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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944.

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Ausdruck kommt, wo die persönlichsten Gedanken und Leidenschaften ppe_195.002
in Worte gebracht sind. Die Ermittlung des persönlichen Rhythmus ppe_195.003
ist Gegenstand vieler psychologischer Untersuchungen gewesen, ppe_195.004
die sich zum Teil mit einfacher Abzählung von Hebungen und Senkungen ppe_195.005
und mit der Statistik der dabei beobachteten Erscheinungen ppe_195.006
begnügten. Über dieses mechanische Verfahren, das in subjektiver ppe_195.007
Vortragsweise keine ganz gesicherte Grundlage findet und in der ppe_195.008
bloßen Statistik zu keiner Verlebendigung zu gelangen vermag, sind ppe_195.009
neuere Versuche, unter denen Dietrich Seckels Untersuchung über ppe_195.010
Hölderlins Rhythmus hervorgehoben werden muß, in der Zielsetzung ppe_195.011
hinausgekommen.

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Ein noch unaufgehelltes Problem liegt im Zusammenhang zwischen ppe_195.013
dem Rhythmus des einzelnen Satzes und dem der ganzen Persönlichkeit, ppe_195.014
der auch in den größeren Aufbauformen des Kunstwerkes ppe_195.015
seinen Ausdruck findet. Was dem einzelnen Satz rhythmisches Gepräge ppe_195.016
gibt, setzt sich fort in der Bindung von Perioden, in dem Aufbau ppe_195.017
von Strophen, Kapiteln und Akten und in der harmonischen ppe_195.018
Gliederung des Ganzen, die dem Ausdruck einer Idee sich anpaßt. Im ppe_195.019
Hinblick auf diese Erscheinungen gehört der Rhythmus als Element ppe_195.020
unwillkürlicher Formgebung bereits zum Gegenstand der Stilbeobachtung.

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7. Der Stil
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a) Begriffliche Grundlagen der Stilforschung

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Der Stil ist die zugänglichste Schauseite des Werkes, die durch ppe_195.025
viele kleine Fenster von außen her Einblick verrät in das Innere. ppe_195.026
Das weiteste Feld literarischer Untersuchung liegt in der Stilanalyse; ppe_195.027
sie ist die Analyse schlechthin oder die Analyse in zweiter Potenz, ppe_195.028
weil das, was ein analysierbares Element des ganzen Werkes bildet, ppe_195.029
nun wieder in einzelne Atome zerlegt wird, die in ihrem Verhältnis ppe_195.030
zueinander ein Ganzes ausmachen. Deshalb bedarf Begriffliches, Geschichtliches ppe_195.031
und Methodisches in diesem Abschnitt sorgfältiger ppe_195.032
Klärung und eines weiteren Ausholens. Wir widmen dem Stil einen ppe_195.033
eigenen Abschnitt und trennen ihn vorerst von den anderen beiden ppe_195.034
Elementen der sechsten Stufe, der weltanschaulichen Haltung und den ppe_195.035
Problemen. Auch müssen wir, um die Methoden der Stilforschung ppe_195.036
in größerem Umfange zu besprechen, von der durchgehenden Beschränkung ppe_195.037
auf die Analyse des Einzelwerkes absehen.

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Von der Technik als bewußter Formgebung, die durch überlegte ppe_195.039
Wirkungsberechnung geleitet wird, unterscheidet sich der Stil als unwillkürliche

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7. Der Stil
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Der Stil ist die zugänglichste Schauseite des Werkes, die durch ppe_195.025
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auf die Analyse des Einzelwerkes absehen.

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[195/0219] ppe_195.001 Ausdruck kommt, wo die persönlichsten Gedanken und Leidenschaften ppe_195.002 in Worte gebracht sind. Die Ermittlung des persönlichen Rhythmus ppe_195.003 ist Gegenstand vieler psychologischer Untersuchungen gewesen, ppe_195.004 die sich zum Teil mit einfacher Abzählung von Hebungen und Senkungen ppe_195.005 und mit der Statistik der dabei beobachteten Erscheinungen ppe_195.006 begnügten. Über dieses mechanische Verfahren, das in subjektiver ppe_195.007 Vortragsweise keine ganz gesicherte Grundlage findet und in der ppe_195.008 bloßen Statistik zu keiner Verlebendigung zu gelangen vermag, sind ppe_195.009 neuere Versuche, unter denen Dietrich Seckels Untersuchung über ppe_195.010 Hölderlins Rhythmus hervorgehoben werden muß, in der Zielsetzung ppe_195.011 hinausgekommen. ppe_195.012 Ein noch unaufgehelltes Problem liegt im Zusammenhang zwischen ppe_195.013 dem Rhythmus des einzelnen Satzes und dem der ganzen Persönlichkeit, ppe_195.014 der auch in den größeren Aufbauformen des Kunstwerkes ppe_195.015 seinen Ausdruck findet. Was dem einzelnen Satz rhythmisches Gepräge ppe_195.016 gibt, setzt sich fort in der Bindung von Perioden, in dem Aufbau ppe_195.017 von Strophen, Kapiteln und Akten und in der harmonischen ppe_195.018 Gliederung des Ganzen, die dem Ausdruck einer Idee sich anpaßt. Im ppe_195.019 Hinblick auf diese Erscheinungen gehört der Rhythmus als Element ppe_195.020 unwillkürlicher Formgebung bereits zum Gegenstand der Stilbeobachtung. ppe_195.021 ppe_195.022 7. Der Stil ppe_195.023 a) Begriffliche Grundlagen der Stilforschung ppe_195.024 Der Stil ist die zugänglichste Schauseite des Werkes, die durch ppe_195.025 viele kleine Fenster von außen her Einblick verrät in das Innere. ppe_195.026 Das weiteste Feld literarischer Untersuchung liegt in der Stilanalyse; ppe_195.027 sie ist die Analyse schlechthin oder die Analyse in zweiter Potenz, ppe_195.028 weil das, was ein analysierbares Element des ganzen Werkes bildet, ppe_195.029 nun wieder in einzelne Atome zerlegt wird, die in ihrem Verhältnis ppe_195.030 zueinander ein Ganzes ausmachen. Deshalb bedarf Begriffliches, Geschichtliches ppe_195.031 und Methodisches in diesem Abschnitt sorgfältiger ppe_195.032 Klärung und eines weiteren Ausholens. Wir widmen dem Stil einen ppe_195.033 eigenen Abschnitt und trennen ihn vorerst von den anderen beiden ppe_195.034 Elementen der sechsten Stufe, der weltanschaulichen Haltung und den ppe_195.035 Problemen. Auch müssen wir, um die Methoden der Stilforschung ppe_195.036 in größerem Umfange zu besprechen, von der durchgehenden Beschränkung ppe_195.037 auf die Analyse des Einzelwerkes absehen. ppe_195.038 Von der Technik als bewußter Formgebung, die durch überlegte ppe_195.039 Wirkungsberechnung geleitet wird, unterscheidet sich der Stil als unwillkürliche

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Zitationshilfe: Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/219>, abgerufen am 24.11.2024.