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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944.

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weit in der Welt entfernt lebten und mit denen er nur in einem vorübergehenden ppe_392.002
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Wort und Bewegung wichtiger werden lassen als das ppe_392.005
optische Bild. Kann auch hier keineswegs von Halluzinationen, sondern ppe_392.006
nur von einem Spiel der Willkür gesprochen werden, so kommen ppe_392.007
andere Beispiele, in denen sich dichterische Gestalten zu sinnlicher ppe_392.008
Realität verdichten, näher an das Halluzinatorische heran und ppe_392.009
können zum mindesten visionäre Anschaulichkeit für sich in Anspruch ppe_392.010
nehmen. Goethe fand, während er mit der ersten Gestalt des ppe_392.011
"Wilhelm Meister" und mit "Tasso" beschäftigt war, kein besseres ppe_392.012
Wort für seine Arbeit, als "mit den Geistern reden". In der Jugendzeit ppe_392.013
wurde er zu einem seiner Phantasiegeschöpfe, der verführerischen ppe_392.014
Adelheid des "Götz", leidenschaftlich hingezogen. In der ppe_392.015
Zueignung des "Faust" sprach er von den schwankenden Gestalten, ppe_392.016
die ihm wieder nahten und die er festzuhalten suche; sie brachten ppe_392.017
mit sich die Bilder froher Tage und ließen liebe Schatten aufsteigen; ppe_392.018
also hatten sie sich dem Dichter gegenüber noch nicht völlig objektiviert, ppe_392.019
sondern trugen in sich ein Stück seines eigenen Erlebens.

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Balzac wiederum fand in sich das Vermögen, "wie der Derwisch ppe_392.021
in Tausend und Eine Nacht Körper und Seele der Personen anzunehmen, ppe_392.022
die er darstellen sollte". Flaubert schrieb an Taine: "Die ppe_392.023
Gestalten meiner Einbildungskraft affizieren mich, verfolgen mich, ppe_392.024
oder vielmehr, ich bin es, der in ihnen lebt. Als ich beschrieb, wie ppe_392.025
Emma Bovary vergiftet wird, hatte ich einen so deutlichen Arsenikgeschmack ppe_392.026
auf der Zunge, daß ich zwei Indigestionen davontrug." ppe_392.027
Diese vielzitierte Selbstbeobachtung, auf die Taine eine Halluzinationstheorie ppe_392.028
gründete, wurde allerdings von Freunden Flauberts, die ppe_392.029
seine Übertreibungssucht kannten, angezweifelt und von A. Daudet ppe_392.030
lediglich für ein "parole de lyrique" erklärt.

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Wie sehr sich aber die Phantasiegeschöpfe des Schöpfers selbst ppe_392.032
bemächtigen können, hat Turgenjeff verraten; er dachte, sprach und ppe_392.033
ging so wie seine Romanhelden, und als er an dem Roman "Väter ppe_392.034
und Söhne" schrieb, will er für lange Zeit die charakteristische ppe_392.035
Sprache seines Basaroff angenommen haben.

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Ein ähnliches Selbstzeugnis legte Gontscharof ab, dem die Personen ppe_392.037
in solcher Deutlichkeit erschienen, daß er Bruchstücke ihrer Gespräche ppe_392.038
zu hören glaubte. Auch Jean Paul verlangte, daß der Dichter ppe_392.039
im Schreiben nur der Zuhörer, nicht der Sprachlehrer seiner ppe_392.040
Charaktere sei: "er schaut sie lebendig an, und dann hört er sie."

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Andere wiederum geben den Helden unbewußtermaßen ihre eigene

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weit in der Welt entfernt lebten und mit denen er nur in einem vorübergehenden ppe_392.002
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Unbeschadet seiner visuellen Anlage hat Goethe bei solcher Gedankendisputation ppe_392.004
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optische Bild. Kann auch hier keineswegs von Halluzinationen, sondern ppe_392.006
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Balzac wiederum fand in sich das Vermögen, „wie der Derwisch ppe_392.021
in Tausend und Eine Nacht Körper und Seele der Personen anzunehmen, ppe_392.022
die er darstellen sollte“. Flaubert schrieb an Taine: „Die ppe_392.023
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Emma Bovary vergiftet wird, hatte ich einen so deutlichen Arsenikgeschmack ppe_392.026
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Diese vielzitierte Selbstbeobachtung, auf die Taine eine Halluzinationstheorie ppe_392.028
gründete, wurde allerdings von Freunden Flauberts, die ppe_392.029
seine Übertreibungssucht kannten, angezweifelt und von A. Daudet ppe_392.030
lediglich für ein „parole de lyrique“ erklärt.

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Wie sehr sich aber die Phantasiegeschöpfe des Schöpfers selbst ppe_392.032
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Sprache seines Basaroff angenommen haben.

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Ein ähnliches Selbstzeugnis legte Gontscharof ab, dem die Personen ppe_392.037
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Zitationshilfe: Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/416>, abgerufen am 25.11.2024.