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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944.

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faßbar werden. Bisher ist aber diesen Vorgängen von ppe_290.002
Mundartforschung und Volkskunde, die ganze Gruppen und Landschaften ppe_290.003
als Einheit aufzunehmen in der Lage sind, mehr Beachtung ppe_290.004
geschenkt worden als von der Literaturgeschichte. Mir ist keine Biographie ppe_290.005
Lord Byrons bekannt, bei der die Auswirkung englischschottischer ppe_290.006
Blutmischung in seiner Dichtung analysiert würde; ppe_290.007
dagegen wird bei Dante Gabriel Rossetti in Bernhard Fehrs Darstellung ppe_290.008
Italienisches und Englisches unterschieden, freilich mehr als ppe_290.009
Bildungseinfluß denn als Erbteil. Die gleichen Probleme komplizieren ppe_290.010
sich bei Joseph Conrad (Korzeniowsky) 1857-1923, wenn das, was ppe_290.011
ukrainisch, was polnisch, was etwa jüdisch und was englisches Bildungsgut ppe_290.012
ist, sich sondern ließe von dem Einfluß exotischer Erlebnisse, die ppe_290.013
das Thema seiner Erzählungen bilden.

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Für Deutschland hat Joseph Nadler vor allem im Kolonisationsgebiet ppe_290.015
einen günstigen Boden zur Aufhellung geistesgeschichtlicher ppe_290.016
Probleme gefunden. Er hat neuerdings in Auseinandersetzung mit ppe_290.017
Günther der Rassenkunde die Aufgabe gestellt, für die beiden räumlich ppe_290.018
weit getrennten Wohngebiete der ostischen Rasse, nämlich Oberrhein ppe_290.019
und Ostmitteldeutschland, "die räumliche Dichte bestimmter ppe_290.020
geistiger Vorgänge" zu prüfen. Hatte sich ihm vorher das ostdeutsche ppe_290.021
Kolonisationsland als Ursprungsland der Romantik dargestellt, so ppe_290.022
konnte er die Augen gegenüber der Tatsache nicht verschließen, daß ppe_290.023
auch in Westdeutschland schon im 18. Jahrhundert vorromantische ppe_290.024
Strömungen ihr Quellgebiet haben. Die Übereinstimmungen führen ppe_290.025
zu der Frage, ob nicht diese beiden Gegenden durch die Vorherrschaft ppe_290.026
der ostischen Rasse zu Kernlandschaften des denkerischen und ppe_290.027
mystischen Geistes in Deutschland geworden seien. Indessen hat dieser ppe_290.028
Geist auch am Niederrhein seinen Sitz, und Ernst Kretschmer sucht ppe_290.029
ihn auf Grund von Rassekarten auch dort durch alpine (ostische) Einsprengsel ppe_290.030
zu erklären. Diese Fragestellungen, die weit über die Analyse ppe_290.031
der einzelnen Persönlichkeit hinausgehen, werden im dritten Buch ppe_290.032
zu erörtern sein.

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Bleiben wir zunächst bei der Erbanlage einzelner Persönlichkeiten, ppe_290.034
so stellt unter den Romantikern eine Gestalt wie Ludwig Tieck vor ppe_290.035
das Rätsel, wie dieses in der Metropole der Aufklärung aufgewachsene ppe_290.036
Berliner Kind überhaupt zum Romantiker werden konnte. Wenn ppe_290.037
jetzt die amerikanische Biographie von Edwin H. Zeydel es wahrscheinlich ppe_290.038
macht, daß das illegitime Pflegekind des Pfarrers Latzke, ppe_290.039
das der Seilermeister Johann Ludwig Tieck aus Jeserig bei Brandenburg ppe_290.040
heimführte, eine Russin zur Mutter hatte, so klärt sich aus dem ppe_290.041
großmütterlichen slawischen Erbe vielleicht die lässige Apathie und

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Für Deutschland hat Joseph Nadler vor allem im Kolonisationsgebiet ppe_290.015
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Kolonisationsland als Ursprungsland der Romantik dargestellt, so ppe_290.022
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Geist auch am Niederrhein seinen Sitz, und Ernst Kretschmer sucht ppe_290.029
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zu erklären. Diese Fragestellungen, die weit über die Analyse ppe_290.031
der einzelnen Persönlichkeit hinausgehen, werden im dritten Buch ppe_290.032
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Bleiben wir zunächst bei der Erbanlage einzelner Persönlichkeiten, ppe_290.034
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Zitationshilfe: Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/314>, abgerufen am 25.11.2024.