gemein als höchstnothwendig auffalle, höchstwahr- scheinlich auch möglich sey.
Die Bauern, die bestimmt -- wie er -- fan- den, daß die Menschen, so bald sie sich selbst über- lassen, träg, unwissend, unvorsichtig, und völlig, wie er sie beschrieben, werden, hielten sich, ihre Meynung hierüber deutlich zu machen, an die Be- schreibung der alten Ordnung in Bonnal, und sag- ten, die Leute seyen so sinnlos und vergeßlich ge- worden, daß sie nicht mehr zu gebrauchen gewe- sen, und man mit ihnen in allen Stücken nicht mehr das Halbe habe ausrichten können, was vor- mals landsüblich gewesen.
Die Gründe zum Rechtthun seyen den Leuten wie vor den Augen weggethan -- und hingegen die Gründe zum Lumpen und Schelmen wie vorge- mahlt und vorgesungen worden. Man habe es mit Lumpenstreichen und Bosheiten gar viel weiters bringen, mehr dabey gewinnen, und damit leich- ter zu Wein, Brod und Fleisch kommen können; auch haben sie das Rechtthun für keine Ehre mehr gehalten, und keine Freude dabey gehabt, so we- nig als Scham und Furcht. Die kleinsten Kinder, wenn man ihnen etwas abgewehret, seyen im Stand gewesen, den Rücken zu kehren, und anfangen zu singen: "Was reden die Leute, was bellen die Hunde!" Wer der Frecheste und der Schlaueste,
und
gemein als hoͤchſtnothwendig auffalle, hoͤchſtwahr- ſcheinlich auch moͤglich ſey.
Die Bauern, die beſtimmt — wie er — fan- den, daß die Menſchen, ſo bald ſie ſich ſelbſt uͤber- laſſen, traͤg, unwiſſend, unvorſichtig, und voͤllig, wie er ſie beſchrieben, werden, hielten ſich, ihre Meynung hieruͤber deutlich zu machen, an die Be- ſchreibung der alten Ordnung in Bonnal, und ſag- ten, die Leute ſeyen ſo ſinnlos und vergeßlich ge- worden, daß ſie nicht mehr zu gebrauchen gewe- ſen, und man mit ihnen in allen Stuͤcken nicht mehr das Halbe habe ausrichten koͤnnen, was vor- mals landsuͤblich geweſen.
Die Gruͤnde zum Rechtthun ſeyen den Leuten wie vor den Augen weggethan — und hingegen die Gruͤnde zum Lumpen und Schelmen wie vorge- mahlt und vorgeſungen worden. Man habe es mit Lumpenſtreichen und Bosheiten gar viel weiters bringen, mehr dabey gewinnen, und damit leich- ter zu Wein, Brod und Fleiſch kommen koͤnnen; auch haben ſie das Rechtthun fuͤr keine Ehre mehr gehalten, und keine Freude dabey gehabt, ſo we- nig als Scham und Furcht. Die kleinſten Kinder, wenn man ihnen etwas abgewehret, ſeyen im Stand geweſen, den Ruͤcken zu kehren, und anfangen zu ſingen: „Was reden die Leute, was bellen die Hunde!„ Wer der Frecheſte und der Schlaueſte,
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gemein als hoͤchſtnothwendig auffalle, hoͤchſtwahr-
ſcheinlich auch moͤglich ſey.
Die Bauern, die beſtimmt — wie er — fan-
den, daß die Menſchen, ſo bald ſie ſich ſelbſt uͤber-
laſſen, traͤg, unwiſſend, unvorſichtig, und voͤllig,
wie er ſie beſchrieben, werden, hielten ſich, ihre
Meynung hieruͤber deutlich zu machen, an die Be-
ſchreibung der alten Ordnung in Bonnal, und ſag-
ten, die Leute ſeyen ſo ſinnlos und vergeßlich ge-
worden, daß ſie nicht mehr zu gebrauchen gewe-
ſen, und man mit ihnen in allen Stuͤcken nicht
mehr das Halbe habe ausrichten koͤnnen, was vor-
mals landsuͤblich geweſen.
Die Gruͤnde zum Rechtthun ſeyen den Leuten
wie vor den Augen weggethan — und hingegen
die Gruͤnde zum Lumpen und Schelmen wie vorge-
mahlt und vorgeſungen worden. Man habe es mit
Lumpenſtreichen und Bosheiten gar viel weiters
bringen, mehr dabey gewinnen, und damit leich-
ter zu Wein, Brod und Fleiſch kommen koͤnnen;
auch haben ſie das Rechtthun fuͤr keine Ehre mehr
gehalten, und keine Freude dabey gehabt, ſo we-
nig als Scham und Furcht. Die kleinſten Kinder,
wenn man ihnen etwas abgewehret, ſeyen im Stand
geweſen, den Ruͤcken zu kehren, und anfangen zu
ſingen: „Was reden die Leute, was bellen die
Hunde!„ Wer der Frecheſte und der Schlaueſte,
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/194>, abgerufen am 21.11.2024.
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