Kopffüllung der Menschen mit bildreichen Reli- gionslehren, und die Hinlenkung ihres Geistes, sol- che Meynungen als Vorschritt in wissenschaftlicher Erleuchtung -- und als Gegenstand ihres Nachden- kens, ihrer Untersuchung und ihres Forschens im Kopf herum zu tragen --
Das alles -- wenn es schon freylich nicht den geraden Weg zu abergläubischen kirchlichen Lehrsä- tzen führt -- führt dennoch sicher zu einer Seelen- stimmung, die das Innere der Abgötterey und des Aberglaubens begünstigt, und das Volk einem je- den Religionsverführer in die Hände spielt, der im Stand ist, dasselbe zu einem schwärmerischen Glau- ben an seine Lehre, und zu einer fantastischen An- hänglichkeit an seine Person zu verleiten. --
Noch einmal: ich weiß nicht, ob es wahr ist, was man sagt, daß dem Volk wirklich planmäßige und gefährdvolle Glaubensschlingen gelegt werden: aber das weiß ich, daß eine Seelenstimmung be- günstigt wird, die es, wenn ihm solche Schlingen gelegt würden, schaarenweis darein zu springen, sicher verleiten würde. --
Das weiß ich. -- Aber ich verarge es denen nicht einmal, die es thun, und die wenigsten wissen was sie thun, und taglöhnen meistens am Werk der Frommkeit mit ehrlichem Sinn, ohne weder
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Kopffuͤllung der Menſchen mit bildreichen Reli- gionslehren, und die Hinlenkung ihres Geiſtes, ſol- che Meynungen als Vorſchritt in wiſſenſchaftlicher Erleuchtung — und als Gegenſtand ihres Nachden- kens, ihrer Unterſuchung und ihres Forſchens im Kopf herum zu tragen —
Das alles — wenn es ſchon freylich nicht den geraden Weg zu aberglaͤubiſchen kirchlichen Lehrſaͤ- tzen fuͤhrt — fuͤhrt dennoch ſicher zu einer Seelen- ſtimmung, die das Innere der Abgoͤtterey und des Aberglaubens beguͤnſtigt, und das Volk einem je- den Religionsverfuͤhrer in die Haͤnde ſpielt, der im Stand iſt, daſſelbe zu einem ſchwaͤrmeriſchen Glau- ben an ſeine Lehre, und zu einer fantaſtiſchen An- haͤnglichkeit an ſeine Perſon zu verleiten. —
Noch einmal: ich weiß nicht, ob es wahr iſt, was man ſagt, daß dem Volk wirklich planmaͤßige und gefaͤhrdvolle Glaubensſchlingen gelegt werden: aber das weiß ich, daß eine Seelenſtimmung be- guͤnſtigt wird, die es, wenn ihm ſolche Schlingen gelegt wuͤrden, ſchaarenweis darein zu ſpringen, ſicher verleiten wuͤrde. —
Das weiß ich. — Aber ich verarge es denen nicht einmal, die es thun, und die wenigſten wiſſen was ſie thun, und tagloͤhnen meiſtens am Werk der Frommkeit mit ehrlichem Sinn, ohne weder
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Kopffuͤllung der Menſchen mit bildreichen Reli-
gionslehren, und die Hinlenkung ihres Geiſtes, ſol-
che Meynungen als Vorſchritt in wiſſenſchaftlicher
Erleuchtung — und als Gegenſtand ihres Nachden-
kens, ihrer Unterſuchung und ihres Forſchens im
Kopf herum zu tragen —
Das alles — wenn es ſchon freylich nicht den
geraden Weg zu aberglaͤubiſchen kirchlichen Lehrſaͤ-
tzen fuͤhrt — fuͤhrt dennoch ſicher zu einer Seelen-
ſtimmung, die das Innere der Abgoͤtterey und des
Aberglaubens beguͤnſtigt, und das Volk einem je-
den Religionsverfuͤhrer in die Haͤnde ſpielt, der im
Stand iſt, daſſelbe zu einem ſchwaͤrmeriſchen Glau-
ben an ſeine Lehre, und zu einer fantaſtiſchen An-
haͤnglichkeit an ſeine Perſon zu verleiten. —
Noch einmal: ich weiß nicht, ob es wahr iſt,
was man ſagt, daß dem Volk wirklich planmaͤßige
und gefaͤhrdvolle Glaubensſchlingen gelegt werden:
aber das weiß ich, daß eine Seelenſtimmung be-
guͤnſtigt wird, die es, wenn ihm ſolche Schlingen
gelegt wuͤrden, ſchaarenweis darein zu ſpringen,
ſicher verleiten wuͤrde. —
Das weiß ich. — Aber ich verarge es denen
nicht einmal, die es thun, und die wenigſten wiſſen
was ſie thun, und tagloͤhnen meiſtens am Werk
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/357>, abgerufen am 24.11.2024.
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