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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944.

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Durch Kreuzung formaler und thematischer Kategorien werden über ppe_176.002
500 verschiedene Erscheinungsformen errechnet. Wäre die Zahl der ppe_176.003
lyrischen Motive auf diese Weise zu registrieren, so würde sie sicherlich ppe_176.004
geringer sein. Man könnte aber, um sie zu ermitteln, nicht vom ppe_176.005
Stoff ausgehen, den es in der Lyrik nicht gibt, auch nicht von der ppe_176.006
Fabel, die erlebnismäßig umgeprägter Stoff ist; auch das Erlebnis, ppe_176.007
das in den pragmatischen Dichtungsgattungen zwischen Stoff und ppe_176.008
Fabel steht und dadurch bestimmbar wird, ist hier, wo solche Stützen ppe_176.009
fehlen, kein geeigneter Ausgangspunkt; es empfiehlt sich deshalb, ppe_176.010
einmal von der anderen Seite her eine Verbindung zu suchen, also ppe_176.011
von der Idee aus.

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Die metaphysischen Ideen Gott, Freiheit, Unsterblichkeit, das Wahre, ppe_176.013
das Gute, das Schöne, das Rechte, Menschheit, Vaterland, Volk, Natur, ppe_176.014
Heimat, Leben umschließen Probleme, die durch das Verhältnis ppe_176.015
des Menschen zu diesen Ideen aufgeworfen werden. Alle Probleme ppe_176.016
sind Fragestellungen, die eine Entscheidung fordern. Die Motive ppe_176.017
aber können aus solchen Problemspannungen hervorgegangene Gefühls- ppe_176.018
und Gedankenerlebnisse sein, die in der Dichtung bildhafte ppe_176.019
Gestalt gewinnen, namentlich im Parallelismus zwischen Natur und ppe_176.020
Seelenlage. Fast alle Motive der Lyrik sind in diesem Sinne symbolisch, ppe_176.021
indem ein bildhafter Naturvorgang dem Seelenvorgang zur ppe_176.022
Begleitung gegeben wird oder umgekehrt ein geistiges Geschehen sich ppe_176.023
in der Natur spiegelt. Als motivgebende Naturbilder dienen herkömmlicherweise ppe_176.024
Jahres- oder Tageszeiten mit dem Wechsel der ppe_176.025
Vegetation und der Beleuchtung, elementare Ereignisse wie Gewittersturm, ppe_176.026
Lawine, Erdbeben oder Eisgang; unaufhörliches Strömen wie ppe_176.027
im Lebenslauf des Flusses vom Quell bis zur Mündung; tiefe Stille, ppe_176.028
in der nur das Murmeln der Quellen, das Rauschen der Brunnen oder ppe_176.029
ferne Musik und nächtliche Sphärenklänge vernehmbar werden; ppe_176.030
rhythmische Bewegung der weiten Landschaft in stromdurchglitzerten ppe_176.031
Auen, weinbekränzten Hügeln und leuchtenden Wolken; Unendlichkeit ppe_176.032
in der weit hinaus erglänzenden Fläche des Meeres oder im ppe_176.033
gestirnten Himmel; bedrängende Enge in schwarzen Wäldern und ppe_176.034
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Einfache Naturvorgänge wie Morgenröte, Mittagsschwüle, Mondenglanz ppe_176.036
können hier zu kosmischen Phantasien und mythischer Naturvergottung ppe_176.037
gesteigert werden, und metaphysische Bildschaffung kann, ppe_176.038
wie Hermann Pongs an den Beispielen der Blumensymbolik, des ppe_176.039
Vogelflugs, der Flammen und der brennenden Liebeswunde gezeigt ppe_176.040
hat, sich zum Motiv auswachsen und schließlich ein ganzes Gedicht ppe_176.041
erfüllen.

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Durch Kreuzung formaler und thematischer Kategorien werden über ppe_176.002
500 verschiedene Erscheinungsformen errechnet. Wäre die Zahl der ppe_176.003
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Die metaphysischen Ideen Gott, Freiheit, Unsterblichkeit, das Wahre, ppe_176.013
das Gute, das Schöne, das Rechte, Menschheit, Vaterland, Volk, Natur, ppe_176.014
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Zitationshilfe: Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/200>, abgerufen am 24.11.2024.