefunden ppe_406.009
hat, zu begründen. Zur völligen Deckung kann beides nur im Zustand ppe_406.010
großer Leidenschaft gelangen, die schon das Leben zur Dichtung werden ppe_406.011
läßt und der Dichtung Lebenswahrheit gibt. Das Gewahrwerden ppe_406.012
dieser Identität von gesteigertem Leben und Dichtung ist Sache einer ppe_406.013
einfühlenden Intuition, eines tiefen Mit- und Nacherlebens, letzten ppe_406.014
Endes einer hingebenden Liebe, die selbst zur Leidenschaft geworden ppe_406.015
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Dichtung ist nach einem Worte Lord Byrons überhaupt nichts ppe_406.017
anderes als Leidenschaft. Ibsen sprach es ihm nach, wenn er sagte, ppe_406.018
um sich in der Kunst zu behaupten, sei noch anderes nötig als ein ppe_406.019
natürliches Talent: "Leidenschaften, Schmerzen, die das Leben erfüllen ppe_406.020
und ihm einen Sinn geben. Sonst schafft man nicht, sondern ppe_406.021
schreibt man Bücher." Platon sagt im "Gastmahl", auch in der Beherrschung ppe_406.022
der Künste glänze nur der und werde bewundert, den ppe_406.023
Eros unterwiesen habe; im Schatten und ohne Ruhm bleibe, den der ppe_406.024
Gott nicht berührte. Nach Dante ist jede Dichtung ein Diktat der ppe_406.025
Liebe. Auch der junge Goethe mußte die drängende Gefühlskraft, ppe_406.026
von der sein Künstlertum besessen war, als Liebe bezeichnen: "Was ppe_406.027
der Künstler nicht geliebt hat, nicht liebt, soll er nicht schildern, ppe_406.028
kann er nicht schildern." Der Alte sagte zu Eckermann, er habe nur ppe_406.029
gedichtet, wenn er liebte.

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Jeder Künstler ist ein Liebender. In seiner Leidenschaft lebt ein ppe_406.031
erotischer Drang, und das künstlerische Schaffen ist Zeugung, Vermählung ppe_406.032
von Ich und Welt, mit dem Willen, ein Neues hervorzubringen, ppe_406.033
Leben zu schaffen.

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Zitationshilfe: Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/430>, abgerufen am 22.11.2024.