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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944.

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wie sie in den Handlungen des Menschen gegeben sind, sich in ppe_232.002
Widerspruch setzten. So kann auch der Stil keineswegs als das einzige ppe_232.003
ausschlaggebende Charakter- und Weltanschauungskriterium betrachtet ppe_232.004
werden; man wird vielmehr der mitttelbaren Aussprache in der Dichtung ppe_232.005
mehr Bedeutung beimessen und erst danach die Übereinstimmung ppe_232.006
zwischen mittelbarer und unmittelbarer Selbstoffenbarung erkennen.

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8. Sechste Stufe: Das Persönliche
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a) Weltanschauliche Haltung

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Zwischen Weltanschauung und Stilrichtung besteht eine Beziehung, ppe_232.010
die man beinahe als psychophysischen Parallelismus bezeichnen ppe_232.011
könnte, wenn man in der Weltanschauung eines Dichters die Seele ppe_232.012
seines Stils, im Stil eine Verkörperung seiner Weltanschauung erblicken ppe_232.013
will. Stilbezeichnungen wie Naturalismus, Realismus, Romantik ppe_232.014
oder Mystik haben gleiche Geltung als Benennung von Weltanschauungen. ppe_232.015
Beides entfaltet sich für ein Stück des Weges in ppe_232.016
gleicher Stufenfolge zu gleichartigen Einheitsbildungen: man kann ppe_232.017
wie vom Stil, so auch von der typischen Weltanschauung einer Rasse, ppe_232.018
einer Nation, eines Stammes, aber auch von der eines Zeitalters, ppe_232.019
einer Periode, einer Generation sprechen. Nur endet die absteigende ppe_232.020
Reihe hier beim Individuum; man kann im allgemeinen nicht von der ppe_232.021
Weltanschauung eines Werkes sprechen. Es bleibt auch zweifelhaft, ppe_232.022
ob mit dem Wandel des Stils die wechselnden Weltanschauungen verschiedener ppe_232.023
Altersstufen zu erfassen sind, da solche Änderung der Haltung ppe_232.024
und Richtung noch keine feste Prägung bedeutet. Diese ist vielmehr ppe_232.025
erst eine Gabe der Reife. Jugendliche Weltanschauungsbekenntnisse ppe_232.026
gehen meist mit der Zeit und schließen sich, auch wenn sie ppe_232.027
revolutionär sind, einem bahnbrechenden Wecker und Künder an. Je ppe_232.028
schneller sie wechseln, desto weniger ist es möglich, jedes einzelne ppe_232.029
Werk als Ausdruck einer bestimmten, im Lebenskampf gewonnenen ppe_232.030
und unabänderlich feststehenden Überzeugung aufzufassen, wie wir sie ppe_232.031
unter Weltanschauung verstehen.

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Die Analyse trifft auf ein ausgesprochenes Bekenntnis nur da, wo ppe_232.033
die Absicht dazu besteht, als vornehmlich bei religiösen und philosophischen ppe_232.034
Dichtungen, oder da, wo subjektives oder objektives Ringen ppe_232.035
um ein Weltbild das eigene Thema der Dichtung ist, wie beim ppe_232.036
Bildungsroman oder im Ideendrama. Je nachdem, ob es als subjektiv

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[232/0256] ppe_232.001 wie sie in den Handlungen des Menschen gegeben sind, sich in ppe_232.002 Widerspruch setzten. So kann auch der Stil keineswegs als das einzige ppe_232.003 ausschlaggebende Charakter- und Weltanschauungskriterium betrachtet ppe_232.004 werden; man wird vielmehr der mitttelbaren Aussprache in der Dichtung ppe_232.005 mehr Bedeutung beimessen und erst danach die Übereinstimmung ppe_232.006 zwischen mittelbarer und unmittelbarer Selbstoffenbarung erkennen. ppe_232.007 8. Sechste Stufe: Das Persönliche ppe_232.008 a) Weltanschauliche Haltung ppe_232.009 Zwischen Weltanschauung und Stilrichtung besteht eine Beziehung, ppe_232.010 die man beinahe als psychophysischen Parallelismus bezeichnen ppe_232.011 könnte, wenn man in der Weltanschauung eines Dichters die Seele ppe_232.012 seines Stils, im Stil eine Verkörperung seiner Weltanschauung erblicken ppe_232.013 will. Stilbezeichnungen wie Naturalismus, Realismus, Romantik ppe_232.014 oder Mystik haben gleiche Geltung als Benennung von Weltanschauungen. ppe_232.015 Beides entfaltet sich für ein Stück des Weges in ppe_232.016 gleicher Stufenfolge zu gleichartigen Einheitsbildungen: man kann ppe_232.017 wie vom Stil, so auch von der typischen Weltanschauung einer Rasse, ppe_232.018 einer Nation, eines Stammes, aber auch von der eines Zeitalters, ppe_232.019 einer Periode, einer Generation sprechen. Nur endet die absteigende ppe_232.020 Reihe hier beim Individuum; man kann im allgemeinen nicht von der ppe_232.021 Weltanschauung eines Werkes sprechen. Es bleibt auch zweifelhaft, ppe_232.022 ob mit dem Wandel des Stils die wechselnden Weltanschauungen verschiedener ppe_232.023 Altersstufen zu erfassen sind, da solche Änderung der Haltung ppe_232.024 und Richtung noch keine feste Prägung bedeutet. Diese ist vielmehr ppe_232.025 erst eine Gabe der Reife. Jugendliche Weltanschauungsbekenntnisse ppe_232.026 gehen meist mit der Zeit und schließen sich, auch wenn sie ppe_232.027 revolutionär sind, einem bahnbrechenden Wecker und Künder an. Je ppe_232.028 schneller sie wechseln, desto weniger ist es möglich, jedes einzelne ppe_232.029 Werk als Ausdruck einer bestimmten, im Lebenskampf gewonnenen ppe_232.030 und unabänderlich feststehenden Überzeugung aufzufassen, wie wir sie ppe_232.031 unter Weltanschauung verstehen. ppe_232.032 Die Analyse trifft auf ein ausgesprochenes Bekenntnis nur da, wo ppe_232.033 die Absicht dazu besteht, als vornehmlich bei religiösen und philosophischen ppe_232.034 Dichtungen, oder da, wo subjektives oder objektives Ringen ppe_232.035 um ein Weltbild das eigene Thema der Dichtung ist, wie beim ppe_232.036 Bildungsroman oder im Ideendrama. Je nachdem, ob es als subjektiv

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Zitationshilfe: Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/256>, abgerufen am 22.11.2024.