nachläßigte Hälfte von sich selber aussterben, und stecke mit ihrem Tod auch diejenige an, mit der er es also gehalten, als wenn sie allein leben müßte.
Dann sagte er, es sey zwischen den Menschen, die von der Verstandspest, und denen, die von der Herzenspest angesteckt sind, wie zwischen dem Saa- men des Weibs, und dem Saamen der Schlange, eine ewige Feindschaft, und des in die Ferseste- chen- und des Kopfzertreten-Wollens unter die- sen ohnmächtigen Kranken nie kein Ende -- und je höher die Krankheit steige, je größer werde die Wuth einander so stechen und treten zu wollen.
Izt verstund ihn der Junker, und fand die Geschichte neuerer Streitigkeiten darinn beschrieben. Er hatte schon viel von der Herzenspest gehört, aber das Wort Verstandspest war ihm neuer, und er bat den Bauern, er solle doch fortfahren und ihm die Leute beschreiben, die an der Verstands- pest krank liegen.
Der Christoph fuhr fort, und sagte, es liegen alle Leute daran krank, die es mit der Liebe zur Wahrheit haben, wie der Killer selig mit dem Rechnen, welcher den Bauern im Wirthshaus gar leicht hat ausrechnen können, wie viel Minuten ein jeder alt sey, oder gar, wie viel Tropfen Wasser in einer Stunde aus einer Brunnenröhre laufen,
nachlaͤßigte Haͤlfte von ſich ſelber ausſterben, und ſtecke mit ihrem Tod auch diejenige an, mit der er es alſo gehalten, als wenn ſie allein leben muͤßte.
Dann ſagte er, es ſey zwiſchen den Menſchen, die von der Verſtandspeſt, und denen, die von der Herzenspeſt angeſteckt ſind, wie zwiſchen dem Saa- men des Weibs, und dem Saamen der Schlange, eine ewige Feindſchaft, und des in die Ferſeſte- chen- und des Kopfzertreten-Wollens unter die- ſen ohnmaͤchtigen Kranken nie kein Ende — und je hoͤher die Krankheit ſteige, je groͤßer werde die Wuth einander ſo ſtechen und treten zu wollen.
Izt verſtund ihn der Junker, und fand die Geſchichte neuerer Streitigkeiten darinn beſchrieben. Er hatte ſchon viel von der Herzenspeſt gehoͤrt, aber das Wort Verſtandspeſt war ihm neuer, und er bat den Bauern, er ſolle doch fortfahren und ihm die Leute beſchreiben, die an der Verſtands- peſt krank liegen.
Der Chriſtoph fuhr fort, und ſagte, es liegen alle Leute daran krank, die es mit der Liebe zur Wahrheit haben, wie der Killer ſelig mit dem Rechnen, welcher den Bauern im Wirthshaus gar leicht hat ausrechnen koͤnnen, wie viel Minuten ein jeder alt ſey, oder gar, wie viel Tropfen Waſſer in einer Stunde aus einer Brunnenroͤhre laufen,
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nachlaͤßigte Haͤlfte von ſich ſelber ausſterben, und
ſtecke mit ihrem Tod auch diejenige an, mit der er
es alſo gehalten, als wenn ſie allein leben muͤßte.
Dann ſagte er, es ſey zwiſchen den Menſchen,
die von der Verſtandspeſt, und denen, die von der
Herzenspeſt angeſteckt ſind, wie zwiſchen dem Saa-
men des Weibs, und dem Saamen der Schlange,
eine ewige Feindſchaft, und des in die Ferſeſte-
chen- und des Kopfzertreten-Wollens unter die-
ſen ohnmaͤchtigen Kranken nie kein Ende — und je
hoͤher die Krankheit ſteige, je groͤßer werde die
Wuth einander ſo ſtechen und treten zu wollen.
Izt verſtund ihn der Junker, und fand die
Geſchichte neuerer Streitigkeiten darinn beſchrieben.
Er hatte ſchon viel von der Herzenspeſt gehoͤrt,
aber das Wort Verſtandspeſt war ihm neuer, und
er bat den Bauern, er ſolle doch fortfahren und
ihm die Leute beſchreiben, die an der Verſtands-
peſt krank liegen.
Der Chriſtoph fuhr fort, und ſagte, es liegen
alle Leute daran krank, die es mit der Liebe zur
Wahrheit haben, wie der Killer ſelig mit dem
Rechnen, welcher den Bauern im Wirthshaus gar
leicht hat ausrechnen koͤnnen, wie viel Minuten ein
jeder alt ſey, oder gar, wie viel Tropfen Waſſer
in einer Stunde aus einer Brunnenroͤhre laufen,
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/235>, abgerufen am 24.11.2024.
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