tern nachgezogen, die Perüque abgenommen, und sie dem Harnischmann auf dem Brunnen bey der Kirche aufgesezt. Izt haben freylich die Perüquen- Gespenster in Küllau sicherer des Nachts zu wan- deln, aber man behauptet es für gewiß, es ge- schehe unter den Knaben und Töchtern daselbst izt gar viel mehr Böses als vorher.
Auch das behaupteten sie, man könne in die- ser Sache nicht ganz allein auf die Verhütung des frühzeitigen Beyschlafs acht haben, sondern man müsse vielmehr auch auf die Verhütung der unglück- lichen Ehen bedacht seyn; und zu diesem Endzweck seyen die Nachtfreyheiten, mit der ganzen alten Ordnung verbunden, eine Sache gewesen, die ihre recht gute Seite gehabt habe. Wann der Mensch das Alter und das Recht habe eine Frau zu suchen, so muß man in Gottes Namen ihn eine suchen lassen; und es sey, sezten sie hinzu, einem nicht zuzumuthen, seine Katze im Sack zu kaufen, wie man sich bey ihnen ausdrückt. *)
*)Anmerkung. Diese Worte werden Leser einer Art verfeinerten sittlichen Gefühls stoßen -- Volkskenner werden sie nicht stoßen. Wer mit den Gradationen des sittlichen Gefühls bekannt ist, der weiß, daß die Sprache des feinsten Gefühls in den Mund zu nehmen, und den rohern Ton des Mittlern zu verläugnen,
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tern nachgezogen, die Peruͤque abgenommen, und ſie dem Harniſchmann auf dem Brunnen bey der Kirche aufgeſezt. Izt haben freylich die Peruͤquen- Geſpenſter in Kuͤllau ſicherer des Nachts zu wan- deln, aber man behauptet es fuͤr gewiß, es ge- ſchehe unter den Knaben und Toͤchtern daſelbſt izt gar viel mehr Boͤſes als vorher.
Auch das behaupteten ſie, man koͤnne in die- ſer Sache nicht ganz allein auf die Verhuͤtung des fruͤhzeitigen Beyſchlafs acht haben, ſondern man muͤſſe vielmehr auch auf die Verhuͤtung der ungluͤck- lichen Ehen bedacht ſeyn; und zu dieſem Endzweck ſeyen die Nachtfreyheiten, mit der ganzen alten Ordnung verbunden, eine Sache geweſen, die ihre recht gute Seite gehabt habe. Wann der Menſch das Alter und das Recht habe eine Frau zu ſuchen, ſo muß man in Gottes Namen ihn eine ſuchen laſſen; und es ſey, ſezten ſie hinzu, einem nicht zuzumuthen, ſeine Katze im Sack zu kaufen, wie man ſich bey ihnen ausdruͤckt. *)
*)Anmerkung. Dieſe Worte werden Leſer einer Art verfeinerten ſittlichen Gefuͤhls ſtoßen — Volkskenner werden ſie nicht ſtoßen. Wer mit den Gradationen des ſittlichen Gefuͤhls bekannt iſt, der weiß, daß die Sprache des feinſten Gefuͤhls in den Mund zu nehmen, und den rohern Ton des Mittlern zu verlaͤugnen,
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[193/0211]
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Kirche aufgeſezt. Izt haben freylich die Peruͤquen-
Geſpenſter in Kuͤllau ſicherer des Nachts zu wan-
deln, aber man behauptet es fuͤr gewiß, es ge-
ſchehe unter den Knaben und Toͤchtern daſelbſt izt
gar viel mehr Boͤſes als vorher.
Auch das behaupteten ſie, man koͤnne in die-
ſer Sache nicht ganz allein auf die Verhuͤtung des
fruͤhzeitigen Beyſchlafs acht haben, ſondern man
muͤſſe vielmehr auch auf die Verhuͤtung der ungluͤck-
lichen Ehen bedacht ſeyn; und zu dieſem Endzweck
ſeyen die Nachtfreyheiten, mit der ganzen alten
Ordnung verbunden, eine Sache geweſen, die ihre
recht gute Seite gehabt habe. Wann der Menſch
das Alter und das Recht habe eine Frau zu ſuchen,
ſo muß man in Gottes Namen ihn eine ſuchen
laſſen; und es ſey, ſezten ſie hinzu, einem nicht
zuzumuthen, ſeine Katze im Sack zu kaufen, wie
man ſich bey ihnen ausdruͤckt. *)
*) Anmerkung. Dieſe Worte werden Leſer
einer Art verfeinerten ſittlichen Gefuͤhls ſtoßen
— Volkskenner werden ſie nicht ſtoßen. Wer
mit den Gradationen des ſittlichen Gefuͤhls
bekannt iſt, der weiß, daß die Sprache des
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/211>, abgerufen am 24.11.2024.
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