ppe_012.001 über den Sinn der Arbeit, ohne sich mitteilende Liebe und erwärmende ppe_012.002 Überzeugungskraft, die mit der Anleitung neue Aufgaben ppe_012.003 stellt, ist alle literarische Forschung zur Unfruchtbarkeit verurteilt. ppe_012.004 Dieser ganze belebende Umkreis muß in dem gekennzeichneten ppe_012.005 System eingeschlossen sein.
ppe_012.006 Zusammenfassend können wir sagen: es gibt so viele Literaturgeschichten, ppe_012.007 als es Literatursprachen gibt; aber es gibt nur eine ppe_012.008 Literaturwissenschaft. Man hat sich zwar in Deutschland daran gewöhnt, ppe_012.009 das Wort Literaturgeschichte ganz durch den neuen Ausdruck ppe_012.010 zu ersetzen und die "deutsche Literaturwissenschaft" als Forschungsgebiet ppe_012.011 zu betrachten. Man müßte folgerichtigerweise dann auch von ppe_012.012 französischer und englischer Literaturwissenschaft sprechen, aber ppe_012.013 man tut es höchstens im Sinne der Zunft, nicht des Gegenstandes.
ppe_012.014 Wie kam es zu diesem Widerspruch? Man wollte der vielverkannten ppe_012.015 Poetik einen ebenbürtigen Platz neben der Literaturgeschichte ppe_012.016 erobern, indem man beide vereinte. Man glaubte, mit dem ängstlichen ppe_012.017 Gebrauch des neuen Wortes eine Abkehr vom Historismus ppe_012.018 zu vollziehen und der Deutung des Seienden, des lebendigen Kernes ppe_012.019 in seinem ewigen Wert gegenüber der Überbewertung des Gewesenen, ppe_012.020 der äußeren Umstände des Entstehungsvorganges und der ppe_012.021 geschichtlichen Zusammenhänge zu ihrem Rechte zu verhelfen. Als ppe_012.022 ob nicht alle Geschichtswissenschaft der Vergegenwärtigung diente ppe_012.023 und jede wissenschaftliche Gegenwartsbetrachtung Geschichte würde!
ppe_012.024 Man konnte wohl versuchen, eine wissenschaftliche Betrachtung ppe_012.025 der Gegenwartsliteratur zu rechtfertigen, indem man die in Anwendung ppe_012.026 gebrachte ästhetische, formale, stilistische Kritik als Mittel der ppe_012.027 literaturwissenschaftlichen, nicht der literarhistorischen Methode ppe_012.028 ausgab. Aber wenn auch Sammlung und Kritik mit durchaus wissenschaftlichem ppe_012.029 Ernst betrieben wurde, änderte sich nichts daran, daß ppe_012.030 die Eingliederung des Gegenwartswertes bereits den Anfang geschichtlicher ppe_012.031 Betrachtung bedeutet, und daß sich in deren Fortschreiten ppe_012.032 bald eine andere Beurteilung einstellt. Man braucht bloß einmal die ppe_012.033 verschiedenen Auflagen vielgelesener Darstellungen der Gegenwartsliteratur ppe_012.034 zu vergleichen, um zu sehen, wie sich nicht Stoff und nicht ppe_012.035 Methode, sondern der Standort desselben Betrachters verändert hat.
ppe_012.036 Früher, und zwar in Jahrhunderten, in denen es noch keinen ppe_012.037 Historismus gab, hat man auch von "Naturgeschichte" als Fach gesprochen. ppe_012.038 Nachdem die Bezeichnung "Naturwissenschaften" sich ppe_012.039 durchgesetzt hatte, sind die "Geisteswissenschaften" gefolgt, aber sie ppe_012.040 haben dann wieder einen Zusammenschluß zur "Geistesgeschichte" ppe_012.041 vollzogen. Der Ausdruck "Literaturwissenschaft" kam genau in dem
ppe_012.001 über den Sinn der Arbeit, ohne sich mitteilende Liebe und erwärmende ppe_012.002 Überzeugungskraft, die mit der Anleitung neue Aufgaben ppe_012.003 stellt, ist alle literarische Forschung zur Unfruchtbarkeit verurteilt. ppe_012.004 Dieser ganze belebende Umkreis muß in dem gekennzeichneten ppe_012.005 System eingeschlossen sein.
ppe_012.006 Zusammenfassend können wir sagen: es gibt so viele Literaturgeschichten, ppe_012.007 als es Literatursprachen gibt; aber es gibt nur eine ppe_012.008 Literaturwissenschaft. Man hat sich zwar in Deutschland daran gewöhnt, ppe_012.009 das Wort Literaturgeschichte ganz durch den neuen Ausdruck ppe_012.010 zu ersetzen und die „deutsche Literaturwissenschaft“ als Forschungsgebiet ppe_012.011 zu betrachten. Man müßte folgerichtigerweise dann auch von ppe_012.012 französischer und englischer Literaturwissenschaft sprechen, aber ppe_012.013 man tut es höchstens im Sinne der Zunft, nicht des Gegenstandes.
ppe_012.014 Wie kam es zu diesem Widerspruch? Man wollte der vielverkannten ppe_012.015 Poetik einen ebenbürtigen Platz neben der Literaturgeschichte ppe_012.016 erobern, indem man beide vereinte. Man glaubte, mit dem ängstlichen ppe_012.017 Gebrauch des neuen Wortes eine Abkehr vom Historismus ppe_012.018 zu vollziehen und der Deutung des Seienden, des lebendigen Kernes ppe_012.019 in seinem ewigen Wert gegenüber der Überbewertung des Gewesenen, ppe_012.020 der äußeren Umstände des Entstehungsvorganges und der ppe_012.021 geschichtlichen Zusammenhänge zu ihrem Rechte zu verhelfen. Als ppe_012.022 ob nicht alle Geschichtswissenschaft der Vergegenwärtigung diente ppe_012.023 und jede wissenschaftliche Gegenwartsbetrachtung Geschichte würde!
ppe_012.024 Man konnte wohl versuchen, eine wissenschaftliche Betrachtung ppe_012.025 der Gegenwartsliteratur zu rechtfertigen, indem man die in Anwendung ppe_012.026 gebrachte ästhetische, formale, stilistische Kritik als Mittel der ppe_012.027 literaturwissenschaftlichen, nicht der literarhistorischen Methode ppe_012.028 ausgab. Aber wenn auch Sammlung und Kritik mit durchaus wissenschaftlichem ppe_012.029 Ernst betrieben wurde, änderte sich nichts daran, daß ppe_012.030 die Eingliederung des Gegenwartswertes bereits den Anfang geschichtlicher ppe_012.031 Betrachtung bedeutet, und daß sich in deren Fortschreiten ppe_012.032 bald eine andere Beurteilung einstellt. Man braucht bloß einmal die ppe_012.033 verschiedenen Auflagen vielgelesener Darstellungen der Gegenwartsliteratur ppe_012.034 zu vergleichen, um zu sehen, wie sich nicht Stoff und nicht ppe_012.035 Methode, sondern der Standort desselben Betrachters verändert hat.
ppe_012.036 Früher, und zwar in Jahrhunderten, in denen es noch keinen ppe_012.037 Historismus gab, hat man auch von „Naturgeschichte“ als Fach gesprochen. ppe_012.038 Nachdem die Bezeichnung „Naturwissenschaften“ sich ppe_012.039 durchgesetzt hatte, sind die „Geisteswissenschaften“ gefolgt, aber sie ppe_012.040 haben dann wieder einen Zusammenschluß zur „Geistesgeschichte“ ppe_012.041 vollzogen. Der Ausdruck „Literaturwissenschaft“ kam genau in dem
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Wie kam es zu diesem Widerspruch? Man wollte der vielverkannten ppe_012.015
Poetik einen ebenbürtigen Platz neben der Literaturgeschichte ppe_012.016
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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/36>, abgerufen am 27.11.2024.
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