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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944.

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machte, deren Abschrift in die Hände eines großen Mannes gefallen ppe_106.002
sei, "der den Stil etwas umänderte und einen Teil davon als Fragment ppe_106.003
eines unbekannten Verfassers herausgab", bietet sich in der Tat eine ppe_106.004
lockende Fährte. Die Entscheidung hängt sowohl von dem Charakterbilde ppe_106.005
Thaers ab als von der Originalität der in den ersten Paragraphen ppe_106.006
niedergelegten Gedanken. Während die geschichtsphilosophische Dreistufigkeit ppe_106.007
weder von Lessing noch von Thaer erfunden worden ist, ppe_106.008
enthält der zweite Teil durchaus Lessingsches Gedankengut. Stilistisch ppe_106.009
aber besteht zwischen beiden Teilen so wenig Unterschied, daß die ppe_106.010
Durchführung nur das Werk eines Mannes sein kann. Lessing selbst ppe_106.011
hat das Ganze geschrieben, auch wenn ihn vielleicht die Kenntnis ppe_106.012
Thaerscher Aufzeichnungen veranlaßt haben sollte, seine "Gegensätze" ppe_106.013
dem Reimarus gegenüberzustellen.

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Ein bei richtiger Handhabung Wunder wirkendes Mittel für die ppe_106.015
Ausscheidung fremden Anteils, ja sogar für die Feststellung verschiedener ppe_106.016
Arbeitsphasen desselben Verfassers war die von Eduard Sievers ppe_106.017
im Anschluß an Rutz und Becking ausgebildete Methode der Schallanalyse. ppe_106.018
Was Fingerabdrücke als sicheres Erkennungszeichen des ppe_106.019
Individuums, was Graphologie für die charakterologische Analyse ppe_106.020
der Schriftzeichen, was Physiognomik für die Abzeichnung des Seelenlebens, ppe_106.021
das bedeutete dieses Verfahren für die Erkenntnis des ppe_106.022
Charakteristischen in Wort und Klang. Nur daß Fingerabdruck und ppe_106.023
Schriftzeichen objektiv gegeben sind und dauernder Beobachtung zur ppe_106.024
Verfügung stehen, während Ton und Schall als Augenblickserlebnisse ppe_106.025
immer wieder reproduziert und gehört werden müssen, worin zwei ppe_106.026
mögliche Fehlerquellen bestehen, nämlich falsche klangliche Reproduktion ppe_106.027
und falsche Aufnahme des Gehörten. Wohl muß ein immanenter ppe_106.028
Klang und Rhythmus für jeden Text angenommen werden, der ppe_106.029
sich verständnisvollem Vortrag mitteilt, aber um das Charakteristische ppe_106.030
wahrzunehmen, ist wiederum ein zur höchsten Feinheit ausgebildetes ppe_106.031
Gehör notwendig. Wenn auch von der Körperhaltung abhängige Typen ppe_106.032
des Vortrags auf bestimmte Kurven der Taktgebung festzulegen und ppe_106.033
willkürlich nachzubilden sind und wenn die Beobachtung durch den ppe_106.034
Gebrauch von Drahtfiguren, die der Wünschelrute gleichen, mit einer ppe_106.035
gewissen Autosuggestion unterstützt werden konnte, so blieb doch ppe_106.036
hier, wie beim Medium des Rutengängers, der eigentliche Aufnahmeapparat ppe_106.037
subjektiv und konnte bisher durch kein Instrument mechanischer ppe_106.038
Aufzeichnung ersetzt werden. Dieses Medium bleibt etwas ppe_106.039
Irrationales, und das Verfahren muß vorerst der Vergangenheit ppe_106.040
zugerechnet werden als ein Geheimnis, das Eduard Sievers mit sich ppe_106.041
ins Grab nahm, da es ihm trotz aller Bemühung und trotz der Übertragung

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machte, deren Abschrift in die Hände eines großen Mannes gefallen ppe_106.002
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eines unbekannten Verfassers herausgab“, bietet sich in der Tat eine ppe_106.004
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Thaers ab als von der Originalität der in den ersten Paragraphen ppe_106.006
niedergelegten Gedanken. Während die geschichtsphilosophische Dreistufigkeit ppe_106.007
weder von Lessing noch von Thaer erfunden worden ist, ppe_106.008
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Durchführung nur das Werk eines Mannes sein kann. Lessing selbst ppe_106.011
hat das Ganze geschrieben, auch wenn ihn vielleicht die Kenntnis ppe_106.012
Thaerscher Aufzeichnungen veranlaßt haben sollte, seine „Gegensätze“ ppe_106.013
dem Reimarus gegenüberzustellen.

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Ein bei richtiger Handhabung Wunder wirkendes Mittel für die ppe_106.015
Ausscheidung fremden Anteils, ja sogar für die Feststellung verschiedener ppe_106.016
Arbeitsphasen desselben Verfassers war die von Eduard Sievers ppe_106.017
im Anschluß an Rutz und Becking ausgebildete Methode der Schallanalyse. ppe_106.018
Was Fingerabdrücke als sicheres Erkennungszeichen des ppe_106.019
Individuums, was Graphologie für die charakterologische Analyse ppe_106.020
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das bedeutete dieses Verfahren für die Erkenntnis des ppe_106.022
Charakteristischen in Wort und Klang. Nur daß Fingerabdruck und ppe_106.023
Schriftzeichen objektiv gegeben sind und dauernder Beobachtung zur ppe_106.024
Verfügung stehen, während Ton und Schall als Augenblickserlebnisse ppe_106.025
immer wieder reproduziert und gehört werden müssen, worin zwei ppe_106.026
mögliche Fehlerquellen bestehen, nämlich falsche klangliche Reproduktion ppe_106.027
und falsche Aufnahme des Gehörten. Wohl muß ein immanenter ppe_106.028
Klang und Rhythmus für jeden Text angenommen werden, der ppe_106.029
sich verständnisvollem Vortrag mitteilt, aber um das Charakteristische ppe_106.030
wahrzunehmen, ist wiederum ein zur höchsten Feinheit ausgebildetes ppe_106.031
Gehör notwendig. Wenn auch von der Körperhaltung abhängige Typen ppe_106.032
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willkürlich nachzubilden sind und wenn die Beobachtung durch den ppe_106.034
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subjektiv und konnte bisher durch kein Instrument mechanischer ppe_106.038
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Irrationales, und das Verfahren muß vorerst der Vergangenheit ppe_106.040
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Zitationshilfe: Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/130>, abgerufen am 23.11.2024.