Junker, sondern von seiner Erfahrung. -- Er machte kein Kompliment, und war wirklich darauf gefaßt. --
Da er, seit dem er Bylifsky ersten Brief gele- sen, die Nachforschungen über die Natur einer wahren Volksgesezgebung zum Gegenstand seines Nachtwachens und jedes freyen Augenblicks im Tage gemacht, dachte er nunmehr mit einer Hei- terkeit und Bestimmtheit über diesen Gegenstand, daß er sich nicht entzog, seine Begriffe darüber in einem der ersten Abenden, den sie bey dem wieder- genesenden Junker zubrachten, auseinander zu se- zen -- wie folget. --
Die neuern Gesezgebungen, die man aber nicht im Ernst für Volksgesezgebungen ausgeben wird, setzen alle vom Menschen, und besonders vom min- dern Menschen, voraus, daß er ohne alles Verhält- niß mehr und besser sey, als er ist, und als er, ohne daß sie ihn in Stand stellen es zu werden, seiner Natur nach nicht seyn kann.
Der Mensch, fuhr er fort, ist von Natur, wenn er sich selbst überlassen wild aufwächst, träg, un- wissend, unvorsichtig, unbedachtsam, leichtsinnig, leichtgläubig, furchtsam, und ohne Gränzen gierig, und wird dann noch durch die Gefahren, die seiner Schwäche, und die Hindernisse, die seiner Gierig- keit aufstoßen, krumm, verschlagen, heimtückisch,
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Junker, ſondern von ſeiner Erfahrung. — Er machte kein Kompliment, und war wirklich darauf gefaßt. —
Da er, ſeit dem er Bylifsky erſten Brief gele- ſen, die Nachforſchungen uͤber die Natur einer wahren Volksgeſezgebung zum Gegenſtand ſeines Nachtwachens und jedes freyen Augenblicks im Tage gemacht, dachte er nunmehr mit einer Hei- terkeit und Beſtimmtheit uͤber dieſen Gegenſtand, daß er ſich nicht entzog, ſeine Begriffe daruͤber in einem der erſten Abenden, den ſie bey dem wieder- geneſenden Junker zubrachten, auseinander zu ſe- zen — wie folget. —
Die neuern Geſezgebungen, die man aber nicht im Ernſt fuͤr Volksgeſezgebungen ausgeben wird, ſetzen alle vom Menſchen, und beſonders vom min- dern Menſchen, voraus, daß er ohne alles Verhaͤlt- niß mehr und beſſer ſey, als er iſt, und als er, ohne daß ſie ihn in Stand ſtellen es zu werden, ſeiner Natur nach nicht ſeyn kann.
Der Menſch, fuhr er fort, iſt von Natur, wenn er ſich ſelbſt uͤberlaſſen wild aufwaͤchst, traͤg, un- wiſſend, unvorſichtig, unbedachtſam, leichtſinnig, leichtglaͤubig, furchtſam, und ohne Graͤnzen gierig, und wird dann noch durch die Gefahren, die ſeiner Schwaͤche, und die Hinderniſſe, die ſeiner Gierig- keit aufſtoßen, krumm, verſchlagen, heimtuͤckiſch,
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Junker, ſondern von ſeiner Erfahrung. — Er
machte kein Kompliment, und war wirklich darauf
gefaßt. —
Da er, ſeit dem er Bylifsky erſten Brief gele-
ſen, die Nachforſchungen uͤber die Natur einer
wahren Volksgeſezgebung zum Gegenſtand ſeines
Nachtwachens und jedes freyen Augenblicks im
Tage gemacht, dachte er nunmehr mit einer Hei-
terkeit und Beſtimmtheit uͤber dieſen Gegenſtand,
daß er ſich nicht entzog, ſeine Begriffe daruͤber in
einem der erſten Abenden, den ſie bey dem wieder-
geneſenden Junker zubrachten, auseinander zu ſe-
zen — wie folget. —
Die neuern Geſezgebungen, die man aber nicht
im Ernſt fuͤr Volksgeſezgebungen ausgeben wird,
ſetzen alle vom Menſchen, und beſonders vom min-
dern Menſchen, voraus, daß er ohne alles Verhaͤlt-
niß mehr und beſſer ſey, als er iſt, und als er,
ohne daß ſie ihn in Stand ſtellen es zu werden,
ſeiner Natur nach nicht ſeyn kann.
Der Menſch, fuhr er fort, iſt von Natur, wenn
er ſich ſelbſt uͤberlaſſen wild aufwaͤchst, traͤg, un-
wiſſend, unvorſichtig, unbedachtſam, leichtſinnig,
leichtglaͤubig, furchtſam, und ohne Graͤnzen gierig,
und wird dann noch durch die Gefahren, die ſeiner
Schwaͤche, und die Hinderniſſe, die ſeiner Gierig-
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/183>, abgerufen am 24.11.2024.
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