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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787.

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einer von den Besten, man müsse sich mit ihm ge-
wahren, so habe er können spatzieren, und Jahr
und Tag wandern und suchen, ehe er wieder eine
gefunden, die sich seiner etwas angenommen.

Ueberhaupt sagten sie, es komme die Leichtfer-
tigkeit nicht von den jungen Leuten, sie komme von
den Alten, und von der Ehrlosigkeit im Lande her;
die jungen Leute haben allenthalben eine Freude
daran, auf ihren guten Namen Acht zu haben, wo
sie auch nur ein wenig dazu aufgeweckt und aufge-
muntert werden, so machen sie sich eine Ehre dar-
aus, gute Farb zu haben, stark zu seyn, an der
Ostern ohne Ermel in die Kirche zu gehen, beym
Tanz, Schneiden und Mähen munter und aufge-
weckt zu seyn, und nichts an sich kommen zu
lassen, das ihnen Schand machen könnte.

Sie behaupteten auch, die Nachtfreyheiten der
Jugend haben die Leichtfertigkeit der Alten und
Verehlichten, die das Land ehrlos mache, verhü-
tet, aber sie seyen auch meistens um deßwillen ver-
boten worden.

Zu Küllau sey das in die Augen gefallen; man
habe gerad 8 Tag hernach den Knaben verboten,
sich am Samstag und Sonntag zu Nacht auf den
Gassen betreten zu lassen, nachdem sie einem nacht-
wandelnden verehlichten Gespenst, das ihren Töch-

tern

einer von den Beſten, man muͤſſe ſich mit ihm ge-
wahren, ſo habe er koͤnnen ſpatzieren, und Jahr
und Tag wandern und ſuchen, ehe er wieder eine
gefunden, die ſich ſeiner etwas angenommen.

Ueberhaupt ſagten ſie, es komme die Leichtfer-
tigkeit nicht von den jungen Leuten, ſie komme von
den Alten, und von der Ehrloſigkeit im Lande her;
die jungen Leute haben allenthalben eine Freude
daran, auf ihren guten Namen Acht zu haben, wo
ſie auch nur ein wenig dazu aufgeweckt und aufge-
muntert werden, ſo machen ſie ſich eine Ehre dar-
aus, gute Farb zu haben, ſtark zu ſeyn, an der
Oſtern ohne Ermel in die Kirche zu gehen, beym
Tanz, Schneiden und Maͤhen munter und aufge-
weckt zu ſeyn, und nichts an ſich kommen zu
laſſen, das ihnen Schand machen koͤnnte.

Sie behaupteten auch, die Nachtfreyheiten der
Jugend haben die Leichtfertigkeit der Alten und
Verehlichten, die das Land ehrlos mache, verhuͤ-
tet, aber ſie ſeyen auch meiſtens um deßwillen ver-
boten worden.

Zu Kuͤllau ſey das in die Augen gefallen; man
habe gerad 8 Tag hernach den Knaben verboten,
ſich am Samſtag und Sonntag zu Nacht auf den
Gaſſen betreten zu laſſen, nachdem ſie einem nacht-
wandelnden verehlichten Geſpenſt, das ihren Toͤch-

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[192/0210] einer von den Beſten, man muͤſſe ſich mit ihm ge- wahren, ſo habe er koͤnnen ſpatzieren, und Jahr und Tag wandern und ſuchen, ehe er wieder eine gefunden, die ſich ſeiner etwas angenommen. Ueberhaupt ſagten ſie, es komme die Leichtfer- tigkeit nicht von den jungen Leuten, ſie komme von den Alten, und von der Ehrloſigkeit im Lande her; die jungen Leute haben allenthalben eine Freude daran, auf ihren guten Namen Acht zu haben, wo ſie auch nur ein wenig dazu aufgeweckt und aufge- muntert werden, ſo machen ſie ſich eine Ehre dar- aus, gute Farb zu haben, ſtark zu ſeyn, an der Oſtern ohne Ermel in die Kirche zu gehen, beym Tanz, Schneiden und Maͤhen munter und aufge- weckt zu ſeyn, und nichts an ſich kommen zu laſſen, das ihnen Schand machen koͤnnte. Sie behaupteten auch, die Nachtfreyheiten der Jugend haben die Leichtfertigkeit der Alten und Verehlichten, die das Land ehrlos mache, verhuͤ- tet, aber ſie ſeyen auch meiſtens um deßwillen ver- boten worden. Zu Kuͤllau ſey das in die Augen gefallen; man habe gerad 8 Tag hernach den Knaben verboten, ſich am Samſtag und Sonntag zu Nacht auf den Gaſſen betreten zu laſſen, nachdem ſie einem nacht- wandelnden verehlichten Geſpenſt, das ihren Toͤch- tern

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/210>, abgerufen am 22.11.2024.