ppe_017.001 Neben die altbewährte, aber beschränkte philologische Praxis, die ppe_017.002 man nicht ganz aufgeben konnte, traten die neuen Richtungen, mit ppe_017.003 deren Namen vom Anthropologischen, Biologischen, Charakterologischen, ppe_017.004 Deskriptiven, Ethnologischen, Formanalytischen, Geopsychischen, ppe_017.005 Historischen, Ideengeschichtlichen, Kosmischen bis zum Zentralproblematischen ppe_017.006 man ein ganzes Alphabet ausfüllen konnte. Die ppe_017.007 Programme begannen zuweilen mit radikaler Bankrotterklärung aller ppe_017.008 bisherigen Wissenschaftsbemühung und mit Ankündigung einer aus ppe_017.009 dem Zusammenbruch phönixgleich aufsteigenden Neubildung, bis dann ppe_017.010 den kreißenden Bergen ein Wesen entkroch, das man eigentlich schon ppe_017.011 kannte, wenn es auch noch nicht den großartigen Namen getragen ppe_017.012 hatte. Ein Forscher schien nichts zu gelten, wenn er nicht eine neue ppe_017.013 Methode benamst hatte, die an der Wissenschaftsbörse gehandelt wurde. ppe_017.014 Es war nicht nur in Deutschland eine Inflationszeit der Methoden, die ppe_017.015 inzwischen einer beruhigenden Stabilisierung der Kurse gewichen ist, ppe_017.016 nachdem erkannt wurde, daß die Unterschiede zum guten Teil weniger ppe_017.017 in der Forschungsweise als in der Darstellungsart lagen, in der persönlichen ppe_017.018 Bestimmung des Standortes und Blickpunktes, in der Gewichtsverteilung ppe_017.019 der Akzente, also in Fragen der künstlerischen Gestaltung.
ppe_017.020 Die Freiheit künstlerischer Darstellung, die von der auf streng ppe_017.021 sachliche und unpersönliche Mitteilung ihrer Forschungsergebnisse ppe_017.022 eingeschränkten Wissenschaftlichkeit des Positivismus oft verschmäht ppe_017.023 worden war, hat den neue Wege suchenden Richtungen eine öffentliche ppe_017.024 Wirkung zurückgegeben, auf die alle Lehren sowohl der Kunstwissenschaft ppe_017.025 wie insbesondere der Nationalwissenschaft gemäß ihren ppe_017.026 Bildungsaufgaben Anspruch haben. Die Nationalliteratur kann nicht ppe_017.027 ein Reservat exklusiver Gelehrsamkeit sein, sondern sie ist ein ppe_017.028 allgemein zugängliches Eigentum der Nation. Die ihr dienende ppe_017.029 Wissenschaft hat nicht nur dem eigenen Gewissen zu folgen, sondern ppe_017.030 sie hat dies zu verantworten vor Volk und Gemeinschaft. Die Verwaltung ppe_017.031 des höchsten geistigen Besitzes darf sich nicht in zunftmäßiger ppe_017.032 Enge einkapseln, sondern muß heraustreten zu persönlichem ppe_017.033 Führertum, zu Werbekraft und gemeinverständlichem Unterricht. ppe_017.034 Lagen die Gefahren dieser Aufgabe früher in seichter Popularisierung, ppe_017.035 so drohte, sobald tiefdringende Darstellung selbst zum Wortkunstwerk ppe_017.036 werden und gleichwohl Wissenschaft bleiben wollte, die ppe_017.037 Wendung in das Gegenteil. Der Subjektivismus einer oft mehr verdunkelnden ppe_017.038 als erhellenden, geistreichen Künstelei, das Selbstgefühl ppe_017.039 fesselnder schriftstellerischer Originalität und der Wagemut eigenwilliger ppe_017.040 Konstruktion entgingen nicht immer der Versuchung, den ppe_017.041 Boden der Tatsachenforschung, über den man sich erheben wollte,
ppe_017.001 Neben die altbewährte, aber beschränkte philologische Praxis, die ppe_017.002 man nicht ganz aufgeben konnte, traten die neuen Richtungen, mit ppe_017.003 deren Namen vom Anthropologischen, Biologischen, Charakterologischen, ppe_017.004 Deskriptiven, Ethnologischen, Formanalytischen, Geopsychischen, ppe_017.005 Historischen, Ideengeschichtlichen, Kosmischen bis zum Zentralproblematischen ppe_017.006 man ein ganzes Alphabet ausfüllen konnte. Die ppe_017.007 Programme begannen zuweilen mit radikaler Bankrotterklärung aller ppe_017.008 bisherigen Wissenschaftsbemühung und mit Ankündigung einer aus ppe_017.009 dem Zusammenbruch phönixgleich aufsteigenden Neubildung, bis dann ppe_017.010 den kreißenden Bergen ein Wesen entkroch, das man eigentlich schon ppe_017.011 kannte, wenn es auch noch nicht den großartigen Namen getragen ppe_017.012 hatte. Ein Forscher schien nichts zu gelten, wenn er nicht eine neue ppe_017.013 Methode benamst hatte, die an der Wissenschaftsbörse gehandelt wurde. ppe_017.014 Es war nicht nur in Deutschland eine Inflationszeit der Methoden, die ppe_017.015 inzwischen einer beruhigenden Stabilisierung der Kurse gewichen ist, ppe_017.016 nachdem erkannt wurde, daß die Unterschiede zum guten Teil weniger ppe_017.017 in der Forschungsweise als in der Darstellungsart lagen, in der persönlichen ppe_017.018 Bestimmung des Standortes und Blickpunktes, in der Gewichtsverteilung ppe_017.019 der Akzente, also in Fragen der künstlerischen Gestaltung.
ppe_017.020 Die Freiheit künstlerischer Darstellung, die von der auf streng ppe_017.021 sachliche und unpersönliche Mitteilung ihrer Forschungsergebnisse ppe_017.022 eingeschränkten Wissenschaftlichkeit des Positivismus oft verschmäht ppe_017.023 worden war, hat den neue Wege suchenden Richtungen eine öffentliche ppe_017.024 Wirkung zurückgegeben, auf die alle Lehren sowohl der Kunstwissenschaft ppe_017.025 wie insbesondere der Nationalwissenschaft gemäß ihren ppe_017.026 Bildungsaufgaben Anspruch haben. Die Nationalliteratur kann nicht ppe_017.027 ein Reservat exklusiver Gelehrsamkeit sein, sondern sie ist ein ppe_017.028 allgemein zugängliches Eigentum der Nation. Die ihr dienende ppe_017.029 Wissenschaft hat nicht nur dem eigenen Gewissen zu folgen, sondern ppe_017.030 sie hat dies zu verantworten vor Volk und Gemeinschaft. Die Verwaltung ppe_017.031 des höchsten geistigen Besitzes darf sich nicht in zunftmäßiger ppe_017.032 Enge einkapseln, sondern muß heraustreten zu persönlichem ppe_017.033 Führertum, zu Werbekraft und gemeinverständlichem Unterricht. ppe_017.034 Lagen die Gefahren dieser Aufgabe früher in seichter Popularisierung, ppe_017.035 so drohte, sobald tiefdringende Darstellung selbst zum Wortkunstwerk ppe_017.036 werden und gleichwohl Wissenschaft bleiben wollte, die ppe_017.037 Wendung in das Gegenteil. Der Subjektivismus einer oft mehr verdunkelnden ppe_017.038 als erhellenden, geistreichen Künstelei, das Selbstgefühl ppe_017.039 fesselnder schriftstellerischer Originalität und der Wagemut eigenwilliger ppe_017.040 Konstruktion entgingen nicht immer der Versuchung, den ppe_017.041 Boden der Tatsachenforschung, über den man sich erheben wollte,
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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/41>, abgerufen am 24.11.2024.
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