ppe_383.001 Mit der Typenpsychologie setzt sich Rothacker ins Einvernehmen, ppe_383.002 indem er Kinder, Frauen, Pykniker, Integrierte und Künstler mehr ppe_383.003 aus dem Unbewußten, der Seele und dem Herzen heraus leben läßt, ppe_383.004 als es den Schizoiden oder gar dem modern-rational-technischen Menschentyp ppe_383.005 gegeben ist. Mit der Rassenpsychologie wird ein Zusammenhang ppe_383.006 hergestellt, indem die Passivität der slawischen oder der orientalischen ppe_383.007 Seele zu dem aktiven Wirklichkeitssinn und Ich-Bewußtsein ppe_383.008 des nordischen Leistungsmenschen in Gegensatz gebracht wird. Freilich ppe_383.009 ist auch der Typ des Romantikers, der als schizothym und nordisch ppe_383.010 anzusprechen ist, ebenso wie der dämonische Mensch, der im ppe_383.011 fälischen Wesen eine besondere Grundlage zu finden scheint, der ppe_383.012 Übermacht des Unbewußten ausgeliefert. Ehe zu einer Schematisierung ppe_383.013 geschritten werden kann, bedarf es weiterer Klärung.
ppe_383.014 Ähnlich wie Brentano und wie Goethe ("Nicht hab' ich sie, sie ppe_383.015 haben mich gedichtet") gab Grillparzer dem Gefühl der Passivität ppe_383.016 in seinem "Selbstbekenntnis" Ausdruck:
ppe_383.017
Du nennst mich Dichter? Ich verdien es nicht, ppe_383.018 Ein anderer sitzt, ich fühl's, und schreibt mein Leben, ppe_383.019 Und soll die Poesie den Namen geben, ppe_383.020 Statt Dichter fühl' ich höchstens mich Gedicht.
ppe_383.021 Gleichwohl haben in Grillparzers Weltbild die dunkeln und unbewußten ppe_383.022 Elemente nicht die uneingeschränkte Herrschaft; vielmehr ppe_383.023 mischen sich rationale Züge ein, etwa wie in seinem Traumspiel, das ppe_383.024 hie und da durch wache Momente der Wirklichkeitsbesinnung unterbrochen ppe_383.025 wird. Es verdankt einem Aufklärungsroman Voltaires seine ppe_383.026 Fabel. Überhaupt scheint die österreichische Nachklassik der Biedermeierzeit ppe_383.027 in demselben Maße auf einem Zusammenfluß von Aufklärung ppe_383.028 und Romantik zu beruhen, wie die Weimarer Klassik als ppe_383.029 Synthese von Aufklärung und Sturm und Drang gelten darf, indem ppe_383.030 sie das irrationale Chaos des Gefühlslebens durch das Maß und den ppe_383.031 normierenden Formsinn des aufklärerischen Neuhumanismus bändigte.
ppe_383.032 Für Goethes Weltbild hat Ewald A. Boucke das Charakteristischste ppe_383.033 im Wechselspiel und Ausgleich antagonistischer Tendenzen wie Natur ppe_383.034 und Geist, Erfahrung und Idee, Anschauung und Begriff gefunden. ppe_383.035 Diese dynamische Polarität, die auch ein Gleichgewicht von Rationalismus ppe_383.036 und Irrationalismus in sich schließt, war auf Herders ppe_383.037 Pandynamismus zurückzuführen und berührte sich mit Kant, um ppe_383.038 später in der Begegnung mit Schellings Naturphilosophie neue Bestätigung ppe_383.039 zu finden. Ferdinand Weinhandls Buch über die Metaphysik ppe_383.040 Goethes hat darüber hinaus die Goethe eigensten Begriffe des ppe_383.041 Urphänomens und des Symbols in den Mittelpunkt gestellt und ist
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ppe_383.014 Ähnlich wie Brentano und wie Goethe („Nicht hab' ich sie, sie ppe_383.015 haben mich gedichtet“) gab Grillparzer dem Gefühl der Passivität ppe_383.016 in seinem „Selbstbekenntnis“ Ausdruck:
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Für Goethes Weltbild hat Ewald A. Boucke das Charakteristischste ppe_383.033
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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/407>, abgerufen am 25.11.2024.
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