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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944.

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b) Absicht

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Die bewußte Überlegung einer in Harmonie von Form und Inhalt ppe_141.003
beruhenden Wirkung braucht nicht gleichbedeutend zu sein mit ppe_141.004
Tendenz. Zwar haben die Dichter, die sich über ihre Pläne aussprachen, ppe_141.005
nicht selten die Erzielung außerästhetischer Wirkungen, ppe_141.006
die über das Werk hinausführen sollten, als ihre Absicht angedeutet. ppe_141.007
Am unbefangensten hat z. B. Schiller in einem Brief an seinen Freund ppe_141.008
Reinwald die Absicht ausgesprochen, "in Darstellung der Inquisition ppe_141.009
die prostituierte Menschheit zu rächen, ihre Schandflecken fürchterlich ppe_141.010
an den Pranger zu stellen und einer Menschenart, die der Dolch ppe_141.011
der Tragödie bis jetzt nur gestreift hat, auf die Seele zu stoßen". ppe_141.012
Aber diese ursprüngliche Tendenz ist in der Ausführung und späteren ppe_141.013
Bearbeitung mit wachsender Selbstzucht gemildert worden, so daß ppe_141.014
die künstlerische Absicht im abgeschlossenen Werk sich weniger ppe_141.015
kämpferisch darstellt. Dafür haben die zur Rechtfertigung geschriebenen ppe_141.016
"Briefe über Don Carlos" dem Werk wieder andere Absichten ppe_141.017
untergelegt; um seine Einheitlichkeit zu retten, ist eine dritte Konzeption ppe_141.018
nachgetragen, die der Schlußphase der Arbeit entspricht. Von ppe_141.019
dieser dreifachen Absicht, der ursprünglichen, der ausgeführten und ppe_141.020
der nachträglichen ist einer Analyse, die sich auf das Werk selbst ppe_141.021
beschränkt, nur die mittlere faßbar, aber die Kritik führt dabei auf ppe_141.022
Widersprüche und Unklarheiten der Durchführung, die durch Heranziehung ppe_141.023
der Briefe, Entwürfe, älteren Fassungen und der späteren ppe_141.024
Selbstkritik Erklärung finden.

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Die vielen dichterischen Selbstbekenntnisse, die über Bewußtes und ppe_141.026
Unbewußtes im eigenen Schaffen Aufschluß geben (Otto Behaghel hat ppe_141.027
in seiner Gießener Rektoratsrede eine reiche Sammlung vorgelegt), ppe_141.028
sind nicht immer von Selbsttäuschung frei. Hebbels Tagebuch ppe_141.029
(17. Sept. 1847) erklärt z. B. alles Stoffliche in seinem Drama (Gestalten, ppe_141.030
Situationen, zuweilen sogar die ganze Handlung) als unbewußte ppe_141.031
Schöpfung. Wenn dagegen der Antipode Otto Ludwig über seine ppe_141.032
Schaffensweise Rechenschaft ablegt, so bekennt er sich zur Herstellung ppe_141.033
eines Planes, in dem nichts mehr dem bloßen Instinkt angehöre, ppe_141.034
sondern alles Absicht und Berechnung sei: "Da sieht es denn ungefähr ppe_141.035
aus, wie ein Hebbelsches Stück, alles ist abstrakt ausgesprochen, jede ppe_141.036
Veränderung der Situation, jedes Stück Charakterentwicklung gleichsam ppe_141.037
ein psychologisches Präparat, das Gespräch ist nicht mehr wirkliches ppe_141.038
Gespräch, sondern eine Reihe von psychologischen und charakteristischen ppe_141.039
Zügen, pragmatischen und höheren Motiven. Ich könnte ppe_141.040
es nun so lassen, und vor dem Verstande würde es so besser bestehen

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Die bewußte Überlegung einer in Harmonie von Form und Inhalt ppe_141.003
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Widersprüche und Unklarheiten der Durchführung, die durch Heranziehung ppe_141.023
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Zitationshilfe: Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/165>, abgerufen am 22.11.2024.