Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

seinen jungen Jahren so gern gelernt hätte, aber
keinen Menschen dazu fand. --

Helidor brachte alles in Bewegung, den Streich
abzulenken, und ihn noch dahin zu bringen, daß er
die Sache liegen lasse. Von allen Seiten strömten
Leute zu, die lächelten, und von diesem Träumer-
wesen redten; selber die Religion, die Helidor in sei-
nem Leben zu Nichts gebraucht hatte, schien ihm izt
gut genug, ihm hierinn einen Dienst zu leisten.

Ein Geistlicher, der, ich weiß nicht wie, Zugang
zum Fürsten hatte, bog sich vor dem Herzog, wie die
Patres von der Aufwart vor ihrem Herrn Abt; und
da er nach geduldigem Warten den Augenblick er-
sah, da er reden durfte, verunglimpfte er Arnern,
und winkte mit bescheidenen Worten, er raube den
armen Menschen, die sonst nichts in der Welt ha-
ben, als ihren Gott und ihren Jesum, den einzigen
Trost ihres Lebens; und wenn es schon hart schiene,
so sey es doch wahr: er verschmähe die Erkenntniß
Gottes und seines Worts, und sey wahrlich einer
aus denen, die den Herrn der Herrlichkeit Gottes
verläugnen und kreuzigen. -- Das war zu rund --
Der Fürst warf den Kopf hinter sich, sah den Pfaff
an, und sagte, was ist das? was thut er dann? --

Demüthig und gebückt, erwiederte der Priester,
er meynt= = = =

Ich frage nicht, was er meyne? Ich frage, was
hat er gethan?

E e 2

ſeinen jungen Jahren ſo gern gelernt haͤtte, aber
keinen Menſchen dazu fand. —

Helidor brachte alles in Bewegung, den Streich
abzulenken, und ihn noch dahin zu bringen, daß er
die Sache liegen laſſe. Von allen Seiten ſtroͤmten
Leute zu, die laͤchelten, und von dieſem Traͤumer-
weſen redten; ſelber die Religion, die Helidor in ſei-
nem Leben zu Nichts gebraucht hatte, ſchien ihm izt
gut genug, ihm hierinn einen Dienſt zu leiſten.

Ein Geiſtlicher, der, ich weiß nicht wie, Zugang
zum Fuͤrſten hatte, bog ſich vor dem Herzog, wie die
Patres von der Aufwart vor ihrem Herrn Abt; und
da er nach geduldigem Warten den Augenblick er-
ſah, da er reden durfte, verunglimpfte er Arnern,
und winkte mit beſcheidenen Worten, er raube den
armen Menſchen, die ſonſt nichts in der Welt ha-
ben, als ihren Gott und ihren Jeſum, den einzigen
Troſt ihres Lebens; und wenn es ſchon hart ſchiene,
ſo ſey es doch wahr: er verſchmaͤhe die Erkenntniß
Gottes und ſeines Worts, und ſey wahrlich einer
aus denen, die den Herrn der Herrlichkeit Gottes
verlaͤugnen und kreuzigen. — Das war zu rund —
Der Fuͤrſt warf den Kopf hinter ſich, ſah den Pfaff
an, und ſagte, was iſt das? was thut er dann? —

Demuͤthig und gebuͤckt, erwiederte der Prieſter,
er meynt= = = =

Ich frage nicht, was er meyne? Ich frage, was
hat er gethan?

E e 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0453" n="435"/>
&#x017F;einen jungen Jahren &#x017F;o gern gelernt ha&#x0364;tte, aber<lb/>
keinen Men&#x017F;chen dazu fand. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Helidor brachte alles in Bewegung, den Streich<lb/>
abzulenken, und ihn noch dahin zu bringen, daß er<lb/>
die Sache liegen la&#x017F;&#x017F;e. Von allen Seiten &#x017F;tro&#x0364;mten<lb/>
Leute zu, die la&#x0364;chelten, und von die&#x017F;em Tra&#x0364;umer-<lb/>
we&#x017F;en redten; &#x017F;elber die Religion, die Helidor in &#x017F;ei-<lb/>
nem Leben zu Nichts gebraucht hatte, &#x017F;chien ihm izt<lb/>
gut genug, ihm hierinn einen Dien&#x017F;t zu lei&#x017F;ten.</p><lb/>
        <p>Ein Gei&#x017F;tlicher, der, ich weiß nicht wie, Zugang<lb/>
zum Fu&#x0364;r&#x017F;ten hatte, bog &#x017F;ich vor dem Herzog, wie die<lb/>
Patres von der Aufwart vor ihrem Herrn Abt; und<lb/>
da er nach geduldigem Warten den Augenblick er-<lb/>
&#x017F;ah, da er reden durfte, verunglimpfte er Arnern,<lb/>
und winkte mit be&#x017F;cheidenen Worten, er raube den<lb/>
armen Men&#x017F;chen, die &#x017F;on&#x017F;t nichts in der Welt ha-<lb/>
ben, als ihren Gott und ihren Je&#x017F;um, den einzigen<lb/>
Tro&#x017F;t ihres Lebens; und wenn es &#x017F;chon hart &#x017F;chiene,<lb/>
&#x017F;o &#x017F;ey es doch wahr: er ver&#x017F;chma&#x0364;he die Erkenntniß<lb/>
Gottes und &#x017F;eines Worts, und &#x017F;ey wahrlich einer<lb/>
aus denen, die den Herrn der Herrlichkeit Gottes<lb/>
verla&#x0364;ugnen und kreuzigen. &#x2014; Das war zu rund &#x2014;<lb/>
Der Fu&#x0364;r&#x017F;t warf den Kopf hinter &#x017F;ich, &#x017F;ah den Pfaff<lb/>
an, und &#x017F;agte, was i&#x017F;t das? was thut er dann? &#x2014;</p><lb/>
        <p>Demu&#x0364;thig und gebu&#x0364;ckt, erwiederte der Prie&#x017F;ter,<lb/>
er meynt= = = =</p><lb/>
        <p>Ich frage nicht, was er meyne? Ich frage, was<lb/>
hat er gethan?</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">E e 2</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[435/0453] ſeinen jungen Jahren ſo gern gelernt haͤtte, aber keinen Menſchen dazu fand. — Helidor brachte alles in Bewegung, den Streich abzulenken, und ihn noch dahin zu bringen, daß er die Sache liegen laſſe. Von allen Seiten ſtroͤmten Leute zu, die laͤchelten, und von dieſem Traͤumer- weſen redten; ſelber die Religion, die Helidor in ſei- nem Leben zu Nichts gebraucht hatte, ſchien ihm izt gut genug, ihm hierinn einen Dienſt zu leiſten. Ein Geiſtlicher, der, ich weiß nicht wie, Zugang zum Fuͤrſten hatte, bog ſich vor dem Herzog, wie die Patres von der Aufwart vor ihrem Herrn Abt; und da er nach geduldigem Warten den Augenblick er- ſah, da er reden durfte, verunglimpfte er Arnern, und winkte mit beſcheidenen Worten, er raube den armen Menſchen, die ſonſt nichts in der Welt ha- ben, als ihren Gott und ihren Jeſum, den einzigen Troſt ihres Lebens; und wenn es ſchon hart ſchiene, ſo ſey es doch wahr: er verſchmaͤhe die Erkenntniß Gottes und ſeines Worts, und ſey wahrlich einer aus denen, die den Herrn der Herrlichkeit Gottes verlaͤugnen und kreuzigen. — Das war zu rund — Der Fuͤrſt warf den Kopf hinter ſich, ſah den Pfaff an, und ſagte, was iſt das? was thut er dann? — Demuͤthig und gebuͤckt, erwiederte der Prieſter, er meynt= = = = Ich frage nicht, was er meyne? Ich frage, was hat er gethan? E e 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/453
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/453>, abgerufen am 16.07.2024.