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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944.

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Wie die Kunstgeschichte, auch wenn sie Wölfflins Ergebnisse zur ppe_212.002
Charakteristik des einmaligen Übergangs übernimmt, an dem mehrschichtigen ppe_212.003
Aufbau geschichtlicher Stilperioden festzuhalten hat, ppe_212.004
ebenso bleibt für die Literaturgeschichte die Notwendigkeit der geschichtlichen ppe_212.005
Gliederung und der Einordnung jedes Einzelwerkes in ppe_212.006
eine Stilkategorie. Nach dem unzulänglichen Versuch einer "Geschichte ppe_212.007
des deutschen Stils in Einzelbildern", den E. Hoffmann- ppe_212.008
Krayer 1925 vorlegte, hat Emil Ermatinger ein Jahr später die Aufgabe ppe_212.009
in Angriff genommen, für vier aufeinander folgende Stilperioden ppe_212.010
der deutschen Literaturgeschichte Charakteristiken zu schaffen; der ppe_212.011
Barockstil wäre demnach als Ausdruck der Spannung zwischen natürlicher ppe_212.012
Weltfreude und kirchlich verkündeter Weltverachtung zu ppe_212.013
erfassen, der Rokokostil als Richtung eines vernünftigen Realismus; ppe_212.014
die Einheit von Sturm und Drang, Klassik und Romantik wäre unter ppe_212.015
dem Gesichtspunkt der Symbolik zu verstehen, und für das folgende ppe_212.016
Zeitalter böte sich die Benennung Realismus. Das ist eine geistesgeschichtliche ppe_212.017
Periodisierung, die Sinn und Geisteshaltung jeder ppe_212.018
Periode als Voraussetzung ihres Stils bestimmt, aber über diesen ppe_212.019
selbst so gut wie nichts aussagt; alle sprachlichen Stilsymptome, die ppe_212.020
auf dem eingleisigen Wege zusammenkamen, bleiben unbeachtet und ppe_212.021
gelangen nicht zur Einordnung in diese Sinngebung. Es ist ein Schnellzugsverkehr, ppe_212.022
der alle kleinen Stationen durchrast.

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Eine andere Art mehrgleisiger Ordnung beruht auf der Theorie ppe_212.024
zeitloser Typen, wie sie in Diltheys Weltanschauungslehre und geistesgeschichtlicher ppe_212.025
Psychologie zunächst nur zur Gruppierung der philosophischen ppe_212.026
Systeme bestimmt war. Von Diltheys Schülern, namentlich ppe_212.027
von Hermann Nohl, wurden die drei Typen des Naturalismus, objektiven ppe_212.028
Idealismus und Idealismus der Freiheit auch auf die Künste ppe_212.029
angewandt, wobei sich sogar eine Verbindung mit der musikalischen ppe_212.030
und sprachlichen Typenlehre von Josef und Otmar Rutz, Eduard ppe_212.031
Sievers und Gustav Becking ergeben konnte. Eduard Spranger ppe_212.032
wiederum hat in seinen "Lebensformen" sechs ideelle Grundtypen der ppe_212.033
Individualität geschieden, und dem ästhetischen Menschen, der unter ppe_212.034
ihnen eine eigene Klasse bildet, drei Erscheinungsweisen zugesprochen: ppe_212.035
die des objektiven Eindrucksmenschen, die des subjektiven Ausdrucksmenschen ppe_212.036
und die des klassischen Menschen von innerer Form, bei ppe_212.037
dem Eindruck und eigene Gefühlswelt zum Gleichgewicht kommen.

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Zur Frage der dichterischen Weltanschauungstypen wird uns das ppe_212.039
zweite Buch führen. Hier ist nur noch eine der vielen Weiterbildungen ppe_212.040
zu besprechen, nämlich das Kompromiß, durch das Oskar Walzel ppe_212.041
einen Einklang zwischen Dilthey und Wölfflin herzustellen suchte, um

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wiederum hat in seinen „Lebensformen“ sechs ideelle Grundtypen der ppe_212.033
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[212/0236] ppe_212.001 Wie die Kunstgeschichte, auch wenn sie Wölfflins Ergebnisse zur ppe_212.002 Charakteristik des einmaligen Übergangs übernimmt, an dem mehrschichtigen ppe_212.003 Aufbau geschichtlicher Stilperioden festzuhalten hat, ppe_212.004 ebenso bleibt für die Literaturgeschichte die Notwendigkeit der geschichtlichen ppe_212.005 Gliederung und der Einordnung jedes Einzelwerkes in ppe_212.006 eine Stilkategorie. Nach dem unzulänglichen Versuch einer „Geschichte ppe_212.007 des deutschen Stils in Einzelbildern“, den E. Hoffmann- ppe_212.008 Krayer 1925 vorlegte, hat Emil Ermatinger ein Jahr später die Aufgabe ppe_212.009 in Angriff genommen, für vier aufeinander folgende Stilperioden ppe_212.010 der deutschen Literaturgeschichte Charakteristiken zu schaffen; der ppe_212.011 Barockstil wäre demnach als Ausdruck der Spannung zwischen natürlicher ppe_212.012 Weltfreude und kirchlich verkündeter Weltverachtung zu ppe_212.013 erfassen, der Rokokostil als Richtung eines vernünftigen Realismus; ppe_212.014 die Einheit von Sturm und Drang, Klassik und Romantik wäre unter ppe_212.015 dem Gesichtspunkt der Symbolik zu verstehen, und für das folgende ppe_212.016 Zeitalter böte sich die Benennung Realismus. Das ist eine geistesgeschichtliche ppe_212.017 Periodisierung, die Sinn und Geisteshaltung jeder ppe_212.018 Periode als Voraussetzung ihres Stils bestimmt, aber über diesen ppe_212.019 selbst so gut wie nichts aussagt; alle sprachlichen Stilsymptome, die ppe_212.020 auf dem eingleisigen Wege zusammenkamen, bleiben unbeachtet und ppe_212.021 gelangen nicht zur Einordnung in diese Sinngebung. Es ist ein Schnellzugsverkehr, ppe_212.022 der alle kleinen Stationen durchrast. ppe_212.023 Eine andere Art mehrgleisiger Ordnung beruht auf der Theorie ppe_212.024 zeitloser Typen, wie sie in Diltheys Weltanschauungslehre und geistesgeschichtlicher ppe_212.025 Psychologie zunächst nur zur Gruppierung der philosophischen ppe_212.026 Systeme bestimmt war. Von Diltheys Schülern, namentlich ppe_212.027 von Hermann Nohl, wurden die drei Typen des Naturalismus, objektiven ppe_212.028 Idealismus und Idealismus der Freiheit auch auf die Künste ppe_212.029 angewandt, wobei sich sogar eine Verbindung mit der musikalischen ppe_212.030 und sprachlichen Typenlehre von Josef und Otmar Rutz, Eduard ppe_212.031 Sievers und Gustav Becking ergeben konnte. Eduard Spranger ppe_212.032 wiederum hat in seinen „Lebensformen“ sechs ideelle Grundtypen der ppe_212.033 Individualität geschieden, und dem ästhetischen Menschen, der unter ppe_212.034 ihnen eine eigene Klasse bildet, drei Erscheinungsweisen zugesprochen: ppe_212.035 die des objektiven Eindrucksmenschen, die des subjektiven Ausdrucksmenschen ppe_212.036 und die des klassischen Menschen von innerer Form, bei ppe_212.037 dem Eindruck und eigene Gefühlswelt zum Gleichgewicht kommen. ppe_212.038 Zur Frage der dichterischen Weltanschauungstypen wird uns das ppe_212.039 zweite Buch führen. Hier ist nur noch eine der vielen Weiterbildungen ppe_212.040 zu besprechen, nämlich das Kompromiß, durch das Oskar Walzel ppe_212.041 einen Einklang zwischen Dilthey und Wölfflin herzustellen suchte, um

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Zitationshilfe: Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/236>, abgerufen am 24.11.2024.