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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944.

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"Tristram Shandy" heißt für einen ernsthaften Dichter unserer Zeit ppe_268.002
wie E. G. Kolbenheyer "eine Monstrosität, die heute kein vernünftiger ppe_268.003
Mensch auszulesen imstande ist".

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Die verschiedenartigen Erscheinungen des Zeiterfolgs stellen unterschiedliche ppe_268.005
Ansprüche an ein geschichtliches Verstehen. Im Fall der ppe_268.006
Spekulationserfolge muß es von der typischen, für jedes Zeitalter in ppe_268.007
gleichem Maße geltenden Eindrucksfähigkeit und Geschmackshaltung ppe_268.008
der großen Menge, im Fall des Modeerfolges von der charakteristischen ppe_268.009
Geistesbeschaffenheit eines bestimmten Zeitalters den Ausgang ppe_268.010
nehmen; im einen Fall liegen die Elemente der Analyse, durch deren ppe_268.011
aufdringliches Hervortreten das Gleichgewicht gestört wird, bei ppe_268.012
Situationen, Absicht und Technik, im anderen Fall bei Wirklichkeitsauffassung, ppe_268.013
Weltanschauung und Problemen; im einen Fall ist das ppe_268.014
Phänomen des Erfolges mehr soziologisch, im anderen Fall mehr ppe_268.015
geistesgeschichtlich zu begreifen.

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Neben den stetigen Entwicklungsrichtungen des Steigens und Sinkens ppe_268.017
ist aber auch die fluktuierende Bewegung eines wechselnden ppe_268.018
Auf und Nieder als häufige Erscheinung zu verfolgen. Nicht nur die ppe_268.019
Bewertung einzelner großer Werke, etwa der "Äneis" des Vergil oder ppe_268.020
des Klopstockschen "Messias", hat im Lauf der Jahrhunderte periodische ppe_268.021
Schwankungen durchgemacht; auch das Nachleben einzelner ppe_268.022
Dichter zeigt in wechselnder Wertschätzung den Zickzacklauf einer ppe_268.023
Fieberkurve. Namentlich steht, wie wir schon sahen, die Statistik ppe_268.024
des Bühnenspielplans wie ein Wetterhäuschen vor uns, das über ppe_268.025
Sonne und Niederschläge im Schicksal des Dramatikers Rechenschaft ppe_268.026
gibt. Selbst die Klassiker sind von den Schwankungen nicht unberührt; ppe_268.027
es hat Zeiten der Shakespeare-Erweckung, der Goethe-Ferne, ppe_268.028
der Schiller-Renaissance und der Grabbe-Entdeckung gegeben, denen ppe_268.029
dann wieder Gegenschläge folgten. Unter den attischen Tragikern ppe_268.030
steht bald Aischylos, bald Sophokles, bald Euripides an der Spitze; ppe_268.031
ebenso schwankt das Stilbild der französischen "haute tragedie" im ppe_268.032
Kurs. Für die Stil- und Geistesrichtung ganzer Zeitalter wie Barock, ppe_268.033
Sturm und Drang, Romantik gab es im Urteil der Nachwelt Hausse ppe_268.034
und Baisse. Aber diese Schwankungen sind weder als mechanisches ppe_268.035
Gesetz noch als Walten des Zufalls zu verstehen, sondern als Wandlungen ppe_268.036
des Geschmacks, der Empfänglichkeit und seelischen Bereitschaft ppe_268.037
zum Mitgehen, wie der ästhetischen Grundsätze und der ppe_268.038
Autoritäten, deren Geltung von unzähligen, kaum übersehbaren Faktoren ppe_268.039
des Zeiterlebens abhängig ist.

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Selbst die Dichtungsgattungen haben oftmalige Verschiebung ihres ppe_268.041
Gewichtsverhältnisses erlebt; es gab epische, lyrische, dramatische

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„Tristram Shandy“ heißt für einen ernsthaften Dichter unserer Zeit ppe_268.002
wie E. G. Kolbenheyer „eine Monstrosität, die heute kein vernünftiger ppe_268.003
Mensch auszulesen imstande ist“.

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Zitationshilfe: Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/292>, abgerufen am 25.11.2024.