ren wollte. Ihr Durchlaucht! erwiederte Bylifs- ky, der Mensch ist ein sehr gelehriges Thier *), aber man muß ihm alles zeigen, was er nicht kann, und ihn zu allem anführen, was er seyn muß, und so ist es auch mit diesem, man muß ihn dazu anführen. --
Ach Gott! sagte der Fürst, das ist nicht mög- lich, und brach das Gespräch ab. Der ganze Hof meynte, er habe alles aus dem Sinn geschlagen; und Sylvia, die auch wieder da war, und ihren Mezgerhund völlig wieder vergessen, streckte den Hals wieder wie vor und ehe, und wie sie ihn wie- der streckte, wuchs in ihrem alten lahmen Seelchen der einzige Muth, der darinn Plaz hatte, der Muth, sich zu rächen; sie glaubte, es sey izt die rechte Zeit, und erzählte die Bettlergeschichte des verlo[ff]enen Lieutenants, und den Brodmangel des armen Manns, der zum Schulmeisterhandwerk gezwun- gen, wo sie konnte und mochte; und so, wie die Karten lagen, gab es Herren und Damen recht viele, die das gern hörten, und was sie nur wußte, und noch mehr dazu, erzählte sie von diesem Landstrei- cher, der ihren guten Vetter mit seinen Dorfkindern bis in des Herzogs Stuben hieinbringen können, wo
*)Anmerkung. Muß ich auch hier wieder- holen? Ich sage nicht, der Mensch ist ein Thier -- ich sage nur, der Minister Bylifsky hat ge- sagt, der Mensch ist ein gelehriges Thier. --
ren wollte. Ihr Durchlaucht! erwiederte Bylifs- ky, der Menſch iſt ein ſehr gelehriges Thier *), aber man muß ihm alles zeigen, was er nicht kann, und ihn zu allem anfuͤhren, was er ſeyn muß, und ſo iſt es auch mit dieſem, man muß ihn dazu anfuͤhren. —
Ach Gott! ſagte der Fuͤrſt, das iſt nicht moͤg- lich, und brach das Geſpraͤch ab. Der ganze Hof meynte, er habe alles aus dem Sinn geſchlagen; und Sylvia, die auch wieder da war, und ihren Mezgerhund voͤllig wieder vergeſſen, ſtreckte den Hals wieder wie vor und ehe, und wie ſie ihn wie- der ſtreckte, wuchs in ihrem alten lahmen Seelchen der einzige Muth, der darinn Plaz hatte, der Muth, ſich zu raͤchen; ſie glaubte, es ſey izt die rechte Zeit, und erzaͤhlte die Bettlergeſchichte des verlo[ff]enen Lieutenants, und den Brodmangel des armen Manns, der zum Schulmeiſterhandwerk gezwun- gen, wo ſie konnte und mochte; und ſo, wie die Karten lagen, gab es Herren und Damen recht viele, die das gern hoͤrten, und was ſie nur wußte, und noch mehr dazu, erzaͤhlte ſie von dieſem Landſtrei- cher, der ihren guten Vetter mit ſeinen Dorfkindern bis in des Herzogs Stuben hieinbringen koͤnnen, wo
*)Anmerkung. Muß ich auch hier wieder- holen? Ich ſage nicht, der Menſch iſt ein Thier — ich ſage nur, der Miniſter Bylifsky hat ge- ſagt, der Menſch iſt ein gelehriges Thier. —
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ren wollte. Ihr Durchlaucht! erwiederte Bylifs-
ky, der Menſch iſt ein ſehr gelehriges Thier *), aber
man muß ihm alles zeigen, was er nicht kann, und
ihn zu allem anfuͤhren, was er ſeyn muß, und ſo iſt
es auch mit dieſem, man muß ihn dazu anfuͤhren. —
Ach Gott! ſagte der Fuͤrſt, das iſt nicht moͤg-
lich, und brach das Geſpraͤch ab. Der ganze Hof
meynte, er habe alles aus dem Sinn geſchlagen;
und Sylvia, die auch wieder da war, und ihren
Mezgerhund voͤllig wieder vergeſſen, ſtreckte den
Hals wieder wie vor und ehe, und wie ſie ihn wie-
der ſtreckte, wuchs in ihrem alten lahmen Seelchen
der einzige Muth, der darinn Plaz hatte, der Muth,
ſich zu raͤchen; ſie glaubte, es ſey izt die rechte Zeit,
und erzaͤhlte die Bettlergeſchichte des verloffenen
Lieutenants, und den Brodmangel des armen
Manns, der zum Schulmeiſterhandwerk gezwun-
gen, wo ſie konnte und mochte; und ſo, wie die
Karten lagen, gab es Herren und Damen recht viele,
die das gern hoͤrten, und was ſie nur wußte, und
noch mehr dazu, erzaͤhlte ſie von dieſem Landſtrei-
cher, der ihren guten Vetter mit ſeinen Dorfkindern
bis in des Herzogs Stuben hieinbringen koͤnnen, wo
*)
Anmerkung. Muß ich auch hier wieder-
holen? Ich ſage nicht, der Menſch iſt ein Thier
— ich ſage nur, der Miniſter Bylifsky hat ge-
ſagt, der Menſch iſt ein gelehriges Thier. —
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/408>, abgerufen am 25.11.2024.
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