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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944.

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wenn am Schluß der "Medea" der ungetreue Jason zur härtesten ppe_239.002
Strafe, zu der des Weiterlebens, verurteilt wird. Die ganzen Fragen ppe_239.003
der tragischen Schuld und der poetischen Gerechtigkeit bedeuten ppe_239.004
weniger ästhetische als weltanschauliche Postulate, bei denen Wirkung ppe_239.005
und Erfolg auch vom Einvernehmen mit den herrschenden Anschauungen ppe_239.006
eines Kulturkreises und eines Zeitalters, eines Volkes und einer ppe_239.007
das Publikum bildenden Gesellschaftsschicht nicht unabhängig sind.

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b) Problemstellung

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Der bisherige Weg der Analyse führt bereits an mehreren Stellen ppe_239.010
auf den Begriff des Problems als Kern der Dichtung hin: sowohl bei ppe_239.011
der Fabel und ihren Motiven als bei den Charakteren und ihrer ppe_239.012
Psychologie erwies sich die Problemstellung als das Verbindungsglied ppe_239.013
der Kette, in der diese Elemente mit der das Ganze beherrschenden ppe_239.014
Idee verknüpft sind. Jedes Problem bedeutet eine Fragestellung, die ppe_239.015
in der Idee ihre Beantwortung finden muß, und eine Idee kann ppe_239.016
zur dichterischen Gestaltung gelangen nur in der Lösung von ppe_239.017
Problemen. Wenn der dichterischen Idee selbst eine Polarität zugeschrieben ppe_239.018
wird, wie es durch Ermatinger geschieht, so weist diese ppe_239.019
Spannung entgegengesetzter Begriffe vielmehr auf ein zugrunde ppe_239.020
liegendes Problem, das nach Lösung verlangt, zurück. Wenn andere ppe_239.021
wiederum in Freiheit und Unsterblichkeit keine Ideen, sondern ppe_239.022
Probleme sehen wollen, so rechtfertigt sich dieser Brauch nur, solange ppe_239.023
Antithesen wie zwingende Notwendigkeit oder ewiger Tod der ppe_239.024
Freiheit und Unsterblichkeit gegenüberstehen. Von den Problemen ppe_239.025
gilt, was Jaspers als "antinomische Struktur des Daseins" an den sogenannten ppe_239.026
"Grenzsituationen" aufgezeigt: "In jedem der Fälle: Kampf, ppe_239.027
Tod, Zufall, Schuld liegt eine Antinomie zugrunde. Kampf und gegenseitige ppe_239.028
Hilfe, Leben und Tod, Zufall und Sinn, Schuld und Entsündigungsbewußtsein ppe_239.029
sind aneinander gebunden; das eine existiert nicht ppe_239.030
ohne das andere." Immer liegt im Problem ein Entweder-Oder, gleichviel ppe_239.031
ob es sich um Fragen praktischer Lebensgestaltung oder theoretischer ppe_239.032
Erkenntnis, um ethische Grundsätze, Menschendeutung, ppe_239.033
letzte weltanschauliche Entscheidungen oder metaphysische Wahrheiten ppe_239.034
handelt.

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Die Problemspannung kann das Erlebnis des Dichters gewesen sein, ppe_239.036
von dem die Aneignung des ganzen Stoffes und die ganze Konzeption ppe_239.037
des Werkes ihren Ausgang nahm. Wenn beispielsweise Rousseaus ppe_239.038
Denkwürdigkeiten den Plutarch rühmten, weil er nur große Tugendhafte ppe_239.039
oder erhabene Verbrecher darstellte, und in diesem Zusammenhang

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Die Problemspannung kann das Erlebnis des Dichters gewesen sein, ppe_239.036
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Zitationshilfe: Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/263>, abgerufen am 22.11.2024.