von diesem Blatt hätten, es könnte ihnen gar viel dienen; er gab sie allen, und viele konnten das Blatt auf dem Heimweg, und auch daheim, nicht aus den Händen lassen, bis sie sich genug darinn ersehen. Der Niggel Spiz sagte einem ganzen Haufen von ihnen, da er sie so mit ihrem Papier in der Hand vor dem Pfarrhaus spatzieren sah -- So hat noch kein Pfarrer seine Gemeinde aus einer Predigt oder aus einer Kinderlehre heimgeschickt! -- Einer gab ihm zur Antwort -- ja diese fangen nicht beym Leib an für den Menschen zu sorgen -- Es geht darum, sagte der Niggel, denke ich, ihnen mit der Seelsorge so gut, weil sie sie allein trei- ben.
Ihrer viele kamen nicht so bald unter ihr Dach, so giengen sie mit Schaufeln und Karst, oder einem andern Instrument auf der Achsel, oder unter den Armen, wieder zur Thüre hinaus, um dieses oder jenes geschwind in die Ordnung zu machen, worü- ber sie am stärksten durch ihren Spiegel beschämt worden waren.
So giengs am ersten Tag, und der Junker trug Sorge, daß ihnen der Spiegel alle Jahr wie- der neu werde.
Alle Fronfasten mußte ein jeder Dorfrath sein Buch erneuern, und in allen Rubriken anzeigen, ob in denselben einige größere oder kleinere Verän-
von dieſem Blatt haͤtten, es koͤnnte ihnen gar viel dienen; er gab ſie allen, und viele konnten das Blatt auf dem Heimweg, und auch daheim, nicht aus den Haͤnden laſſen, bis ſie ſich genug darinn erſehen. Der Niggel Spiz ſagte einem ganzen Haufen von ihnen, da er ſie ſo mit ihrem Papier in der Hand vor dem Pfarrhaus ſpatzieren ſah — So hat noch kein Pfarrer ſeine Gemeinde aus einer Predigt oder aus einer Kinderlehre heimgeſchickt! — Einer gab ihm zur Antwort — ja dieſe fangen nicht beym Leib an fuͤr den Menſchen zu ſorgen — Es geht darum, ſagte der Niggel, denke ich, ihnen mit der Seelſorge ſo gut, weil ſie ſie allein trei- ben.
Ihrer viele kamen nicht ſo bald unter ihr Dach, ſo giengen ſie mit Schaufeln und Karſt, oder einem andern Inſtrument auf der Achſel, oder unter den Armen, wieder zur Thuͤre hinaus, um dieſes oder jenes geſchwind in die Ordnung zu machen, woruͤ- ber ſie am ſtaͤrkſten durch ihren Spiegel beſchaͤmt worden waren.
So giengs am erſten Tag, und der Junker trug Sorge, daß ihnen der Spiegel alle Jahr wie- der neu werde.
Alle Fronfaſten mußte ein jeder Dorfrath ſein Buch erneuern, und in allen Rubriken anzeigen, ob in denſelben einige groͤßere oder kleinere Veraͤn-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0270"n="252"/>
von dieſem Blatt haͤtten, es koͤnnte ihnen gar viel<lb/>
dienen; er gab ſie allen, und viele konnten das<lb/>
Blatt auf dem Heimweg, und auch daheim, nicht<lb/>
aus den Haͤnden laſſen, bis ſie ſich genug darinn<lb/>
erſehen. Der Niggel Spiz ſagte einem ganzen<lb/>
Haufen von ihnen, da er ſie ſo mit ihrem Papier<lb/>
in der Hand vor dem Pfarrhaus ſpatzieren ſah —<lb/>
So hat noch kein Pfarrer ſeine Gemeinde aus einer<lb/>
Predigt oder aus einer Kinderlehre heimgeſchickt!<lb/>— Einer gab ihm zur Antwort — ja dieſe fangen<lb/>
nicht beym Leib an fuͤr den Menſchen zu ſorgen —<lb/>
Es geht darum, ſagte der Niggel, denke ich, ihnen<lb/>
mit der Seelſorge ſo gut, weil ſie ſie allein trei-<lb/>
ben.</p><lb/><p>Ihrer viele kamen nicht ſo bald unter ihr Dach,<lb/>ſo giengen ſie mit Schaufeln und Karſt, oder einem<lb/>
andern Inſtrument auf der Achſel, oder unter den<lb/>
Armen, wieder zur Thuͤre hinaus, um dieſes oder<lb/>
jenes geſchwind in die Ordnung zu machen, woruͤ-<lb/>
ber ſie am ſtaͤrkſten durch ihren Spiegel beſchaͤmt<lb/>
worden waren.</p><lb/><p>So giengs am erſten Tag, und der Junker<lb/>
trug Sorge, daß ihnen der Spiegel alle Jahr wie-<lb/>
der neu werde.</p><lb/><p>Alle Fronfaſten mußte ein jeder Dorfrath ſein<lb/>
Buch erneuern, und in allen Rubriken anzeigen,<lb/>
ob in denſelben einige groͤßere oder kleinere Veraͤn-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[252/0270]
von dieſem Blatt haͤtten, es koͤnnte ihnen gar viel
dienen; er gab ſie allen, und viele konnten das
Blatt auf dem Heimweg, und auch daheim, nicht
aus den Haͤnden laſſen, bis ſie ſich genug darinn
erſehen. Der Niggel Spiz ſagte einem ganzen
Haufen von ihnen, da er ſie ſo mit ihrem Papier
in der Hand vor dem Pfarrhaus ſpatzieren ſah —
So hat noch kein Pfarrer ſeine Gemeinde aus einer
Predigt oder aus einer Kinderlehre heimgeſchickt!
— Einer gab ihm zur Antwort — ja dieſe fangen
nicht beym Leib an fuͤr den Menſchen zu ſorgen —
Es geht darum, ſagte der Niggel, denke ich, ihnen
mit der Seelſorge ſo gut, weil ſie ſie allein trei-
ben.
Ihrer viele kamen nicht ſo bald unter ihr Dach,
ſo giengen ſie mit Schaufeln und Karſt, oder einem
andern Inſtrument auf der Achſel, oder unter den
Armen, wieder zur Thuͤre hinaus, um dieſes oder
jenes geſchwind in die Ordnung zu machen, woruͤ-
ber ſie am ſtaͤrkſten durch ihren Spiegel beſchaͤmt
worden waren.
So giengs am erſten Tag, und der Junker
trug Sorge, daß ihnen der Spiegel alle Jahr wie-
der neu werde.
Alle Fronfaſten mußte ein jeder Dorfrath ſein
Buch erneuern, und in allen Rubriken anzeigen,
ob in denſelben einige groͤßere oder kleinere Veraͤn-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/270>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.