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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944.

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Neben die altbewährte, aber beschränkte philologische Praxis, die ppe_017.002
man nicht ganz aufgeben konnte, traten die neuen Richtungen, mit ppe_017.003
deren Namen vom Anthropologischen, Biologischen, Charakterologischen, ppe_017.004
Deskriptiven, Ethnologischen, Formanalytischen, Geopsychischen, ppe_017.005
Historischen, Ideengeschichtlichen, Kosmischen bis zum Zentralproblematischen ppe_017.006
man ein ganzes Alphabet ausfüllen konnte. Die ppe_017.007
Programme begannen zuweilen mit radikaler Bankrotterklärung aller ppe_017.008
bisherigen Wissenschaftsbemühung und mit Ankündigung einer aus ppe_017.009
dem Zusammenbruch phönixgleich aufsteigenden Neubildung, bis dann ppe_017.010
den kreißenden Bergen ein Wesen entkroch, das man eigentlich schon ppe_017.011
kannte, wenn es auch noch nicht den großartigen Namen getragen ppe_017.012
hatte. Ein Forscher schien nichts zu gelten, wenn er nicht eine neue ppe_017.013
Methode benamst hatte, die an der Wissenschaftsbörse gehandelt wurde. ppe_017.014
Es war nicht nur in Deutschland eine Inflationszeit der Methoden, die ppe_017.015
inzwischen einer beruhigenden Stabilisierung der Kurse gewichen ist, ppe_017.016
nachdem erkannt wurde, daß die Unterschiede zum guten Teil weniger ppe_017.017
in der Forschungsweise als in der Darstellungsart lagen, in der persönlichen ppe_017.018
Bestimmung des Standortes und Blickpunktes, in der Gewichtsverteilung ppe_017.019
der Akzente, also in Fragen der künstlerischen Gestaltung.

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Die Freiheit künstlerischer Darstellung, die von der auf streng ppe_017.021
sachliche und unpersönliche Mitteilung ihrer Forschungsergebnisse ppe_017.022
eingeschränkten Wissenschaftlichkeit des Positivismus oft verschmäht ppe_017.023
worden war, hat den neue Wege suchenden Richtungen eine öffentliche ppe_017.024
Wirkung zurückgegeben, auf die alle Lehren sowohl der Kunstwissenschaft ppe_017.025
wie insbesondere der Nationalwissenschaft gemäß ihren ppe_017.026
Bildungsaufgaben Anspruch haben. Die Nationalliteratur kann nicht ppe_017.027
ein Reservat exklusiver Gelehrsamkeit sein, sondern sie ist ein ppe_017.028
allgemein zugängliches Eigentum der Nation. Die ihr dienende ppe_017.029
Wissenschaft hat nicht nur dem eigenen Gewissen zu folgen, sondern ppe_017.030
sie hat dies zu verantworten vor Volk und Gemeinschaft. Die Verwaltung ppe_017.031
des höchsten geistigen Besitzes darf sich nicht in zunftmäßiger ppe_017.032
Enge einkapseln, sondern muß heraustreten zu persönlichem ppe_017.033
Führertum, zu Werbekraft und gemeinverständlichem Unterricht. ppe_017.034
Lagen die Gefahren dieser Aufgabe früher in seichter Popularisierung, ppe_017.035
so drohte, sobald tiefdringende Darstellung selbst zum Wortkunstwerk ppe_017.036
werden und gleichwohl Wissenschaft bleiben wollte, die ppe_017.037
Wendung in das Gegenteil. Der Subjektivismus einer oft mehr verdunkelnden ppe_017.038
als erhellenden, geistreichen Künstelei, das Selbstgefühl ppe_017.039
fesselnder schriftstellerischer Originalität und der Wagemut eigenwilliger ppe_017.040
Konstruktion entgingen nicht immer der Versuchung, den ppe_017.041
Boden der Tatsachenforschung, über den man sich erheben wollte,

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Zitationshilfe: Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/41>, abgerufen am 24.11.2024.