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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944.

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sehr in der vorwärtsdrängenden Zeitform des Dramas überhaupt, wie ppe_144.002
in der vergegenwärtigenden Darstellung, die dem Drama und der ppe_144.003
Lyrik gemeinsam ist.

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Unverbrüchliches Gesetz der dramatischen Form ist die fortrollende ppe_144.005
Gegenwart innerhalb des Zeitablaufs. So vielerlei Möglichkeiten der ppe_144.006
Zeitraffung und Zeitdehnung es geben mag, so darf doch niemals im ppe_144.007
ernsten Drama der Uhrzeiger rückwärts gedreht werden, wie man es ppe_144.008
etwa bei einem Filmstreifen tun könnte und wie es mit romantischer ppe_144.009
Ironie in Tiecks "Verkehrter Welt" geschieht. Der Zeitablauf geht ppe_144.010
sogar weiter im Zwischenakt; selbst die in die Pause zwischen zwei ppe_144.011
Szenen fallende verdeckte Handlung bedeutet einen zeitlichen Fortgang. ppe_144.012
Es ist daher ebenso unmöglich, Gleichzeitiges nacheinander zur ppe_144.013
Darstellung zu bringen, wie ein Nacheinander gleichzeitig darzustellen. ppe_144.014
Aber durch das epische Hilfsmittel des Berichts kann Vorausliegendes ppe_144.015
nachträglich Berücksichtigung finden. Ist es indessen durch Bericht ppe_144.016
in die zeitliche Vergangenheit verwiesen, so kann es nicht mehr durch ppe_144.017
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ins Zimmer der Königin beginnt, nachdem schon zwei Auftritte vorher ppe_144.021
die Wache gemeldet hat, er sei, als Geist seines Großvaters verkleidet, ppe_144.022
in den Gemächern der Königin verschwunden. Die dazwischenliegende ppe_144.023
großartige Großinquisitor-Szene erweist sich damit für die ppe_144.024
technische Analyse als ein den Zeitablauf sprengender Einschub.

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Stärkere Durchbrechungen dieser Regel sind versucht worden und ppe_144.026
haben zur Auflösung der dramatischen Form geführt. Wenn in einem ppe_144.027
Stück wie Arnold Bronnens "Ostpolzug" (1926) zwei um Jahrtausende ppe_144.028
getrennte Handlungen zu umschichtiger Darstellung gelangen, indem ppe_144.029
der Indienzug Alexanders des Großen und der eines modernen Weltfahrers ppe_144.030
szenenweise wechseln, so handelt es sich um einen Doppelmimus, ppe_144.031
um zwei voneinander unabhängige monologische Handlungen. ppe_144.032
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Ähnliches haben schon die Jesuiten unternommen, und Andreas ppe_144.035
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in die Gegenwart der Haupthandlung einzufügen, kann besser mit der ppe_144.040
Einlage eines Stückes, das im Stück gespielt wird, erreicht werden, ppe_144.041
z. B. bei Shakespeare im "Hamlet" und "Sommernachtstraum". Im

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sehr in der vorwärtsdrängenden Zeitform des Dramas überhaupt, wie ppe_144.002
in der vergegenwärtigenden Darstellung, die dem Drama und der ppe_144.003
Lyrik gemeinsam ist.

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Gegenwart innerhalb des Zeitablaufs. So vielerlei Möglichkeiten der ppe_144.006
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technische Analyse als ein den Zeitablauf sprengender Einschub.

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Stärkere Durchbrechungen dieser Regel sind versucht worden und ppe_144.026
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Es besteht zwischen ihnen keine andere Beziehung als die eines ppe_144.033
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Ähnliches haben schon die Jesuiten unternommen, und Andreas ppe_144.035
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[144/0168] ppe_144.001 sehr in der vorwärtsdrängenden Zeitform des Dramas überhaupt, wie ppe_144.002 in der vergegenwärtigenden Darstellung, die dem Drama und der ppe_144.003 Lyrik gemeinsam ist. ppe_144.004 Unverbrüchliches Gesetz der dramatischen Form ist die fortrollende ppe_144.005 Gegenwart innerhalb des Zeitablaufs. So vielerlei Möglichkeiten der ppe_144.006 Zeitraffung und Zeitdehnung es geben mag, so darf doch niemals im ppe_144.007 ernsten Drama der Uhrzeiger rückwärts gedreht werden, wie man es ppe_144.008 etwa bei einem Filmstreifen tun könnte und wie es mit romantischer ppe_144.009 Ironie in Tiecks „Verkehrter Welt“ geschieht. Der Zeitablauf geht ppe_144.010 sogar weiter im Zwischenakt; selbst die in die Pause zwischen zwei ppe_144.011 Szenen fallende verdeckte Handlung bedeutet einen zeitlichen Fortgang. ppe_144.012 Es ist daher ebenso unmöglich, Gleichzeitiges nacheinander zur ppe_144.013 Darstellung zu bringen, wie ein Nacheinander gleichzeitig darzustellen. ppe_144.014 Aber durch das epische Hilfsmittel des Berichts kann Vorausliegendes ppe_144.015 nachträglich Berücksichtigung finden. Ist es indessen durch Bericht ppe_144.016 in die zeitliche Vergangenheit verwiesen, so kann es nicht mehr durch ppe_144.017 Darstellung vergegenwärtigt werden. So liegt z. B. ein technischer ppe_144.018 Verstoß gegen den dramatischen Zeitablauf darin, daß der letzte Auftritt ppe_144.019 des Schillerschen „Don Carlos“ mit dem Eintritt des Prinzen ppe_144.020 ins Zimmer der Königin beginnt, nachdem schon zwei Auftritte vorher ppe_144.021 die Wache gemeldet hat, er sei, als Geist seines Großvaters verkleidet, ppe_144.022 in den Gemächern der Königin verschwunden. Die dazwischenliegende ppe_144.023 großartige Großinquisitor-Szene erweist sich damit für die ppe_144.024 technische Analyse als ein den Zeitablauf sprengender Einschub. ppe_144.025 Stärkere Durchbrechungen dieser Regel sind versucht worden und ppe_144.026 haben zur Auflösung der dramatischen Form geführt. Wenn in einem ppe_144.027 Stück wie Arnold Bronnens „Ostpolzug“ (1926) zwei um Jahrtausende ppe_144.028 getrennte Handlungen zu umschichtiger Darstellung gelangen, indem ppe_144.029 der Indienzug Alexanders des Großen und der eines modernen Weltfahrers ppe_144.030 szenenweise wechseln, so handelt es sich um einen Doppelmimus, ppe_144.031 um zwei voneinander unabhängige monologische Handlungen. ppe_144.032 Es besteht zwischen ihnen keine andere Beziehung als die eines ppe_144.033 thematischen Parallelismus, der ohne dramatische Wirkung bleibt. ppe_144.034 Ähnliches haben schon die Jesuiten unternommen, und Andreas ppe_144.035 Gryphius hat es in seinem Doppellustspiel „Die geliebte Dornrose“ ppe_144.036 und „Das verliebte Gespenst“ ihnen nachgetan. ppe_144.037 Eine Möglichkeit, zwei zeitlich getrennte Handlungen in dramatische ppe_144.038 Verbindung zu bringen und die Darstellung des Vergangenen ppe_144.039 in die Gegenwart der Haupthandlung einzufügen, kann besser mit der ppe_144.040 Einlage eines Stückes, das im Stück gespielt wird, erreicht werden, ppe_144.041 z. B. bei Shakespeare im „Hamlet“ und „Sommernachtstraum“. Im

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Zitationshilfe: Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/168>, abgerufen am 22.11.2024.