ppe_235.001 Epikuräer, um an der Echtheit der eingenommenen Haltung ppe_235.002 zu zweifeln. Man wird sie deshalb nicht geradezu verlogen ppe_235.003 nennen dürfen, denn sie gehört wie der Stil zur Haltung der Zeit ppe_235.004 und ist bei anderen Dichtern, wie z. B. Andreas Gryphius, innerlich ppe_235.005 erlebt.
ppe_235.006 Wenn, um ein anderes Beispiel zu nennen, Detlev von Liliencron ppe_235.007 einmal in dem Gedicht "Betrunken", das trotz seiner Erlebtheit nicht ppe_235.008 zu den besten gehört, den abgegriffenen Metaphernschwall parodiert:
ppe_235.009
Die Welt ist das Tal der Küsse, ppe_235.010 Die Welt ist der Berg des Kummers, ppe_235.011 Die Welt ist das Wasser der Flüssigkeit, ppe_235.012 Die Welt ist die Luft des Unsinns,
ppe_235.013
so stellt sich das heulende Elend des Rausches dar als naturalistisches ppe_235.014 Gegenbild der sinnlichen Weltfreude, von der der impressionistische ppe_235.015 Dichter sonst beherrscht ist. Man hat, wie es beispielsweise durch ppe_235.016 Ermatinger geschehen ist, in der ideellen Leere Liliencronscher Stimmungslyrik ppe_235.017 ein künstlerisches Manko erblicken wollen; trotzdem wird ppe_235.018 der dem Idealismus abgewandten Haltung der Charakter eines Weltbildes ppe_235.019 nicht abzustreiten sein. Nicht anders ist es bei Th. Fontane, ppe_235.020 der einmal aussprach: "Man kann seinen Pessimismus auch in rot, ppe_235.021 ja in zeisiggrün kleiden. Mehr, man kann auch wirklich dabei heiter ppe_235.022 werden, vorausgesetzt, daß man ein glückliches Temperament hat."
ppe_235.023 Gedankendichtungen können verschiedenartige weltanschauliche ppe_235.024 Haltungen antithetisch nebeneinander stellen, wie es Schiller mit den ppe_235.025 "Worten des Wahns" und den "Worten des Glaubens" tat. Rudolf ppe_235.026 Unger konnte darin eine Illustration der Diltheyschen Weltanschauungstypen ppe_235.027 erblicken und das eine Gedicht als Glaubensbekenntnis des ppe_235.028 objektiven Idealismus, das andere als das des Idealismus der Freiheit ppe_235.029 erklären. Immerhin verraten schon die Überschriften und noch mehr ppe_235.030 die im einen Fall warnende, im andern Fall preisende Haltung des ppe_235.031 Dichters, zu welcher Weltanschauung er sich selbst bekannte.
ppe_235.032 Bei zusammenprallenden Weltanschauungsgegensätzen im Drama ppe_235.033 braucht dagegen die Haltung des Dichters nicht klar erkennbar zu ppe_235.034 sein; ja, es ist die Frage, ob sie anders als durch das Geschehen ppe_235.035 selbst ausgesprochen werden sollte. Oft muß die Weltanschauung des ppe_235.036 Gegenspielers als Motivierung seiner Handlungen bestimmter zur Aussprache ppe_235.037 gebracht werden, als die des Helden, selbst wenn diese mit ppe_235.038 der des Dichters übereinstimmt. In den "Räubern" entwickelt Franz ppe_235.039 Moor sein materialistisches System in folgerichtigeren Gedankenreihen ppe_235.040 als Karl Moor sein Gefühlsleben; in der "Jungfrau von Orleans" gibt
ppe_235.001 Epikuräer, um an der Echtheit der eingenommenen Haltung ppe_235.002 zu zweifeln. Man wird sie deshalb nicht geradezu verlogen ppe_235.003 nennen dürfen, denn sie gehört wie der Stil zur Haltung der Zeit ppe_235.004 und ist bei anderen Dichtern, wie z. B. Andreas Gryphius, innerlich ppe_235.005 erlebt.
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Die Welt ist das Tal der Küsse, ppe_235.010 Die Welt ist der Berg des Kummers, ppe_235.011 Die Welt ist das Wasser der Flüssigkeit, ppe_235.012 Die Welt ist die Luft des Unsinns,
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ppe_235.032 Bei zusammenprallenden Weltanschauungsgegensätzen im Drama ppe_235.033 braucht dagegen die Haltung des Dichters nicht klar erkennbar zu ppe_235.034 sein; ja, es ist die Frage, ob sie anders als durch das Geschehen ppe_235.035 selbst ausgesprochen werden sollte. Oft muß die Weltanschauung des ppe_235.036 Gegenspielers als Motivierung seiner Handlungen bestimmter zur Aussprache ppe_235.037 gebracht werden, als die des Helden, selbst wenn diese mit ppe_235.038 der des Dichters übereinstimmt. In den „Räubern“ entwickelt Franz ppe_235.039 Moor sein materialistisches System in folgerichtigeren Gedankenreihen ppe_235.040 als Karl Moor sein Gefühlsleben; in der „Jungfrau von Orleans“ gibt
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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/259>, abgerufen am 22.11.2024.
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