in wie weit es auf diese Meynungen einen guten oder schlimmen Einfluß hat; und sich dann sogar einzubilden, der liebe Gott mache es droben in sei- nem hohen Himmel just auch so, und wäge das ganze Menschengeschlecht auf dergleichen Meynun- gen-Waag, die sie in ihrem Dorf haben. Je schwächer dann die Menschen seyen, je dümmer werde dann diese Brüderschafts-Einbildung; aber auch die Besten bringe es gegen alles Gute, was von Menschen, die sich außer ihrem Brüderschafts-Gna- denstand befinden, herkomme, dahin, daß sie das- selbe, wie sie sagen, der Leitung Gottes anheim- stellen, aber selber mit keinem Finger berühren, indessen sie das, was von ihren Leuten herkommt, unter dem Beystand Gottes, gar wohl und sorg- fältig besorgen; dann gehe es freylich gar oft besser bey ihren Gnadenwerken, die in der Ordnung be- sorgt werden, als bey den Weltkinder-Arbeiten, die etwas außer dem Gnadenstand unvernünftig an- gegriffen, und unsinnig verwahrloset.
So natürlich das sey, so verblenden sich die Brüder doch immer darinn, und behaupten allemal in diesem Fall -- Gott im Himmel selber mache also allen Tand der Heiden vor den Augen seines auserwählten Volks zu schanden.
Daraus entsteht, daß alle solche Brüderschafts- Menschen unmöglich reinen und unbeschränkten
in wie weit es auf dieſe Meynungen einen guten oder ſchlimmen Einfluß hat; und ſich dann ſogar einzubilden, der liebe Gott mache es droben in ſei- nem hohen Himmel juſt auch ſo, und waͤge das ganze Menſchengeſchlecht auf dergleichen Meynun- gen-Waag, die ſie in ihrem Dorf haben. Je ſchwaͤcher dann die Menſchen ſeyen, je duͤmmer werde dann dieſe Bruͤderſchafts-Einbildung; aber auch die Beſten bringe es gegen alles Gute, was von Menſchen, die ſich außer ihrem Bruͤderſchafts-Gna- denſtand befinden, herkomme, dahin, daß ſie daſ- ſelbe, wie ſie ſagen, der Leitung Gottes anheim- ſtellen, aber ſelber mit keinem Finger beruͤhren, indeſſen ſie das, was von ihren Leuten herkommt, unter dem Beyſtand Gottes, gar wohl und ſorg- faͤltig beſorgen; dann gehe es freylich gar oft beſſer bey ihren Gnadenwerken, die in der Ordnung be- ſorgt werden, als bey den Weltkinder-Arbeiten, die etwas außer dem Gnadenſtand unvernuͤnftig an- gegriffen, und unſinnig verwahrloſet.
So natuͤrlich das ſey, ſo verblenden ſich die Bruͤder doch immer darinn, und behaupten allemal in dieſem Fall — Gott im Himmel ſelber mache alſo allen Tand der Heiden vor den Augen ſeines auserwaͤhlten Volks zu ſchanden.
Daraus entſteht, daß alle ſolche Bruͤderſchafts- Menſchen unmoͤglich reinen und unbeſchraͤnkten
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in wie weit es auf dieſe Meynungen einen guten
oder ſchlimmen Einfluß hat; und ſich dann ſogar
einzubilden, der liebe Gott mache es droben in ſei-
nem hohen Himmel juſt auch ſo, und waͤge das
ganze Menſchengeſchlecht auf dergleichen Meynun-
gen-Waag, die ſie in ihrem Dorf haben. Je
ſchwaͤcher dann die Menſchen ſeyen, je duͤmmer
werde dann dieſe Bruͤderſchafts-Einbildung; aber
auch die Beſten bringe es gegen alles Gute, was von
Menſchen, die ſich außer ihrem Bruͤderſchafts-Gna-
denſtand befinden, herkomme, dahin, daß ſie daſ-
ſelbe, wie ſie ſagen, der Leitung Gottes anheim-
ſtellen, aber ſelber mit keinem Finger beruͤhren,
indeſſen ſie das, was von ihren Leuten herkommt,
unter dem Beyſtand Gottes, gar wohl und ſorg-
faͤltig beſorgen; dann gehe es freylich gar oft beſſer
bey ihren Gnadenwerken, die in der Ordnung be-
ſorgt werden, als bey den Weltkinder-Arbeiten,
die etwas außer dem Gnadenſtand unvernuͤnftig an-
gegriffen, und unſinnig verwahrloſet.
So natuͤrlich das ſey, ſo verblenden ſich die
Bruͤder doch immer darinn, und behaupten allemal
in dieſem Fall — Gott im Himmel ſelber mache
alſo allen Tand der Heiden vor den Augen ſeines
auserwaͤhlten Volks zu ſchanden.
Daraus entſteht, daß alle ſolche Bruͤderſchafts-
Menſchen unmoͤglich reinen und unbeſchraͤnkten
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/230>, abgerufen am 22.11.2024.
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