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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787.

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wären alle zusammen gestanden, und hätten einen
geschlagen und weggejagt, wenn er das gethan hätte.

Junker. Nu, ich will es glauben; aber
wie gehts mit dem Freveln? Es ist izt bald Herbst --

Kind. O! -- mit dem gehts gar gut --
wenn du wüßtest --

Junker. Was, wenn ich wüßte?

Kind. Daß wir Aepfel, Birren und Erd-
äpfel zu braten bekommen, so viel wir wollen;
gelt, du würdest dann nicht meynen, wir freveln
noch --? --

Junker. Aber wer giebt euch das?

Kind. Alle Leute, die Land und Bäume
haben, die an die Weyd stoßen. --

Junker. Wie ist das izt gekommen?

Kind. Da sie das Leztemal die Häg (Zäu-
ne) ausgebessert, sind eine ganze Menge Männer
da gewesen, haben uns zuerst ausgelacht, und ge-
fragt, ob wir ihnen izt im Herbst auch das Halbe
stehlen wollen, wie das letzte Jahr? Wir haben
auch gelacht, und gesagt, es sey eben schlimm,
wir dörfen izt nicht mehr; da hat der alte Renold
gesagt, es könne nicht so seyn, der Tag sey lang,
und die jungen Leute mögen essen, man könne sie
nicht lassen hungern auf der Weyd, wir sollen nur
brav hüten, wenn sie das Obst ablesen, und die
Erdäpfel austhun, so wollen sie uns von allem

waͤren alle zuſammen geſtanden, und haͤtten einen
geſchlagen und weggejagt, wenn er das gethan haͤtte.

Junker. Nu, ich will es glauben; aber
wie gehts mit dem Freveln? Es iſt izt bald Herbſt —

Kind. O! — mit dem gehts gar gut —
wenn du wuͤßteſt —

Junker. Was, wenn ich wuͤßte?

Kind. Daß wir Aepfel, Birren und Erd-
aͤpfel zu braten bekommen, ſo viel wir wollen;
gelt, du wuͤrdeſt dann nicht meynen, wir freveln
noch —? —

Junker. Aber wer giebt euch das?

Kind. Alle Leute, die Land und Baͤume
haben, die an die Weyd ſtoßen. —

Junker. Wie iſt das izt gekommen?

Kind. Da ſie das Leztemal die Haͤg (Zaͤu-
ne) ausgebeſſert, ſind eine ganze Menge Maͤnner
da geweſen, haben uns zuerſt ausgelacht, und ge-
fragt, ob wir ihnen izt im Herbſt auch das Halbe
ſtehlen wollen, wie das letzte Jahr? Wir haben
auch gelacht, und geſagt, es ſey eben ſchlimm,
wir doͤrfen izt nicht mehr; da hat der alte Renold
geſagt, es koͤnne nicht ſo ſeyn, der Tag ſey lang,
und die jungen Leute moͤgen eſſen, man koͤnne ſie
nicht laſſen hungern auf der Weyd, wir ſollen nur
brav huͤten, wenn ſie das Obſt ableſen, und die
Erdaͤpfel austhun, ſo wollen ſie uns von allem

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[204/0222] waͤren alle zuſammen geſtanden, und haͤtten einen geſchlagen und weggejagt, wenn er das gethan haͤtte. Junker. Nu, ich will es glauben; aber wie gehts mit dem Freveln? Es iſt izt bald Herbſt — Kind. O! — mit dem gehts gar gut — wenn du wuͤßteſt — Junker. Was, wenn ich wuͤßte? Kind. Daß wir Aepfel, Birren und Erd- aͤpfel zu braten bekommen, ſo viel wir wollen; gelt, du wuͤrdeſt dann nicht meynen, wir freveln noch —? — Junker. Aber wer giebt euch das? Kind. Alle Leute, die Land und Baͤume haben, die an die Weyd ſtoßen. — Junker. Wie iſt das izt gekommen? Kind. Da ſie das Leztemal die Haͤg (Zaͤu- ne) ausgebeſſert, ſind eine ganze Menge Maͤnner da geweſen, haben uns zuerſt ausgelacht, und ge- fragt, ob wir ihnen izt im Herbſt auch das Halbe ſtehlen wollen, wie das letzte Jahr? Wir haben auch gelacht, und geſagt, es ſey eben ſchlimm, wir doͤrfen izt nicht mehr; da hat der alte Renold geſagt, es koͤnne nicht ſo ſeyn, der Tag ſey lang, und die jungen Leute moͤgen eſſen, man koͤnne ſie nicht laſſen hungern auf der Weyd, wir ſollen nur brav huͤten, wenn ſie das Obſt ableſen, und die Erdaͤpfel austhun, ſo wollen ſie uns von allem

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/222>, abgerufen am 22.11.2024.