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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944.

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z. B. wollte Flaubert in "Salambo" etwas Purpurnes erscheinen ppe_394.002
lassen und in "Madame Bovary" nichts anderes, als die Schimmelfarbe ppe_394.003
der Kellerassel, während Hebbel erzählte, beim ersten Akte ppe_394.004
seiner "Genoveva" habe ihm die Farbe eines Herbstmorgens vorgeschwebt, ppe_394.005
beim "Herodes" vom Anfang bis Ende das brennendste ppe_394.006
Rot.

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Gustav Freytag, der die Aufzeichnungen Otto Ludwigs zuerst veröffentlichte, ppe_394.008
machte dazu die sachkundige Bemerkung, dies sei nicht ppe_394.009
die Schaffensweise des Dramatikers, der viel mehr die Seelenbewegungen ppe_394.010
der Charaktere empfinde, als daß er ihre Haltung und Stellung ppe_394.011
in Ruhelage vor sich sehe. "Das Wesen des dramatischen Bildens ppe_394.012
ist nicht ein Hängen an Situationen, sondern das kräftige unablässige ppe_394.013
Fortbewegen der Charaktere und Handlung." Freytag charakterisiert ppe_394.014
damit die motorische Phantasie des Dramatikers, der ppe_394.015
nicht Statiker, sondern Dynamiker ist, der seine Gestalten nicht allein ppe_394.016
schaut, sondern innerlich durchlebt und äußerlich in Bewegung setzt. ppe_394.017
In seiner schauenden Haltung dagegen verrät sich Otto Ludwig als ppe_394.018
versetzter Epiker. Unter den Erzählungen, nicht unter den Dramen, ppe_394.019
findet sich dieser Anlage entsprechend sein Meisterstück.

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c) Erfindung

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Alles Erfinden und Entdecken im höheren Sinn wird in Goethes ppe_394.022
"Sprüchen in Prosa" als Betätigung eines originalen Wahrheitsgefühls ppe_394.023
bezeichnet als eine aus dem Innern am Äußeren sich entwickelnde ppe_394.024
Offenbarung, als "eine Synthese von Welt und Geist, welche von der ppe_394.025
ewigen Harmonie des Diesseits die seligste Versicherung gibt". Bei ppe_394.026
Eckermann steht eine Variation dieses Gedankens, wonach die Erfindung ppe_394.027
in niemandes Gewalt ist, sondern der Mensch sie als unerhofftes ppe_394.028
Geschenk von oben zu betrachten habe.

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Mag der erste Ausspruch sich vor allem auf Wissenschaft und Technik ppe_394.030
beziehen, so schließt der zweite gewiß die Dichtung ein; beide ppe_394.031
treffen darin zusammen, daß zwischen Entdeckung und Erfindung ppe_394.032
kein großer Unterschied angenommen wird, daß vielmehr auch in ppe_394.033
der Erfindung mehr eine Erschließung bisher verborgener Zusammenhänge ppe_394.034
als ein freier Akt der Willkür zu sehen ist.

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Das Wesentliche der dichterischen Erfindung liegt darin, daß in ppe_394.036
der Darstellung etwas Neues zur Anschauung kommt. Es kann nicht ppe_394.037
so sehr im Stoff bestehen als in der Entstofflichung. Der Stoff wird ppe_394.038
gefunden, nicht erfunden. Auch die Situationen und Motive brauchen ppe_394.039
und können, wie im ersten Buch (S. 134, 170) gezeigt wurde, durchaus

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findet sich dieser Anlage entsprechend sein Meisterstück.

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Alles Erfinden und Entdecken im höheren Sinn wird in Goethes ppe_394.022
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Eckermann steht eine Variation dieses Gedankens, wonach die Erfindung ppe_394.027
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Zitationshilfe: Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/418>, abgerufen am 22.11.2024.