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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944.

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der Dichtung auf das Leben erlaubt sein. Blicken wir von hier aus ppe_311.002
noch einmal auf Grimmelshausen, so hat es sich der Vorredner der ppe_311.003
posthumen Gesamtausgabe von 1683/4, die "Der aus dem Grabe der ppe_311.004
Vergessenheit wiedererstandene Teutsche Simplicissimus" betitelt ist, ppe_311.005
leicht gemacht, indem er die Schicksale des Romanhelden einfach mit ppe_311.006
denen des Verfassers identifizierte. Das war, wie wir eben sahen, unberechtigt. ppe_311.007
Umgekehrt konnte, wie oben (S. 102 f.) gezeigt wurde, ein ppe_311.008
Zeitgenosse Grimmelshausens, Johann Beer, erst durch die Übereinstimmungen ppe_311.009
zwischen seinem Leben und seinen Dichtungen ermittelt ppe_311.010
werden. Offenbar hängt es von der Wesensart des Dichters, von der ppe_311.011
Beweglichkeit seiner Phantasie oder dem Tatsachensinn seines Realismus ppe_311.012
ab, bis zu welchem Grade seine Lebensgestaltung an wirkliche ppe_311.013
Verhältnisse gebunden ist. Von diesem Unterschied zwischen Ichdichtern ppe_311.014
und Sachdichtern soll im zweiten Hauptteil (S. 354) die ppe_311.015
Rede sein.

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Die Beurteilung hängt aber nicht allein von dem Typus des Dichters ppe_311.017
ab, sondern auch von den Wirklichkeitsbegriffen seiner Stammesart, ppe_311.018
seines Standes, seiner Gesellschaft und seines Zeitalters. Das Programm ppe_311.019
einer groß angelegten Untersuchung über "Wahrheit und Dichtung im ppe_311.020
Mittelalter", an deren Durchführung der allzu frühe Tod ihn hinderte, ppe_311.021
hat Arthur Hübner 1933 der Preußischen Akademie der Wissenschaften ppe_311.022
vorgelegt. Es sollte sich dabei hauptsächlich um die Auffassung ppe_311.023
geschichtlicher Wahrheit in der epischen Dichtung handeln, aber auch ppe_311.024
die Wirklichkeitsverhältnisse, die dem Minnesang zugrunde lagen, ppe_311.025
kommen in Betracht. In der Scheinwelt der höfischen Dichtung herrscht ppe_311.026
ein Spiel poetischer Fiktion, das begründet ist in den romanischen ppe_311.027
Anschauungen von hoher Minne als Lehensdienst und unterwürfigem ppe_311.028
Werben um eine meist verheiratete Herrin. Ähnliche Entfernung von ppe_311.029
wirklichen Lebensverhältnissen bleibt auch noch im Petrarkismus des ppe_311.030
16. und 17. Jahrhunderts erhalten. Aber schon Wolfram v. Eschenbach ppe_311.031
hat die Konvention durchbrochen, indem er die herkömmliche ppe_311.032
Form des Tageliedes zu einem Preis des ehelichen Glückes umbog, und ppe_311.033
Walther von der Vogelweide tat ein Gleiches, indem er eine neue Konvention ppe_311.034
dörflicher Tanz- und Liebeslieder schuf, die sich an verlorene ppe_311.035
volkstümliche Dichtung anschloß. Die Literarhistoriker aber hatten ppe_311.036
Unrecht, die aus seinem Leben einen Roman von aufeinanderfolgenden ppe_311.037
Erlebnissen hoher und niederer Minne machen wollten ähnlich wie ppe_311.038
man es mit der Corinna in Ovids "Amores", mit Catulls Lesbia oder ppe_311.039
mit Dantes Beatrice und Petrarcas Laura versucht hat. R. M. Meyer ppe_311.040
hat durch eine parodistische Anwendung auf Goethes Lyrik diese ppe_311.041
Deutungsweise mit billigem Witz ad absurdum geführt. Dabei war

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Die Beurteilung hängt aber nicht allein von dem Typus des Dichters ppe_311.017
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Zitationshilfe: Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/335>, abgerufen am 25.11.2024.