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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944.

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haftenden Kindheitserinnerungen in Brentanos "Godwi" hervor, und ppe_167.002
bei Jeremias Gotthelf wird, wie Muschg gezeigt hat, das Weibliche ppe_167.003
immer in das Ursprunghafte, Mütterlich-Ungeheure erdhafter Fruchtbarkeit ppe_167.004
zurückgeführt. Den Vatergeist, der allerdings nicht nur auf ppe_167.005
die Erinnerung an den eigenen Vater zurückgeht, sondern als Inbegriff ppe_167.006
ewiger Ordnungen im Volk wurzelt, hat Hermann Pongs, ppe_167.007
indem er Schillers ,Urbilder" untersuchte, als in des Dichters Seele ppe_167.008
angelegte Mitgift, als Gebundenheit an Mitwelt und Überwelt, als ppe_167.009
tragenden Existenzgrund sittlicher Entscheidung in allen Werken und ppe_167.010
Lebensäußerungen nachzuweisen unternommen. Völker, Stämme und ppe_167.011
Familien unterscheiden sich durch eine mehr patriarchalische oder ppe_167.012
mehr matriarchalische Haltung.

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Gerade bei Schiller läßt sich nun aber zeigen, wie er davon unabhängig ppe_167.014
sich seine eigene Charakterologie zurechtgelegt hat. Nachdem ppe_167.015
die Abhandlung über "Naive und sentimentale Dichtung" den Typus ppe_167.016
des Realisten, der sich durch äußere Abhängigkeiten bestimmen läßt, ppe_167.017
von dem des Idealisten, der das Gesetz seines Handelns in sich trägt, ppe_167.018
getrennt hatte, fand sich im Realisten der Schlüssel für das historische ppe_167.019
Charakterbild des Wallenstein, und in der Gestalt des Max Piccolomini ppe_167.020
wurde ihm nun der innere Gegenspieler gegenübergestellt. In solcher ppe_167.021
Seelengestaltung ist Schiller wirklich der "Psychologe des Tatmenschen" ppe_167.022
geworden, als welchen ihn Max Kommerell beleuchtet hat. ppe_167.023
Aber oft genug entwickelte er das Gegenteil, und seine Psychologie ppe_167.024
war eigentlich die des Kontrastes. Die Spannungen waren für ihn ppe_167.025
aus früher Selbstspaltung, die den Urgrund dramatischer Auseinandersetzung ppe_167.026
bildet, hervorgegangen. Schon die beiden feindlichen Brüder ppe_167.027
Franz und Karl Moor entsprechen den Gegensätzen von Materialismus ppe_167.028
und Idealismus, wie sie der Karlsschüler in der Zeit seines Medizinstudiums ppe_167.029
in sich durchkämpfen mußte. In einer kleinen dialogischen ppe_167.030
Erzählung "Der Spaziergang unter den Linden" sind sie als ungelöster ppe_167.031
Gegensatz einander gegenübergestellt. Für die Weiterführung hat es ppe_167.032
gewiß nicht an Vorbildern gefehlt, und beim Franz Moor ist die ppe_167.033
Anlehnung an Shakespearesche Bösewichter unverkennbar sowohl in ppe_167.034
den Charakterzügen als in den technischen Mitteln der Entfaltung.

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Von Shakespeare haben zwei große deutsche Dramatiker, Grillparzer ppe_167.036
und Hebbel, fast übereinstimmend gesagt, er müsse in der ppe_167.037
Anlage alle Triebe zu verbrecherischen Handlungen in sich getragen ppe_167.038
haben, und die Darstellung von Mördern sei seine rettende Abwehr ppe_167.039
gewesen, daß er nicht selbst zum Mörder werden mußte. Ähnlich ppe_167.040
sagte einmal Flaubert von sich selbst: "Ach was für Laster würde ppe_167.041
ich haben, wenn ich nicht schriebe!"

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haftenden Kindheitserinnerungen in Brentanos „Godwi“ hervor, und ppe_167.002
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Zitationshilfe: Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/191>, abgerufen am 22.11.2024.