kalt und was warm ist. -- Darum hat aber auch der, so die sieben Leuchter hat, den Engel seiner großen Gemeinde aus seinem Munde ausgespeyt, und ihn hingeworfen zu zertreten, für jedermann, der vorbey geht -- was soll mir also sein Aerger? --
Der Aberglaube findet in den Umständen der Zeit unermeßliche Nahrung. -- Die Seelenstim- mung der Menschen wird täglich mehr schwankend und träumend. -- Das Fundament eines vernünf- tigen Gottesdiensts -- die Vernunft des Volks -- und eine feste, ruhige, biedere, gleichmüthige und bedächtliche Geistes-Richtung, schwindet vor un- sern Augen. --
Seys Zufall oder Hinderlist -- ich weiß es nicht, und untersuche es nicht -- aber wahr ists -- die Seelenstimmung der Menschheit neigt sich zu der Schwäche des Aberglaubens.
Der Misbrauch der Bibel und der Glaubens- lehre, zu dem, wozu beydes nicht taugt, wird lebhafter als er je war.
Die Hinlenkung der Volksstimmung zu Be- günstigung eines überwiegenden Einflusses der Kräf- ten der Einbildung gegen die Kräfte des Verstan- des --
-- Die allgemeine Reizung des poetischen Sinns, und auf diesen poetischen Sinn gebaute
kalt und was warm iſt. — Darum hat aber auch der, ſo die ſieben Leuchter hat, den Engel ſeiner großen Gemeinde aus ſeinem Munde ausgeſpeyt, und ihn hingeworfen zu zertreten, fuͤr jedermann, der vorbey geht — was ſoll mir alſo ſein Aerger? —
Der Aberglaube findet in den Umſtaͤnden der Zeit unermeßliche Nahrung. — Die Seelenſtim- mung der Menſchen wird taͤglich mehr ſchwankend und traͤumend. — Das Fundament eines vernuͤnf- tigen Gottesdienſts — die Vernunft des Volks — und eine feſte, ruhige, biedere, gleichmuͤthige und bedaͤchtliche Geiſtes-Richtung, ſchwindet vor un- ſern Augen. —
Seys Zufall oder Hinderliſt — ich weiß es nicht, und unterſuche es nicht — aber wahr iſts — die Seelenſtimmung der Menſchheit neigt ſich zu der Schwaͤche des Aberglaubens.
Der Misbrauch der Bibel und der Glaubens- lehre, zu dem, wozu beydes nicht taugt, wird lebhafter als er je war.
Die Hinlenkung der Volksſtimmung zu Be- guͤnſtigung eines uͤberwiegenden Einfluſſes der Kraͤf- ten der Einbildung gegen die Kraͤfte des Verſtan- des —
— Die allgemeine Reizung des poetiſchen Sinns, und auf dieſen poetiſchen Sinn gebaute
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0356"n="338"/>
kalt und was warm iſt. — Darum hat aber auch<lb/>
der, ſo die ſieben Leuchter hat, den Engel ſeiner<lb/>
großen Gemeinde aus ſeinem Munde ausgeſpeyt,<lb/>
und ihn hingeworfen zu zertreten, fuͤr jedermann,<lb/>
der vorbey geht — was ſoll mir alſo ſein Aerger? —</p><lb/><p>Der Aberglaube findet in den Umſtaͤnden der<lb/>
Zeit unermeßliche Nahrung. — Die Seelenſtim-<lb/>
mung der Menſchen wird taͤglich mehr ſchwankend<lb/>
und traͤumend. — Das Fundament eines vernuͤnf-<lb/>
tigen Gottesdienſts — die Vernunft des Volks —<lb/>
und eine feſte, ruhige, biedere, gleichmuͤthige und<lb/>
bedaͤchtliche Geiſtes-Richtung, ſchwindet vor un-<lb/>ſern Augen. —</p><lb/><p>Seys Zufall oder Hinderliſt — ich weiß es<lb/>
nicht, und unterſuche es nicht — aber wahr iſts —<lb/>
die Seelenſtimmung der Menſchheit neigt ſich zu<lb/>
der Schwaͤche des Aberglaubens.</p><lb/><p>Der Misbrauch der Bibel und der Glaubens-<lb/>
lehre, zu dem, wozu beydes nicht taugt, wird<lb/>
lebhafter als er je war.</p><lb/><p>Die Hinlenkung der Volksſtimmung zu Be-<lb/>
guͤnſtigung eines uͤberwiegenden Einfluſſes der Kraͤf-<lb/>
ten der Einbildung gegen die Kraͤfte des Verſtan-<lb/>
des —</p><lb/><p>— Die allgemeine Reizung des poetiſchen<lb/>
Sinns, und auf dieſen poetiſchen Sinn gebaute<lb/></p></div></body></text></TEI>
[338/0356]
kalt und was warm iſt. — Darum hat aber auch
der, ſo die ſieben Leuchter hat, den Engel ſeiner
großen Gemeinde aus ſeinem Munde ausgeſpeyt,
und ihn hingeworfen zu zertreten, fuͤr jedermann,
der vorbey geht — was ſoll mir alſo ſein Aerger? —
Der Aberglaube findet in den Umſtaͤnden der
Zeit unermeßliche Nahrung. — Die Seelenſtim-
mung der Menſchen wird taͤglich mehr ſchwankend
und traͤumend. — Das Fundament eines vernuͤnf-
tigen Gottesdienſts — die Vernunft des Volks —
und eine feſte, ruhige, biedere, gleichmuͤthige und
bedaͤchtliche Geiſtes-Richtung, ſchwindet vor un-
ſern Augen. —
Seys Zufall oder Hinderliſt — ich weiß es
nicht, und unterſuche es nicht — aber wahr iſts —
die Seelenſtimmung der Menſchheit neigt ſich zu
der Schwaͤche des Aberglaubens.
Der Misbrauch der Bibel und der Glaubens-
lehre, zu dem, wozu beydes nicht taugt, wird
lebhafter als er je war.
Die Hinlenkung der Volksſtimmung zu Be-
guͤnſtigung eines uͤberwiegenden Einfluſſes der Kraͤf-
ten der Einbildung gegen die Kraͤfte des Verſtan-
des —
— Die allgemeine Reizung des poetiſchen
Sinns, und auf dieſen poetiſchen Sinn gebaute
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/356>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.