Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

hen. Auch schlug Arner vollends den gleichen Weg
ein, gegen die Fehler des Geschlechtstriebs zu wir-
ken, welchen er mit so vielem Erfolg gegen die
Fehler des Diebstahls gebraucht; und die allge-
meine Bildung der Aufmerksamkeit auf alle Arten
der Tagsarbeit, feste Uebung in allen Theilen des
Fleißes und der Ordnung, sorgfältige Achtsamkeit
auf das Urtheil seiner Mitmenschen in allen Stü-
cken der täglichen Thätigkeit, das waren die ersten
Fundamente seiner Keuschheits-Gesezgebung.

So geliebt und besorgt das Kind in der Wie-
ge war, so mußte es sich dennoch an feste Regel-
mäßigkeit in seiner Besorgung gewöhnen, und in
den ersten Tagen seines Daseyns lernen, sich über-
winden und schweigen, bis nach der harten bür-
gerlichen unbiegsamen Zeitrechnung ihm die Stun-
de für eine jede Sache in ihrer Ordnung anrückt.

Und da es aus der Wiege in die Schule kam,
so warteten seiner auch da die gleichen Bande des
bürgerlichen Zwanges, ohne welche die gute Be-
sorgung des Eigenthums, worauf die innern Kräfte
der bürgerlichen Einrichtungen ruhen, unmöglich
ist; es war in derselben in einer täglichen Uebung
für seine Ehre aufmerksam zu seyn; es ward für
jede Unordnung, für jede Nachläßigkeit beschämt:
unter der Hand des Lieutenants errötheten die Kin-
der ob jedem kleinen Flecken Dinten, der ihnen auf

U 3

hen. Auch ſchlug Arner vollends den gleichen Weg
ein, gegen die Fehler des Geſchlechtstriebs zu wir-
ken, welchen er mit ſo vielem Erfolg gegen die
Fehler des Diebſtahls gebraucht; und die allge-
meine Bildung der Aufmerkſamkeit auf alle Arten
der Tagsarbeit, feſte Uebung in allen Theilen des
Fleißes und der Ordnung, ſorgfaͤltige Achtſamkeit
auf das Urtheil ſeiner Mitmenſchen in allen Stuͤ-
cken der taͤglichen Thaͤtigkeit, das waren die erſten
Fundamente ſeiner Keuſchheits-Geſezgebung.

So geliebt und beſorgt das Kind in der Wie-
ge war, ſo mußte es ſich dennoch an feſte Regel-
maͤßigkeit in ſeiner Beſorgung gewoͤhnen, und in
den erſten Tagen ſeines Daſeyns lernen, ſich uͤber-
winden und ſchweigen, bis nach der harten buͤr-
gerlichen unbiegſamen Zeitrechnung ihm die Stun-
de fuͤr eine jede Sache in ihrer Ordnung anruͤckt.

Und da es aus der Wiege in die Schule kam,
ſo warteten ſeiner auch da die gleichen Bande des
buͤrgerlichen Zwanges, ohne welche die gute Be-
ſorgung des Eigenthums, worauf die innern Kraͤfte
der buͤrgerlichen Einrichtungen ruhen, unmoͤglich
iſt; es war in derſelben in einer taͤglichen Uebung
fuͤr ſeine Ehre aufmerkſam zu ſeyn; es ward fuͤr
jede Unordnung, fuͤr jede Nachlaͤßigkeit beſchaͤmt:
unter der Hand des Lieutenants erroͤtheten die Kin-
der ob jedem kleinen Flecken Dinten, der ihnen auf

U 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0327" n="309"/>
hen. Auch &#x017F;chlug Arner vollends den gleichen Weg<lb/>
ein, gegen die Fehler des Ge&#x017F;chlechtstriebs zu wir-<lb/>
ken, welchen er mit &#x017F;o vielem Erfolg gegen die<lb/>
Fehler des Dieb&#x017F;tahls gebraucht; und die allge-<lb/>
meine Bildung der Aufmerk&#x017F;amkeit auf alle Arten<lb/>
der Tagsarbeit, fe&#x017F;te Uebung in allen Theilen des<lb/>
Fleißes und der Ordnung, &#x017F;orgfa&#x0364;ltige Acht&#x017F;amkeit<lb/>
auf das Urtheil &#x017F;einer Mitmen&#x017F;chen in allen Stu&#x0364;-<lb/>
cken der ta&#x0364;glichen Tha&#x0364;tigkeit, das waren die er&#x017F;ten<lb/>
Fundamente &#x017F;einer Keu&#x017F;chheits-Ge&#x017F;ezgebung.</p><lb/>
        <p>So geliebt und be&#x017F;orgt das Kind in der Wie-<lb/>
ge war, &#x017F;o mußte es &#x017F;ich dennoch an fe&#x017F;te Regel-<lb/>
ma&#x0364;ßigkeit in &#x017F;einer Be&#x017F;orgung gewo&#x0364;hnen, und in<lb/>
den er&#x017F;ten Tagen &#x017F;eines Da&#x017F;eyns lernen, &#x017F;ich u&#x0364;ber-<lb/>
winden und &#x017F;chweigen, bis nach der harten bu&#x0364;r-<lb/>
gerlichen unbieg&#x017F;amen Zeitrechnung ihm die Stun-<lb/>
de fu&#x0364;r eine jede Sache in ihrer Ordnung anru&#x0364;ckt.</p><lb/>
        <p>Und da es aus der Wiege in die Schule kam,<lb/>
&#x017F;o warteten &#x017F;einer auch da die gleichen Bande des<lb/>
bu&#x0364;rgerlichen Zwanges, ohne welche die gute Be-<lb/>
&#x017F;orgung des Eigenthums, worauf die innern Kra&#x0364;fte<lb/>
der bu&#x0364;rgerlichen Einrichtungen ruhen, unmo&#x0364;glich<lb/>
i&#x017F;t; es war in der&#x017F;elben in einer ta&#x0364;glichen Uebung<lb/>
fu&#x0364;r &#x017F;eine Ehre aufmerk&#x017F;am zu &#x017F;eyn; es ward fu&#x0364;r<lb/>
jede Unordnung, fu&#x0364;r jede Nachla&#x0364;ßigkeit be&#x017F;cha&#x0364;mt:<lb/>
unter der Hand des Lieutenants erro&#x0364;theten die Kin-<lb/>
der ob jedem kleinen Flecken Dinten, der ihnen auf<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">U 3</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[309/0327] hen. Auch ſchlug Arner vollends den gleichen Weg ein, gegen die Fehler des Geſchlechtstriebs zu wir- ken, welchen er mit ſo vielem Erfolg gegen die Fehler des Diebſtahls gebraucht; und die allge- meine Bildung der Aufmerkſamkeit auf alle Arten der Tagsarbeit, feſte Uebung in allen Theilen des Fleißes und der Ordnung, ſorgfaͤltige Achtſamkeit auf das Urtheil ſeiner Mitmenſchen in allen Stuͤ- cken der taͤglichen Thaͤtigkeit, das waren die erſten Fundamente ſeiner Keuſchheits-Geſezgebung. So geliebt und beſorgt das Kind in der Wie- ge war, ſo mußte es ſich dennoch an feſte Regel- maͤßigkeit in ſeiner Beſorgung gewoͤhnen, und in den erſten Tagen ſeines Daſeyns lernen, ſich uͤber- winden und ſchweigen, bis nach der harten buͤr- gerlichen unbiegſamen Zeitrechnung ihm die Stun- de fuͤr eine jede Sache in ihrer Ordnung anruͤckt. Und da es aus der Wiege in die Schule kam, ſo warteten ſeiner auch da die gleichen Bande des buͤrgerlichen Zwanges, ohne welche die gute Be- ſorgung des Eigenthums, worauf die innern Kraͤfte der buͤrgerlichen Einrichtungen ruhen, unmoͤglich iſt; es war in derſelben in einer taͤglichen Uebung fuͤr ſeine Ehre aufmerkſam zu ſeyn; es ward fuͤr jede Unordnung, fuͤr jede Nachlaͤßigkeit beſchaͤmt: unter der Hand des Lieutenants erroͤtheten die Kin- der ob jedem kleinen Flecken Dinten, der ihnen auf U 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/327
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/327>, abgerufen am 25.11.2024.