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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944.

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womit eine bestimmte Ausdrucksmöglichkeit bezweckt wird. Man ppe_215.002
wird kaum dazu gelangen, die einzelne Metapher als barock, jede ppe_215.003
einzelne Interjektion oder jede Hyperbel als expressionistisch, den ppe_215.004
einzelnen Farbeneindruck als impressionistisch, das einzelne Anakoluth ppe_215.005
als naturalistisch, die einzelne Sentenz als klassisch, das einzelne ppe_215.006
Oxymoron als lateinisch, die einzelne Antithese als französisch, den ppe_215.007
einmaligen Parallelismus als biblisch, das einzelne Wortspiel als ppe_215.008
Shakespearisch, die einzelne Inversion als Kleistisch zu empfinden, ppe_215.009
sondern erst in der Wiederholung derselben Erscheinung und in ihrer ppe_215.010
Häufung entsteht der Eindruck eines bestimmten Stiles, der zugleich ppe_215.011
eine Aussage bedeutet über die Wesensart des Menschen, der ihn gebraucht ppe_215.012
und in ihm sich ausprägt. [Annotation]

Zu dieser Wesenserkenntnis kann ppe_215.013
der Vergleich mit andersartiger Ausdrucksweise als Erscheinungsform ppe_215.014
einer verschiedenartigen Existenz ein vorzügliches Hilfsmittel gewähren, ppe_215.015
aber die einmalige Gegenüberstellung kann immer nur einzelne ppe_215.016
verschiedenartige Charakterzüge in Gefühlseindruck und Urteil festlegen.

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Um zu bündigen Urteilen über den charakterologischen und ästhetischen ppe_215.019
Stileindruck zu gelangen, muß man die verschiedenartigsten ppe_215.020
Möglichkeiten sprachlicher Formung überblicken; andererseits kann ppe_215.021
man sich keineswegs mit Registrierung der Formen begnügen, wenn ppe_215.022
man zu den seelischen Ausdruckswerten vordringen will. Die Wechselwirkung ppe_215.023
zwischen Ausdrucksform und Ausdrucksinhalt zu erhellen, ppe_215.024
ist also die eigentliche Aufgabe der Stilforschung. Dabei ist das, was ppe_215.025
als Stil, als Ausprägung eines Charakters erkannt werden soll, immer ppe_215.026
ein Verhältnis mannigfaltigster Einzelheiten sowohl untereinander ppe_215.027
als zum Ganzen. Das Ganze aber enthält, auch wenn es dank des ppe_215.028
Zusammenhanges aller Teile als organische Einheit betrachtet wird, ppe_215.029
so Vielfältiges, daß es nie und nimmer durch eine einzige Eigenschaft, ppe_215.030
sei es auch die am meisten hervortretende, zu charakterisieren ist.

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Ohne jeden Anspruch auf vollständige Lösung der Aufgabe, sondern ppe_215.032
mehr als Versuchsmodell soll folgendes Schema das Gegeneinanderweben ppe_215.033
von Form und Gehalt veranschaulichen, wobei zehn der gebräuchlichsten ppe_215.034
Gegensatzpaare des Eindrucks (unter Benutzung der ppe_215.035
von Johannes Volkelt, Wilhelm Schneider und anderen registrierten ppe_215.036
Polaritäten) mit den sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten zur Kreuzung ppe_215.037
gebracht sind. Diese grammatischen Kategorien sind, um die ppe_215.038
stufenmäßige Anschwellung von beiden Seiten her sichtbar zu machen, ppe_215.039
doppelt registriert, so daß jede Erscheinungsform in ein eigenes Feld ppe_215.040
eingetragen werden kann und das Ganze als eine von Schrift zu Aufbau ppe_215.041
aufsteigende Doppeltreppe erscheint:

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womit eine bestimmte Ausdrucksmöglichkeit bezweckt wird. Man ppe_215.002
wird kaum dazu gelangen, die einzelne Metapher als barock, jede ppe_215.003
einzelne Interjektion oder jede Hyperbel als expressionistisch, den ppe_215.004
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und in ihm sich ausprägt. [Annotation]

Zu dieser Wesenserkenntnis kann ppe_215.013
der Vergleich mit andersartiger Ausdrucksweise als Erscheinungsform ppe_215.014
einer verschiedenartigen Existenz ein vorzügliches Hilfsmittel gewähren, ppe_215.015
aber die einmalige Gegenüberstellung kann immer nur einzelne ppe_215.016
verschiedenartige Charakterzüge in Gefühlseindruck und Urteil festlegen.

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Um zu bündigen Urteilen über den charakterologischen und ästhetischen ppe_215.019
Stileindruck zu gelangen, muß man die verschiedenartigsten ppe_215.020
Möglichkeiten sprachlicher Formung überblicken; andererseits kann ppe_215.021
man sich keineswegs mit Registrierung der Formen begnügen, wenn ppe_215.022
man zu den seelischen Ausdruckswerten vordringen will. Die Wechselwirkung ppe_215.023
zwischen Ausdrucksform und Ausdrucksinhalt zu erhellen, ppe_215.024
ist also die eigentliche Aufgabe der Stilforschung. Dabei ist das, was ppe_215.025
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als zum Ganzen. Das Ganze aber enthält, auch wenn es dank des ppe_215.028
Zusammenhanges aller Teile als organische Einheit betrachtet wird, ppe_215.029
so Vielfältiges, daß es nie und nimmer durch eine einzige Eigenschaft, ppe_215.030
sei es auch die am meisten hervortretende, zu charakterisieren ist.

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Ohne jeden Anspruch auf vollständige Lösung der Aufgabe, sondern ppe_215.032
mehr als Versuchsmodell soll folgendes Schema das Gegeneinanderweben ppe_215.033
von Form und Gehalt veranschaulichen, wobei zehn der gebräuchlichsten ppe_215.034
Gegensatzpaare des Eindrucks (unter Benutzung der ppe_215.035
von Johannes Volkelt, Wilhelm Schneider und anderen registrierten ppe_215.036
Polaritäten) mit den sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten zur Kreuzung ppe_215.037
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[215/0239] ppe_215.001 womit eine bestimmte Ausdrucksmöglichkeit bezweckt wird. Man ppe_215.002 wird kaum dazu gelangen, die einzelne Metapher als barock, jede ppe_215.003 einzelne Interjektion oder jede Hyperbel als expressionistisch, den ppe_215.004 einzelnen Farbeneindruck als impressionistisch, das einzelne Anakoluth ppe_215.005 als naturalistisch, die einzelne Sentenz als klassisch, das einzelne ppe_215.006 Oxymoron als lateinisch, die einzelne Antithese als französisch, den ppe_215.007 einmaligen Parallelismus als biblisch, das einzelne Wortspiel als ppe_215.008 Shakespearisch, die einzelne Inversion als Kleistisch zu empfinden, ppe_215.009 sondern erst in der Wiederholung derselben Erscheinung und in ihrer ppe_215.010 Häufung entsteht der Eindruck eines bestimmten Stiles, der zugleich ppe_215.011 eine Aussage bedeutet über die Wesensart des Menschen, der ihn gebraucht ppe_215.012 und in ihm sich ausprägt. Zu dieser Wesenserkenntnis kann ppe_215.013 der Vergleich mit andersartiger Ausdrucksweise als Erscheinungsform ppe_215.014 einer verschiedenartigen Existenz ein vorzügliches Hilfsmittel gewähren, ppe_215.015 aber die einmalige Gegenüberstellung kann immer nur einzelne ppe_215.016 verschiedenartige Charakterzüge in Gefühlseindruck und Urteil festlegen. ppe_215.017 ppe_215.018 Um zu bündigen Urteilen über den charakterologischen und ästhetischen ppe_215.019 Stileindruck zu gelangen, muß man die verschiedenartigsten ppe_215.020 Möglichkeiten sprachlicher Formung überblicken; andererseits kann ppe_215.021 man sich keineswegs mit Registrierung der Formen begnügen, wenn ppe_215.022 man zu den seelischen Ausdruckswerten vordringen will. Die Wechselwirkung ppe_215.023 zwischen Ausdrucksform und Ausdrucksinhalt zu erhellen, ppe_215.024 ist also die eigentliche Aufgabe der Stilforschung. Dabei ist das, was ppe_215.025 als Stil, als Ausprägung eines Charakters erkannt werden soll, immer ppe_215.026 ein Verhältnis mannigfaltigster Einzelheiten sowohl untereinander ppe_215.027 als zum Ganzen. Das Ganze aber enthält, auch wenn es dank des ppe_215.028 Zusammenhanges aller Teile als organische Einheit betrachtet wird, ppe_215.029 so Vielfältiges, daß es nie und nimmer durch eine einzige Eigenschaft, ppe_215.030 sei es auch die am meisten hervortretende, zu charakterisieren ist. ppe_215.031 Ohne jeden Anspruch auf vollständige Lösung der Aufgabe, sondern ppe_215.032 mehr als Versuchsmodell soll folgendes Schema das Gegeneinanderweben ppe_215.033 von Form und Gehalt veranschaulichen, wobei zehn der gebräuchlichsten ppe_215.034 Gegensatzpaare des Eindrucks (unter Benutzung der ppe_215.035 von Johannes Volkelt, Wilhelm Schneider und anderen registrierten ppe_215.036 Polaritäten) mit den sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten zur Kreuzung ppe_215.037 gebracht sind. Diese grammatischen Kategorien sind, um die ppe_215.038 stufenmäßige Anschwellung von beiden Seiten her sichtbar zu machen, ppe_215.039 doppelt registriert, so daß jede Erscheinungsform in ein eigenes Feld ppe_215.040 eingetragen werden kann und das Ganze als eine von Schrift zu Aufbau ppe_215.041 aufsteigende Doppeltreppe erscheint:

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Zitationshilfe: Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/239>, abgerufen am 27.11.2024.